Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möchten rote Blutzellen des Neandertalers rekonstruieren, um mehr über die Evolution des Menschen zu erfahren. Dabei haben sie vor allem ein spezielles Protein im Blick, das dem Homo sapiens einen Vorteil bei der Sauerstoffversorgung verschafft haben soll. Der Neandertaler könnte uns modernen Menschen also in dieser Hinsicht körperlich unterlegen gewesen sein. Im harten Überlebenskampf in der Wildnis könnte das mit dazu beigetragen haben, dass der Neandertaler ausgestorben ist. Geleitet wird das Projekt an der Universität des Saarlandes von Lars Kaestner, Biophysiker und Spezialist für die Biologie und Physik von Blutzellen.
Ging dem Neandertaler irgendwann die Puste aus, während die Homo-sapiens-Konkurrenz locker an ihm vorbeitrabte und sich den Hasen zum Abendessen schnappte? Zugespitzt könnte es auf dieses Szenario herauslaufen, wenn Lars Kaestner und seine Kollegen der Universität Graz und der Universität Zürich tatsächlich herausfinden, dass die Neandertaler-Muskeln schlechter mit Sauerstoff versorgt werden konnten als die von Homo sapiens.
Dafür bauen die Fachleute ein Protein nach, das in den roten Blutzellen, den Erythrozyten, von Neandertaler und Homo sapiens in unterschiedlichen Varianten vorkommt. „Piezo1“, so der Name des Proteins, soll eine große Rolle beim Sauerstofftransport durch die Erythrozyten spielen. Diese roten Blutzellen sind essenzieller Bestandteil unseres Blutes.
„Piezo1 ist eines von zwei Proteinen in den Erythrozyten, die beim Neandertaler anders als beim Homo sapiens funktioniert haben“, so Lars Kaestner, der den biophysikalischen Teil des Forschungsvorhabens leitet. Bei Homo sapiens kommt es in seltenen Fällen zu Mutationen von Piezo1, die sich ähnlich auswirken könnten, wie die Forscher dies bei der im Neandertaler vorkommenden Variante vermuten. Vererbbare Krankheiten wie zum Beispiel die sehr seltene hereditäre Xerozytose sind die Folge eines fehlerhaften Piezo1-Proteins. „Sollte das beim Neandertaler der Fall gewesen sein, könnte das mit ein Grund für dessen Aussterben gewesen sein“, so Lars Kaestner über die möglichen Folgen dieses kleinen, aber feinen Unterschiedes auf genetischer Ebene.
Helfen soll beim Nachbau des Neandertaler-Proteins die so genannte „Genschere CRISPR/Cas“, deren Entwicklerinnen 2020 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Mit dieser Methode wird die Arbeitsgruppe der Universität Graz das Protein nachbauen. „Die Kollegen in Zürich bringen die evolutionsbiologische Expertise mit in das Projekt ein“, erläutert Lars Kaestner die Arbeitsaufteilung. „Im Saarland schließlich haben wir die biophysikalische Erfahrung. Darüber hinaus werden wir im weiteren Verlauf des Projektes Patientenstudien durchführen, um unsere Beobachtungen mit Probanden testen zu können.“ Dazu seien beispielsweise Ergometer-Tests oder Trainingsstudien in Planung, so der Biophysiker weiter.
Ob dem Neandertaler dann tatsächlich die Luft ausging, während Homo sapiens noch locker weitertraben konnte auf der Jagd nach seinem Abendessen, wird am Ende der Projektlaufzeit klar sein.
Auf einen Blick:
Insgesamt fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft das Projekt „Genetic variants of the mechanosensitive ion channel Piezo1 in red blood cells - their role in human physiology and evolution“ (GENIAL) mit rund 0,5 Millionen Euro an der Universität des Saarlandes. Die Laufzeit beträgt 3 Jahre (von 2024 bis 2027). Startschuss ist am 5. März bei einem Symposium an der Universität Zürich.
Prof. Dr. Lars Kaestner
Tel.: (0681) 3022417
Mobil: (0151) 50611709
E-Mail: l_kaestner@mx.uni-saarland.de, lars_kaestner@me.com
Prof. Dr. Lars Kaestner
Thorsten Mohr
Universität des Saarlandes/Thorsten Mohr
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin, Physik / Astronomie
regional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
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