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25.10.2024 11:10

«Geoengineering löst das Problem des Klimawandels nicht»

Franziska Schmid Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    Ein Team um ETH-Klimaforscher Sandro Vattioni hat gezeigt, dass sich Diamantenstaub in der Atmosphäre gut eignen könnte, um das Klima abzukühlen. Eine nachhaltige Lösung für den Klimawandel ist das aber trotzdem nicht, sagt Vattioni im Interview mit ETH News.

    Herr Vattioni, womit befasst sich ihre Studie?
    Wir haben uns mit einer Methode des solaren Geoengineerings beschäftigt. Das ist eine Technologie, bei der Aerosole in die obere Atmosphäre emittiert werden. Dort würden sie dann einen Teil der Sonnenstrahlung zurück ins Weltall reflektieren. In unserer Studie haben wir untersucht, welche Aerosole sich dafür am besten eignen würden und welche Prozesse die Effizienz der Reflexion beeinflussen.

    Was sind Aerosole?
    Aerosole sind winzige Teilchen, welche in der Atmosphäre schweben. Sie haben einen kühlenden Effekt auf das Klima, da sie Sonnenstrahlung reflektieren. Ein natürliches Beispiel für diesen Effekt sind zum Beispiel Vulkanausbrüche, welche Schwefeldioxid emittieren, das in der Atmosphäre Schwefelsäurepartikel bildet, welche kühlend auf das Klima wirken. Daher hat sich bis jetzt die meiste Forschung in diesem Bereich mit der Emission von Schwefeldioxid befasst.

    Was haben Sie genau herausgefunden?
    Wir konnten mittels Computersimulationen zeigen, dass sich Diamantenstaub – winzige Teilchen aus reinem Kohlenstoff – in den obersten Luftschichten besonders gut für das solare Geoengineering eignen würde. Er reflektiert Sonnenlicht am stärksten und vermindert einige der negativen Umweltauswirkungen, welche zum Beispiel bei der Injektion von Schwefeldioxid entstehen würden.

    Das müssen Sie erklären.
    Schwefelsäureaerosole wärmen die obere Atmosphäre lokal auf, was die globale atmosphärische Zirkulation und die globalen Niederschlagsmuster verändern könnte. Diamantstaub zeigt jedoch fast keine Erwärmung der oberen Atmosphäre. Schwefelsäure-Aerosole führen ausserdem zu saurem Regen. Das ist bei Diamentenstaub nicht der Fall.

    Das klingt fast zu gut. Sind Diamanten in der Atmosphäre tatsächlich eine Lösung für den Klimawandel?
    Nein, auf keinen Fall. Das solare Geoengineering löst das Problem des Klimawandel nicht. Es hat jedoch das Potenzial, einige seiner negativen Auswirkungen temporär abzumildern. Die einzige nachhaltige Lösung für den Klimawandel bleibt die schnelle Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen auf Netto-Null und die Implementierung von Treibhausgasentnahmetechniken.

    Wie gut kommen diese Bemühungen voran?
    Momentan sieht es leider nicht so aus, dass die globalen Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahren drastisch sinken. Dies birgt das Risiko, dass wir unumkehrbare ökologische und klimatologische Kipppunkte überschreiten könnten. Um dieses Risiko zu vermindern, könnte solares Geoengineering temporär die weitere Erwärmung der Atmosphäre reduzieren, bis wir das Netto-Null Ziel erreicht und Techniken zur Treibhausgasentnahme implementiert sind.

    Ist das nicht viel zu riskant für unser Ökosystem? Zahlreiche Expert:innen warnen vor den Kollateralschäden des Geoengineerings.
    Diese Bedenken müssen wir unbedingt ernst nehmen. Es deutet aber einiges darauf hin, dass Diamantenstaub und andere Aerosole im Vergleich zu Schwefeldioxid geringere Auswirkungen auf die Umwelt haben. Allerdings sind die Unsicherheiten hier noch sehr gross. Daher braucht es noch mehr Forschung, bevor man überhaupt über einen möglichen Einsatz nachdenken kann. Unabhängig davon gibt es aber auch moralische Bedenken zum Einsatz von solarem Geoengineering: Wer soll zum Beispiel darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang solche Technologien eingesetzt werden? Es ist jedoch immer wichtig, diese Bedenken mit den Risiken zu vergleichen, welche uns in Zukunft durch den fortschreitenden Klimawandel erwarten.

    In der medialen Berichterstattung zu ihrer Studie kursiert ein Betrag von rund 175 Billionen Dollar, um die mittlere globale Temperatur um 1,6 Grad Celsius zu senken. Wie kommt man auf diese Zahl?
    Die Kosten eines potenziellen Einsatzes haben wir nicht untersucht. Andere Studien zeigen jedoch, dass die Produktion von synthetischem Diamantstaub sehr teuer und energieintensiv ist. Wir konnten in unserer Studie jedoch nachweisen, dass Partikel aus Kalzit ähnlich gut abschneiden wie Diamantenstaub. Kalksteine sind aus Kalzit und kommen in allen Teilen der Erde in grossen Mengen vor. Hier wären die Produktionskosten wahrscheinlich ähnlich günstig wie jene von Schwefeldioxid.

    Warum braucht es diese Forschung überhaupt?
    Ich bin der Ansicht, dass wir angesichts der düsteren Aussichten des Klimawandels Forschung brauchen, welche das mögliche Potential und vor allem die möglichen Risiken dieser Technologie untersucht. Diese Technologie nicht zu erforschen oder gar zu verbieten, wäre ebenfalls ein Risiko, da wir uns damit von einer Technologie abwenden würden, die dazu beitragen könnte, einige Klimarisiken abzuschwächen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Sandro Vattioni, sandro.vattioni@env.ethz.ch


    Originalpublikation:

    S. Vattioni, S. K. Käslin, J. A. Dykema, L. Beiping, T. Sukhodolov, J. Sedlacek, F. N. Keutsch, T. Peter, G. Chiodo, Microphysical Interactions Determine the Effectiveness of Solar Radiation Modification via Stratospheric Solid Particle Injection, Geophysical Research Letters: doi: 10.1029/2024GL110575


    Weitere Informationen:

    https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2024/10/geoengineering...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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