Eine neue LMU-Studie zeigt, wie Studierende bedingte Wahrscheinlichkeiten besser verstehen und interpretieren können.
Wie zuverlässig ist ein positives HIV-Testergebnis? Wie wahrscheinlich ist eine tatsächliche Infektion bei positivem Test? Derartige Fragen werden selbst von Fachpersonen oft falsch eingeschätzt, was in der Praxis zu Fehldiagnosen und unnötigen Operationen führen kann. Ein Team aus der Mathematikdidaktik der Universitäten Regensburg, Kassel, Freiburg, der PH Heidelberg und der LMU München hat in einer neuen Studie mit Medizin- und Jurastudierende vier verschiedene Trainings verglichen, die den Studierenden helfen sollen, Wahrscheinlichkeiten besser zu verstehen. Die Ergebnisse des DFG-Projekts TrainBayes wurden nun im Journal Learning and Instruction veröffentlicht.
Im Fokus standen sogenannte „Bayesianische Situationen“. Ein Beispiel: Stellen wir uns vor, dass während der Corona-Pandemie zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade 0,1% der Bevölkerung mit SARS-CoV-2 infiziert war. Eine Person führt nun einen SARS-CoV-2-Selbsttest durch. 96% der infizierten Personen erhalten ein positives Testergebnis. Aber auch 2% der nicht infizierten Personenerhalten ein positives Testergebnis. Doch was heißt das? Wie wahrscheinlich ist es, dass die Person bei einem positiven Testergebnis tatsächlich erkrankt ist?
„Viele Menschen – selbst Experten der jeweiligen Domänen – überschätzen diese Wahrscheinlichkeit deutlich“, sagt LMU-Mathematikdidaktikerin Karin Binder, eine der Autorinnen der Studie. „Die positiven Parameter des Tests führen dazu, dass Menschen dem Testergebnis vertrauen und dabei den niedrigen Anteil infizierter Personen nicht berücksichtigen“.
Um diese Situation zu verdeutlichen, kann man sich 100.000 getestete Personen vorstellen: Nur etwa 100 Personen sind infiziert, von denen 96 ein positives Ergebnis erhalten. Von den 99.900 gesunden Personen haben 2%, also 1.998, ebenfalls ein positives Ergebnis. Somit sind von den insgesamt 2.094 positiv getesteten Personen nur 96 tatsächlich infiziert – das entspricht knapp 5%. Ein positives Testergebnis ist hier also noch lange kein Grund zur Beunruhigung.
Nicole Steib von der Universität Regensburg, die Erstautorin der Studie, erklärt: „Die Übersetzung von Wahrscheinlichkeiten (2%) in konkrete Häufigkeiten (1.998 von 99.900), verbunden mit einem Doppelbaum, half den Studierenden am besten, ähnliche Aufgaben zu lösen.“ Die in der Schule üblichen Wahrscheinlichkeitsbäume hingegen helfen nur Studierenden mit besonders hohem mathematischem Vorwissen. In einem Nachfolgeprojekt sollen die neuen Trainingsansätze auch in den Schulunterricht integriert werden.
Prof. Dr. Karin Binder
Mathematisches Institut
Ludwig-Maximilians-Universität München
Tel.: +49 (0) 89 2180 4631
Karin.Binder@math.lmu.de
Nicole Steib, Theresa Büchter, Andreas Eichler, Karin Binder, Stefan Krauss, Katharina Böcherer-Linder, Markus Vogel & Sven Hilbert: How to teach Bayesian reasoning: An empirical study comparing four different probability training courses. Learning and Instruction 2024
https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2024.102032
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Mathematik, Medizin, Pädagogik / Bildung, Psychologie, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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