idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
10.10.2023 08:32

Wie pflanzliche Ernährung den Darm und das Gehirn beeinflussen kann

Medizinische Fakultät Anne Grimm Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Kann eine pflanzliche Ernährung die Darmbakterien so verändern, dass diese einen Einfluss auf die Gehirnfunktion haben? Dieser Frage sind Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Leipzig, des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in einer Studie mit Erwachsenen mit Übergewicht nachgegangen. Die im renommierten Journal „Gut“ publizierten Ergebnisse deuten darauf hin, dass Ballaststoffe sowohl die Zusammensetzung der Darmbakterien als auch die Belohnungssignale im Gehirn und die damit verbundene Essentscheidung positiv verändern können.

    Präbiotika dienen der Ansiedlung nützlicher Bakterien im Darm. Diese unverdaulichen Ballaststoffe kommen in pflanzlichen Lebensmitteln wie Zwiebeln, Lauch, Artischocken, Weizen, Bananen oder auch hochkonzentriert in der Chicoreewurzel vor. Sie unterstützen die Darmgesundheit, indem sie das Wachstum und die Aktivität von nützlichen Darmbakterien fördern. Forschende haben nun untersucht, ob bestimmte Präbiotika auch die Hirnfunktion beeinflussen können, also die Kommunikation zwischen Darmmikrobiom und Gehirn verbessern.

    Die aktuelle Interventionsstudie unter Leitung der Universitätsmedizin Leipzig deutet darauf hin, dass diätetische Präbiotika hochdosiert zu einer Reduktion der belohnungsbezogenen Hirnaktivierung als Reaktion auf hochkalorische Nahrungsmittelreize führen können. „Die Ergebnisse lassen auf eine potenzielle Verbindung zwischen Darmgesundheit und Gehirnfunktion schließen, in diesem Fall die Essentscheidung“, sagt PD Dr. Veronica Witte, Co-Autorin der Studie und Wissenschaftlerin der Universitätsmedizin Leipzig.

    In der Studie wurden junge Erwachsene mit leichtem Übergewicht und einem omnivoren, westlichen Ernährungsstil ausgewählt. Die 59 Proband:innen nahmen über einen Zeitraum von 14 Tagen jeden Tag 30 Gramm Inulin zu sich, ein Präbiotikum aus der Chicoreewurzel. In der funktionellen MRT-Bildgebung wurden Bilder von Essen gezeigt und die Proband:innen mussten entscheiden, wie sehr sie die gesehenen Mahlzeiten nach dem Experiment verzehren möchten. Im Anschluss erhielten sie ihr am höchsten bewertetes Gericht zum Verzehr.

    Die MRT-Untersuchung wurde an vier Zeitpunkten wiederholt, jeweils vor und nach der Präbiotika-Gabe und vor und nach einer Placebo-Phase, in welcher die Teilnehmenden ein Präparat mit derselben Energiedichte erhielten. Im Vergleich zeigte sich eine geringere Aktivierung der belohnungsbezogenen Gehirnbereiche bei der Bewertung hochkalorischer Lebensmittel nach der Ballaststoffeinnahme. Dieser Effekt wurde von einer Veränderung in der Zusammensetzung der Darmbakterien begleitet.

    Die Ergebnisse der genutzten fortschrittlichen Neurobildgebung, Next-Generation-Sequenzierung zur Bestimmung der Darm-Bakterien und kombinierten Messmethoden möglicher Stoffwechselwege legen nahe, dass funktionale mikrobielle Veränderungen der veränderten Hirnantwort zugrunde liegen könnten. Magen-Darm-Hormone, Glukose/Lipide und entzündliche Marker wurden in Nüchtern-Blutproben der Teilnehmenden analysiert. Darüber hinaus wurden die Darmmikrobiota und deren Stoffwechselprodukte, also die kurzkettigen Fettsäuren, im Stuhl gemessen. Die neuen Ergebnisse sind im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1052, Mechanismen der Adipositas, entstanden.

    „Zukünftige Studien sind erforderlich, um zu untersuchen, ob Behandlungen, die das Mikrobiom verändern, neue Wege für weniger invasive Ansätze zur Vorbeugung und Therapie von Adipositas eröffnen könnten. Ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen zwischen Mikrobiom, Darm und Gehirn könnte helfen, neue Strategien zur Förderung gesünderer Essgewohnheiten bei Menschen zu entwickeln“, sagt Dr. Witte. In einer Folgestudie wird derzeit untersucht, wie sich eine längerfristige Gabe von hochdosierten Präbiotika über sechs Monate bei Menschen mit Übergewicht und Adipositas auf das Essverhalten, das Gehirn und auch auf das Körpergewicht auswirkt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. Veronica Witte
    Tagesklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Leipzig
    E-Mail: veronica.witte@medizin.uni-leipzig.de
    Tel.: 0341/97-2426

    Dr. Evelyn Medawar
    Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig
    medawar@cbs.mpg.de


    Originalpublikation:

    Originalpublikation in Gut: "Prebiotic diet changes neural correlates of food decision-making in overweight adults: a randomized controlled within-subject cross-over trial":
    https://gut.bmj.com/content/early/2023/10/04/gutjnl-2023-330365 doi.org/10.1136/gutjnl-2023-330365


    Bilder

    Die Teilnehmenden der Studie nahmen zwei Wochen lang ein hochdosiertes Präbiotikum aus der Chicoreewurzel zu sich.
    Die Teilnehmenden der Studie nahmen zwei Wochen lang ein hochdosiertes Präbiotikum aus der Chicoreew ...
    Foto: Colourbox

    PD Dr. Veronica Witte.
    PD Dr. Veronica Witte.
    Foto: Antje Gildemeister
    Universität Leipzig


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die Teilnehmenden der Studie nahmen zwei Wochen lang ein hochdosiertes Präbiotikum aus der Chicoreewurzel zu sich.


    Zum Download

    x

    PD Dr. Veronica Witte.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).