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22.11.2023 06:31

Einschränkung der Verordnungsfähigkeit für Topiramat bei Migräne

Julia Ochs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft

    Einführung eines Schwangerschaftsverhütungsprogramms für Topiramat
    Aufgrund neuer Studiendaten und einer gemeinsamen Meldung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie der europäischen Arzneimittelagentur wurde der Stellenwert von Topiramat in der Migräneprophylaxe neu bewertet. Topiramat zeigt eine gute migräneprophylaktische Wirksamkeit und ist deshalb seit vielen Jahren in der Migräneprophylaxe etabliert und auch zugelassen.

    Es wurden jedoch zunehmend Daten publiziert, die auf das Auftreten schwerer angeborener Fehlbildungen und fetaler Wachstumsbeeinträchtigung (verringertes Geburtsgewicht) hinweisen. Zudem mehren sich die Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen, Autismus-Spektrum-Störungen, geistige Behinderungen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), wenn die Mutter in der Schwangerschaft Topiramat eingenommen hat. Die Daten stammen überwiegend aus dem Einsatz von Topiramat zur Behandlung einer Epilepsie.

    In der Migränetherapie werden oft geringere Topiramat-Dosen verwendet als in der Behandlung der Epilepsie. Ein Schwellenwert, unter dem bei Einnahme von Topiramat solche Risiken nicht auftreten, kann aus den Daten aber nicht abgeleitet werden, ebenso wenig wie eine klare Dosis-Wirkung-Beziehung. Deshalb müssen die Vorsichtsmaßnahmen, die beim Einsatz zur Behandlung einer Epilepsie notwendig sind, in gleicher Weise bei Patientinnen mit Migräne angewendet werden.

    Dadurch gelten neue Kontraindikationen:
    Topiramat ist zur Migräneprophylaxe in der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine hochwirksame Empfängnisverhütung anwenden, kontraindiziert. Die Behandlung von Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter sollte von einem in der Behandlung von Epilepsie oder Migräne erfahrenen Arzt eingeleitet und überwacht werden.

    Notwendig ist die Beachtung weiterer Maßnahmen zum Schutz des Kindes in der Schwangerschaft:
    - Alle Frauen im gebärfähigen Alter vor und unter Topiramat-Behandlung müssen durch den behandelnden Arzt über die beschriebenen Risiken aufgeklärt werden. Hierzu empfehlt sich unbedingt das auf der Webseite des BfArM erhältliche Formular zur Bestätigung der Risikoaufklärung zu nutzen.
    - Es wurde zudem ein Patientinnen-Leitfaden erstellt, der allen Frauen im gebärfähigen Alter, die mit Topiramat behandelt werden, zur Verfügung gestellt werden soll. Außerdem wird ein Warnhinweis auf alle Umverpackungen topiramathaltiger Arzneimittel aufgedruckt. Nebenwirkungen sollten (wie auch bisher schon) an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldet werden.
    - Vor Beginn einer Behandlung mit Topiramat soll bei Frauen im gebärfähigen Alter ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden.
    - Topiramat kann (dosisabhängig) die Wirkung oraler Kontrazeptiva („Pille“) abschwächen. Deshalb soll zur hormonellen Kontrazeption zusätzlich eine Barrieremethode (z.B. Kondom) angewendet werden. Dies gilt bis 4 Wochen nach Beendigung einer Topiramat-Behandlung.
    - Bei allen Frauen, die aktuell bereits mit Topiramat behandelt werden, muss die Behandlungsindikation überprüft und die notwendigen Maßnahmen eingeleitet werden.
    - Die Notwendigkeit zur Weiterführung der Behandlung mit Topiramat muss einmal jährlich neu beurteilt werden und auf dem o.g. Formular einmal jährlich von Arzt und Patientin dokumentiert werden.
    - Sollte trotz der genannten Vorsichtsmaßnahmen eine Schwangerschaft eintreten, muss die Behandlung mit Topiramat umgehend beendet werden.

    Topiramat stellt eine der notwendigen Vorbehandlungen zur Verordnung der monoklonalen Antikörper gegen CGRP/CGRP-Rezeptor dar. Muss diese im Fall der beschriebenen Kontrainidikation oder aufgrund der genannten Sicherheitsbedenken entfallen, sollte dies für Rückfragen der Kostenträger zu Vorbehandlungen entsprechend dokumentiert werden.

    Literatur

    https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/s...

    Bjørk M, Zoega H, Leinonen MK, et al. Association of Prenatal Exposure to Antiseizure Medication With Risk of Autism and Intellectual Disability. JAMA Neurol. 2022 Jul 1;79(7):672-681. doi: 10.1001/jamaneurol.2022.1269.

    Dreier JW, Bjørk M, Alvestad S, et al. Prenatal Exposure to Antiseizure Medication and Incidence of Childhood- and Adolescence-Onset Psychiatric Disorders. JAMA Neurol. 2023 Jun 1;80(6):568-577. doi: 10.1001/jamaneurol.2023.0674.

    Hernandez-Diaz S, Straub L, Bateman B, et al. Topiramate During Pregnancy and the Risk of Neurodevelopmental Disorders in Children. In: ABSTRACTS of ICPE 2022, the 38th International Conference on Pharmacoepidemiology and Therapeutic Risk Management (ICPE), Copenhagen, Denmark, 26–28 August, 2022. Pharmacoepidemiol Drug Saf, 2022; 31 Suppl 2:3-678, abstract 47.

    Pressekontakt
    Pressesprecher der DMKG:
    PD Dr. med. Charly Gaul
    Kopfschmerzzentrum Frankfurt
    Dalbergstraße 2a
    65929 Frankfurt am Main
    info@dmkg.de

    Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG, www.dmkg.de) ist seit 1979 die interdisziplinäre wissenschaftliche Fachgesellschaft für Kopf- und Gesichtsschmerzen, in der Ärzt:innen, Psycholog:innen, Physiotherapeut:innen, Pharmakolog:innen und Apotheker:innen organisiert sind. Die DMKG setzt sich für die Verbesserung der Therapie der vielen Millionen Patient:innen in Deutschland mit akuten und chronischen Kopfschmerzen ein. Die Fachgesellschaft fördert die Forschung und organisiert Fortbildungen für medizinische Fachberufe sowie einmal jährlich gemeinsam mit der Deutschen Schmerzgesellschaft den Deutschen Schmerzkongress.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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