idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
06.12.2023 09:42

Vergleichbare Gedächtnisstrategien bei Vögeln und Menschen

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Das Arbeitsgedächtnis ist bei höheren kognitiven Funktionen sowohl bei Primaten – zu denen auch die Menschen zählen – als auch bei Rabenvögeln von entscheidender Bedeutung. In ihren Untersuchungen mithilfe zweier Dohlen entdeckten Forschende der Ruhr-Universität Bochum nun bemerkenswerte Parallelen in der Gedächtnisoptimierung von Primaten und Rabenvögeln. Sie deuten darauf hin, dass die Fähigkeit, kontinuierliche Eindrücke in Kategorien einzuteilen, eine Schlüsselrolle in der Optimierung des Arbeitsgedächtnisses spielt. Die Ergebnisse wurden am 6. November 2023 im Fachjournal „Communications Biology“ veröffentlicht.

    Erinnerungsleistung nimmt ab, wenn Arbeitsgedächtnis stärker beansprucht wird

    Um die Gedächtnisleistung der Dohlen zu analysieren, führten die Forschenden um Erstautorin Aylin Apostel und Prof. Dr. Jonas Rose verschiedene Tests durch. Dazu wurden zwei Vögel darauf trainiert, sich Farben möglichst genau zu merken. Je nachdem, wie genau sie bei der Auswahl waren, erhielten sie unterschiedlich viel Futter. Die Vögel wurden vor verschiedene Herausforderungen gestellt. Zum Beispiel mussten sich die Dohlen Farben über verschiedene Zeiträume merken oder sich an mehrere Farben gleichzeitig erinnern. Die Belohnung für richtige Farbwiedergabe wurde abgestuft, um die Vögel zu motivieren, möglichst präzise zu antworten.

    Die Forschenden stellten fest, dass die Leistung der Vögel abnahm, wenn das Arbeitsgedächtnis stärker beansprucht wurde. Aylin Apostel: „Die Funktionsweise des Arbeitsgedächtnisses zeigt sich beispielsweise in den Herausforderungen an Servicepersonal, das sich an größere Bestellungen erinnern muss. Ähnlich wie beim Menschen zeigen auch Rabenvögel eine verminderte Genauigkeit und eine Tendenz zur Voreingenommenheit, wenn das Arbeitsgedächtnis stärker beansprucht wird. Dies äußert sich in ungenaueren Erinnerungen, vergleichbar mit einem Kellner, der zwei Milchkaffee an Stelle von einem Latte Macchiato und einem Cappuccino bringt. Der Kellner hat aufgrund höherer Anforderung an sein Arbeitsgedächtnis beide spezifischen Bestellungen nur noch als allgemeinere Kategorie Milchkaffee im Kopf.“ Gleichermaßen zeigten die Vögel zunehmend kategorisches Antwortverhalten aufgrund von höheren Anforderungen an das Arbeitsgedächtnis.

    Attraktordynamik als grundlegendes biologisches Prinzip

    Als zentralen Punkt der Studie beschreiben die Forschenden die Attraktordynamik. Jonas Rose erläutert: „Die Attraktordynamik fungiert als grundlegender Prozess im Gehirn von Rabenvögeln und Primaten, um Erinnerungen geschickt in bestimmte Kategorien zu dirigieren. Die Gedächtnisleistung wird hierdurch in Teilen verzerrt und damit ungenauer, aber insgesamt verbessert. Die beeindruckende Entdeckung ist, dass dieses Prinzip im Gehirn von Rabenvögeln und Primaten gleichermaßen effektiv funktioniert, obwohl ihre evolutionären Pfade deutlich voneinander abweichen. Es scheint somit ein grundlegendes biologisches Prinzip für die effiziente Nutzung des Arbeitsgedächtnisses zu sein.“

    Der Vergleich von Primaten und Dohlen eröffnet Einblicke in die Evolution und die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses. Apostel: „Die Entdeckung gemeinsamer Prinzipien in verschiedenen Gehirnen bietet vielversprechende Ansätze für die Weiterentwicklung von allgemeingültigen Modellen, die die kognitive Funktionsweise von Tieren und Menschen erklären.“

    Förderung

    Die Publikation wurde gefördert durch den Sonderforschungsbereich 874 (SFB 874) der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie ein Freigeist-Stipendium der Volkswagenstiftung. Der SFB 874 „Integration und Repräsentation sensorischer Prozesse“ bestand von 2010 bis 2022 an der Ruhr-Universität Bochum. Die Open-Access-Förderung wurde ermöglicht und organisiert vom Projekt DEAL.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Aylin Apostel
    Neuronale Grundlagen des Lernens
    Fakultät für Psychologie
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 29620
    E-Mail: aylin.klarer@ruhr-uni-bochum.de

    Prof. Dr. Jonas Rose
    Neuronale Grundlagen des Lernens
    Fakultät für Psychologie
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 27135
    E-Mail: jonas.rose@ruhr-uni-bochum.de


    Originalpublikation:

    Aylin Apostel, Matthew Panichello, Timothy J. Buschman, Jonas Rose et al.: Corvids Optimize Working Memory by Categorizing Continuous Stimuli, in: Nature Communications Biology, 2023, DOI 10.1038/s42003-023-05442-5


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).