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23.10.2024 12:24

Neue Nachwuchsforschungsgruppe am BNITM: Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen aus natürlichen Heilmitteln

Anna Hein Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin

    Hamburg, 23. Oktober 2024 – Dr. Fabien Schultz ist ab Oktober 2024 Leiter der neuen Nachwuchsforschungsgruppe Ethnopharmakologie und Zoopharmakognosie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM). Schultz sammelt mit Indigenen in afrikanischen Ländern natürliche Heilmittel wie Pflanzen, Insekten oder Pilze. Außerdem beobachtet er dort die Selbstmedikation von Schimpansen, Berggorillas und Elefanten. Im Labor in Deutschland analysieren er und sein Team, ob die gesammelten Materialien pharmakologisch wirksam sind. Aufgrund von Resistenzen vieler Krankheitserreger gegen gängige Arzneimittel ist es dringend nötig, neue Wirkstoffe zu finden und daraus neue Medikamente zu entwickeln.

    „Wir wünschen Fabien Schultz und seinem Team einen guten Start bei uns am BNITM. Dr. Schultz arbeitet an spannenden Projekten mit dem Ziel, neue Ansatzpunkte für die Therapie von Infektionserkrankungen zu finden. Viele Forschende am BNITM verfolgen dasselbe Ziel und so freuen wir uns sehr darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten“, sagt Prof. Jürgen May, Vorstandsvorsitzender des BNITM.

    Die neue Nachwuchsgruppe Ethnopharmakologie und Zoopharmakognosie verfolgt einen partizipatorischen und nachhaltigen Forschungsansatz. Ethnopharmakolog:innen erforschen Naturmaterialien wie Pflanzen, Pilze, Tiersekrete und Insekten, die Menschen als Heilmittel verwenden. Ziel ist, das Wissen über diese traditionellen Heilmittel zu dokumentieren und neue pharmakologische Wirkstoffe zu identifizieren, die in der modernen Medizin Anwendung finden könnten.

    Darüber hinaus beschäftigt sich die sehr interdisziplinäre Gruppe intensiv mit den ethischen Aspekten der Implementation ihrer Forschung. Diese sind beispielsweise der finanzielle und nicht-finanzielle Vorteilsausgleich zur Nutzung von geistigem Eigentum, traditionellem Wissen und natürlichen Ressourcen. In diesem Zusammenhang führen Schultz und sein Team Community-Projekte mit den indigenen Gemeinschaften durch. Schultz ist es sehr wichtig, mit den indigenen Völkern zusammenzuarbeiten. „Nur mit ihrer Expertise und Zusammenarbeit ist es mir möglich, erfolgsversprechende Heilmittel zu sammeln. Nach der Analyse gebe ich selbstverständlich meine Erkenntnisse an die indigenen Gemeinschaften zurück. Meiner Meinung nach ist es die Verantwortung von Wissenschaftler:innen, nach Abschluss einer Studie zum Wissenstransfer beizutragen“, erläutert Schultz sein Vorgehen.

    Die vor Ort lebenden Menschen sind ebenfalls beim zweiten Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe beteiligt: Sie helfen durch ihre jahrzehntelangen Beobachtungen und ihr Fachwissen zur „Apotheke des Waldes“ auch bei Studien aus dem Bereich der Zoopharmakognosie. Unter diesem Begriff versteht man die Selbstmedikation von Tieren und die pharmakologische Untersuchung ihrer Heilmittel. Die Arbeitsgruppe erforscht momentan das Verhalten von Berggorillas und Schimpansen in Uganda und Tansania sowie von Elefanten in Kenia.

    Das Projekt SpiriPharm
    Die nächsten drei Jahre finanziert die VolkswagenStiftung mit 550.000 Euro das neue Projekt „SpiriPharm: Erforschung der spirituellen, rituellen und pharmakologischen Facetten neuroaktiver Materialien, die Menschen und Tiere in Uganda und Tansania verwenden“. Schultz möchte an sechs Studienorten neuroaktive, potenziell bewusstseinsverändernde, Heilmittel, die Menschen vor Ort kulturell, spirituell, zeremoniell, rituell oder zur Erholung verwenden, erstmals dokumentieren. Neuroaktiv bedeutet, dass diese Substanzen Nervenzellen beeinflussen bzw. mit der Signalübertragung zwischen Nervenzellen interagieren können. Schultz wird in diesem Projekt auch wildlebenden Berggorillas und Schimpansen auf der Spur sein: Nehmen sie bewusstseinsverändernde Stoffe zu sich? Wenn ja, ähneln diese Stoffe neuroaktiven Substanzen, die Menschen einnehmen, oder sind es sogar identische Stoffe? Durch Workshops geben die Wissenschaftler:innen ihre Forschungsergebnisse an die lokalen Gemeinschaften zurück und durch Community-Projekte lösen Menschen vor Ort selbst definierte Probleme nachhaltig. Bei der Frage des geistigen Eigentums wird es komplizierter: Wie kann ein finanzieller und nichtfinanzieller Ausgleich bezüglich des Wissens über die Heilmittel erfolgen? Und wie geht man vor, wenn das Wissen von Berggorillas und Schimpansen stammt? Hierzu möchten Schultz und seine Gruppe Best-Practice-Modelle entwickeln. Ein weiteres Ziel ist es, neue Erkenntnisse über die Gesundheit und das gesellschaftliche Wohlbefinden im Zusammenhang mit neuroaktiven Substanzen zu gewinnen, die evtl. zur Abkehr von negativen westlichen Ansichten über Stimulanzien und Beruhigungsmitteln führen könnten.

    Wertvolle Naturstoff-Datenbank
    Schultz hat während der letzten Jahre eine Rohextrakt-Datenbank aufgebaut. Sie umfasst derzeit mehr als 586 einzigartige Extrakte von mehr als 142 Pflanzen-, Insekten- und Pilzarten aus Uganda, Südafrika, Burkina Faso und Deutschland. Da zwei von fünf Pflanzen derzeit vom Aussterben bedroht sind, archiviert das Team um Schultz die Substanzen für künftige Generationen. Die meisten von ihnen wurden noch nie in einem Labor untersucht. Das ändert nun die Nachwuchsgruppe. Pro gesammeltem Heilmittel extrahieren die Forschenden drei verschiedene Extrakte, die unterschiedliche Inhaltsstoffe enthalten. Danach untersuchen sie die Extrakte unter anderem auf ihre antibakteriellen sowie antientzündlichen Eigenschaften und ob sie gegen bestimmte Parasiten wirksam sind. Beispielsweise messen sie, ob die Extrakte das Wachstum antibiotikaresistenter bakterieller Krankheitserreger hemmen oder etwa die Bildung von Biofilmen oder das Quorum Sensing (Fähigkeit der Kommunikation von Bakterien untereinander) stören. „Aussichtsreiche Extrakte können wir weitergehend analysieren. Künftig wollen wir die pharmakologisch aktiven Inhaltsstoffe der Extrakte mithilfe von Künstlicher Intelligenz identifizieren. Die Ergebnisse, nach denen ich suche, könnten das Potenzial für wissenschaftliche Durchbrüche haben. Zum Beispiel könnten wir neue Malariamittel, neuartige Antibiotika oder Entzündungshemmer entdecken“, schließt Schultz.

    Über das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM)
    Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) ist Deutschlands größte Einrichtung für Forschung, Pflege und Lehre auf dem Gebiet der Tropenkrankheiten und neu auftretenden Infektionskrankheiten. Aktuelle thematische Schwerpunkte sind Malaria, hämorrhagische Fieberviren, vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTDs), Immunologie, Epidemiologie und die Klinik für Tropenkrankheiten sowie die Mechanismen der Virusübertragung durch Stechmücken. Das Institut verfügt über Labore der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL4) und ein Insektarium der biologischen Sicherheitsstufe 3 (BSL3) für den Umgang mit hochpathogenen Viren und infizierten Insekten. Das BNITM unterstützt den Aufbau von (mobilen) Laborkapazitäten in zahlreichen Ländern des sogenannten Globalen Südens.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Fabien Schultz
    Nachwuchsgruppenleiter Ethnopharmakologie und Zoopharmakognosie
    Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin
    Tel.: +49 40 285380-997
    fabien.schultz@bnitm.de


    Weitere Informationen:

    https://www.bnitm.de/aktuelles/news/neue-wirkstoffe-aus-natuerlichen-heilmitteln
    https://www.bnitm.de/forschung/forschungsgruppen/implementation/ethnopharmakolog...


    Bilder

    Dr. Fabien Schultz bei der Durchführung von ethnobotanischen Umfragen bei isoliert lebenden Batwa-Gemeinschaften im Bwindi Regenwald in Uganda.
    Dr. Fabien Schultz bei der Durchführung von ethnobotanischen Umfragen bei isoliert lebenden Batwa-Ge ...
    Inken Dworak-Schultz
    ©Inken Dworak-Schultz


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches
    Deutsch


     

    Dr. Fabien Schultz bei der Durchführung von ethnobotanischen Umfragen bei isoliert lebenden Batwa-Gemeinschaften im Bwindi Regenwald in Uganda.


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