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13.11.2023 12:48

"Die beste aller Waren": Tagung beleuchtet Marktleben und Konsum in der vormodernen Stadt

Claudia Ehrlich Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Wie wurde im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit Handel getrieben? Was bestellte eine Patrizierfamilie im Ausland? Wie entwickelten sich Kunden- und Händlernetze, wie hielten exotische Produkte Einzug? Diesen und weiteren Fragen gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am 17. und 18. November auf dem Saarbrücker Campus auf den Grund. Der Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit der Universität des Saarlandes, Philip Hahn, lädt mit Fachkolleginnen und -kollegen der Universität Tübingen ein zur siebten Jahrestagung des Arbeitskreises „Materielle Kultur und Konsum in der Vormoderne“. Die Tagung "Marktpraktiken und Konsum in der vormodernen Stadt“ findet in Gebäude C9 3 statt.

    Der Konsum hat unser Leben, unseren Alltag, die Entwicklung unserer Städte und unserer Gesellschaft geprägt – er ist Teil unserer Identität und unserer Geschichte. Will man verstehen, wie wir wurden, was wir sind, ist die Geschichte von Handel und Märkten ein bedeutsames Puzzleteil. „Mit der Geschichte des Konsums sind soziale, gesellschaftliche, ökonomische, kulturelle, politische und viele weitere Entwicklungen eng verwoben“, sagt Professor Philip Hahn von der Universität des Saarlandes. Wer ergründet, wie und warum Menschen im Laufe der Jahrhunderte mehr oder weniger notwendige Dinge erwarben, erhält auch einen tiefen Einblick in das Alltagsleben der jeweiligen Epoche. Gerade auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, der es unerlässlich macht, Massenkonsum und lange Handelswege zu hinterfragen, kann dieses tiefere Verständnis aufschlussreich sein.

    „Marktpraktiken und Konsum hatten bedeutenden Einfluss darauf, wie sich Städte entwickelten und wie sie wahrgenommen wurden“, sagt Philip Hahn. Um diesen Zusammenhang vom Mittelalter bis ins frühe 19. Jahrhundert näher zu beleuchten, lädt der Historiker gemeinsam mit Christina Brauner, Manuel Mozer sowie Julietta Schulze von der Universität Tübingen zur Tagung auf den Saarbrücker Campus. Expertinnen und Experten sowie Nachwuchsforscherinnen und -forscher aus der Sozial-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte wie auch weiterer Disziplinen aus Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Tschechien, Österreich und Deutschland werden hierzu erwartet.

    Im Mittelpunkt stehen weniger die quirligen Metropolen, sondern mehr die kleineren Städte im ländlichen Raum. „Einer der Aspekte, denen wir nachgehen werden, ist die Frage, inwieweit diese kleineren Städte gegenüber den vielbetrachteten Metropolen vielleicht sogar repräsentativer sind für die vormoderne Zeit“, erläutert Philip Hahn. Dabei beleuchten die Forscherinnen und Forscher Praktiken des Kaufens und Verkaufens in Städten verschiedener Regionen Europas, Asiens und Amerikas. „Es geht um Märkte – sie gelten gemeinhin als Inbegriff des städtischen Handelsortes –, aber auch um Ladengeschäfte, Auktionen, ortsunabhängige Händlerinnen und Händler sowie um den frühen Versandhandel“, schildert der Historiker.

    Auch die damals bereits regen und durchaus weiten Handelswege werden Thema sein. „Wir werden sowohl europäische als auch globale Handelsgüter im Hinblick auf Handelswege, Wissensproduktion und kulturelle Aneignung im städtischen Raum in den Blick nehmen, dabei wird es auch etwa um Qualitätsvorstellungen oder Sinneswahrnehmungen gehen“, so der Experte für Frühe Neuzeit weiter. Auch frühes Stadtmarketing, sich wandelnde Erfahrungen und Erwartungen städtischer Lebensweise und das Verhältnis von Städten zum umliegenden Land werden diskutiert.

    So wird etwa Thema eines Vortrages sein, was die Briefe der Nürnberger Patrizierfamilie Tucher aus dem 16. Jahrhundert über ihre Auslandsbestellungen verraten: Diese reichten von Pflanzen für den Garten, über eine Kette für die Schwägerin bis hin zu Feigen für den Nachbarn. Im kolonialen Kontext wird die Produktion, die Vermarktung und der Konsum des mexikanischen Nationalgetränks Pulque im frühneuzeitlichen Neuspanien vorgestellt. Um die Frage nach Monopol oder Freihandel geht es bei venezolanischem Kakao im Madrid der Jahre 1685 bis 1788. Exotische Substanzen im Alten Reich sind Thema eines weiteren Vortrags, in dem es um globalen Handel, europäische Konsumkultur und Wissensproduktion in der deutschsprachigen Welt von 1670 bis 1850 geht.

    Weitere Beiträge drehen sich um Kundennetzwerke von Unternehmen in Deutschland und England im 18. Jahrhundert sowie um Netzwerke von Einzelhändlern in württembergischen Städten zwischen 1700 und 1850. Auch werden Verkaufspraktiken zwischen Stadt und Land am Beispiel des Verkaufs von religiösen Andachtsgegenständen im München des 17. und 18. Jahrhunderts aufgespürt. Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei jüdischen Kaufleuten in böhmischen und polnischen Städten im 16. Jahrhundert geht ein weiterer Vortrag auf den Grund.

    Darum, wie Händler im Mittelalter ihre Waren anpriesen, dreht sich ein Beitrag über die „Die beste aller Waren“, der Probleme und Potenziale literarischer Marktdarstellungen beleuchtet. Auktionen als geschlossene Räume des Konsums werden ebenso thematisiert wie Praktiken des Verkaufens und Kaufens von Fleisch im frühneuzeitlichen Augsburg. Ein Vortrag zeigt auf, wie Musterbogen, die bereits alle Sinne ansprachen, als Verkaufsinstrument im vormodernen Papierhandel dienten. Schließlich wird auch erörtert, wie Bildquellen wie Zeichnungen, Gemälde oder Drucke Zugang zu Praktiken des Kaufens und Verkaufens im vormodernen Eurasien gewähren.

    Die Tagung ist die siebte Jahrestagung des Arbeitskreises “Materielle Kultur und Konsum in der Vormoderne”. Der Arbeitskreis, der sich als interdisziplinäres Forum versteht, ging 2016 in Wolfenbüttel aus dem DFG-geförderten Netzwerk “Materielle Kultur und Konsum im Europa der Frühen Neuzeit. Objekte – Zirkulationen – Aneignungen” hervor. Er führt unter den Begriffen „Materielle Kultur“ und „Konsum“ unterschiedliche Forschungstraditionen und ‑ansätze zusammen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Philip Hahn
    Tel: 0681/302-2319, E-Mail: philip.hahn@uni-saarland.de


    Weitere Informationen:

    https://mkkv.hypotheses.org - Programm der Tagung auf der Seite des Arbeitskreises „Materielle Kultur und Konsum in der Vormoderne"
    https://www.uni-saarland.de/lehrstuhl/hahn.html - Lehrstuhl von Professor Philip Hahn an der Universität des Saarlandes


    Bilder

    Philip Hahn ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität des Saarlandes.
    Philip Hahn ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität des Saarlandes.
    Foto: Klaus Gimmler


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Wirtschaft
    überregional
    Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Philip Hahn ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität des Saarlandes.


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