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07.11.2024 15:39

Kindheit und Jugend im europäischen Vergleich

Sonja Waldschuk Abteilung Medien und Kommunikation
Deutsches Jugendinstitut e.V.

    Die Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen in Europa waren das Thema der wissenschaftlichen DJI-Jahrestagung am 5. und 6. November 2024 in Berlin

    Viele Fragen zur Bekämpfung von Armut, zur Stärkung der Gesundheit junger Menschen, zur Gewährleistung eines gewaltfreien Aufwachsens und zur Förderung demokratischer Haltungen beschäftigen nicht nur die Politik und Fachpraxis in Deutschland, sondern werden ähnlich intensiv in anderen europäischen Ländern verhandelt. Deshalb ist es aufschlussreich, die Lebensverhältnisse anderer Länder und deren Bedeutung für das Aufwachsen junger Menschen zu beleuchten und die dortige Ausrichtung des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystems sowie speziell der Kinder- und Jugendarbeit mit den eigenen Strategien zu vergleichen.

    „Wir starten mit einem Fokus auf den länderübergreifenden Jugendaustausch, erhalten Einblick in die unterschiedlichen Bedingungen des Aufwachsens und Wohlergehens von jungen Menschen aus der Perspektive von UNICEF und diskutieren in sechs thematischen Sessions neben eigenen Forschungsergebnissen die Erkenntnisse aus anderen Ländern,“ beschreibt DJI-Direktorin Prof. Dr. Sabine Walper das Programm der wissenschaftlichen Jahrestagung des Deutschen Jugendinstituts (DJI).

    Zum Abschluss der Tagung am 6. November diskutierte Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, mit Sabine Walper und Mitgliedern des Jugendbeirats des DJI.

    Kinderschutz im europäischen Vergleich

    Fachkräfte im Kinderschutz stehen in allen Ländern vor großen Herausforderungen. Vergleiche verschiedener Systeme und Praxiserfahrungen bieten neue Impulse für die Weiterentwicklung des Kinderschutzes. DJI-Wissenschaftlerin Dr. Susanne Witte präsentierte auf Basis ihrer Forschung, welche Prozesse in England, den Niederlanden und in Deutschland etabliert wurden, um Kindeswohlgefährdung abzuklären. Dabei ging es um Formen von Gefährdungen, Beteiligung von Familienmitglieder und Entscheidungen, die am Ende der Abklärung getroffen werden. Auch die Unterschiede zwischen gesetzlichen Regelungen und gelebter Praxis wurden analysiert.

    Oftmals stehen Sozialarbeitende vor der Aufgabe, mit Familien zu interagieren, die den Kontakt zu ihnen weder gesucht noch gewollt haben. Hier setzen die Forschungsergebnisse der DJI-Wissenschaftlerinnen Dr. Birgit Jentsch und Teresa Schlossbach, beide NZFH, sowie von Prof. Dr. Maija Jäppinen von der Universität Helsinki an. Anhand von deutschen und finnischen Daten zeigten sie auf, welche Zugänge Sozialarbeitende wählen, um mit unfreiwilligen Klientinnen und Klienten zu interagieren. Dabei gingen sie vor allem auf hinderliche und förderliche Faktoren, wie etwa die motivierende Gesprächsführung, und die dabei bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern ein. Prof. Donald Forrester von der Cardiff University reflektierte auf Grundlage seiner Forschung zur Arbeit mit Familien die Herausforderungen und Möglichkeiten, die Arbeit von Sozialarbeitenden zu verbessern.

    Übergangsprozesse Jugendlicher und junger Erwachsener im internationalen Vergleich

    Im Jugendalter werden die Weichen für die weitere Biografie von jungen Menschen gestellt. Eine besondere Bedeutung haben Entscheidungen, die den beruflichen Werdegang betreffen, oft verbunden mit dem Auszug aus dem Elternhaus und dem Verlassen der Herkunftsregion. Hinzu kommt gegebenenfalls der Entschluss, mit einem Partner oder einer Partnerin zusammenzuleben und eine Familie zu gründen. Eigene Wünsche, Einschätzungen und Fähigkeiten, aber ebenso gesellschaftliche Rahmenbedingungen prägen diese Übergänge.

    Prof. Jan Skrobanek von der Universität Bergen in Norwegen berichtete auf der DJI-Jahrestagung über erste zentrale Ergebnisse einer international vergleichenden Studie zwischen Japan, Deutschland, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und Norwegen zu Übergängen von Jugendlichen ins Erwachsenenalter. Der Fokus lag auf Gemeinsamkeiten und Unterschieden beim Übergang in Arbeit, Partnerschaft und Elternschaft. Vor dem Hintergrund konkreter Projekterfahrungen sollte zudem diskutiert werden, welche Möglichkeiten und Grenzen vergleichende Übergangsforschung bietet.

    Den Übergängen nach Abschluss eines Studiums widmete sich DJI-Wissenschaftler Dr. Till Nikolka in einer international vergleichenden Studie. Er stellte Ergebnisse seiner international vergleichenden Studie zu den Auswanderungsabsichten Studierender aus sieben Ländern vor, die je nach Einschätzung der internationalen Anwendbarkeit ihrer Ausbildung variieren.

    Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Kommunalverwaltungen bei der Integration von geflüchteten Jugendlichen und jungen Erwachsenen

    Zivilgesellschaftliche Organisationen und Freiwillige unterstützen Geflüchtete, die unter anderem aus den Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens und später auch aus der Ukraine kommen. Auf kommunaler Ebene haben zivilgesellschaftliche Akteure und Verwaltungen in der zurückliegenden Dekade verstärkt zusammengearbeitet, dabei nicht nur bestehende Unterstützungsangebote ausgebaut oder neue geschaffen, sondern auch neue Erfahrungen gesammelt und voneinander gelernt.

    In den Vorträgen ging es sowohl um Forschungsbefunde als auch Erfahrungen aus der Praxis dieser Zusammenarbeit in Norwegen und Deutschland: Fungisai Puleng Gwanzura Ottemöller von der Universität Bergen stellte einen gesundheitsfördernden Ansatz für die Arbeit mit diesen Gruppen vor. Sarifa Moola-Nernae vom norwegischen Kvam Municipality Volunteers Centre berichtete über Koordinierungsprobleme, die durch die Vielfalt der migrantischen Bevölkerung mit sehr unterschiedlichen Integrationsbedürfnissen und Norwegens stark dezentralisiertem Integrationssystem entstehen. Auf deutscher Seite plädierte Sven Mesch vom Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München für eine stärkere Einbeziehung der Perspektive von Migrantinnen und Migranten in das kommunale Bildungsmanagement. Alexander Kanamüller und Ronald Langner vom DJI gingen der Frage nach, welche Folgen das Auslaufen von Förderprogrammen zur Integration von neu Zugewanderten hat und beleuchten Rolle und Selbstverständnis der organisierten Zivilgesellschaft bei der Unterstützung von Geflüchteten.

    Frühe Bildung in Einwanderungsländern

    Frühe Bildung ist ein wichtiges Handlungsfeld der Integration. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welche Strategien politische Akteure verfolgen, um die Beteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund und ihren Familien an frühkindlicher Bildung zu unterstützen. Dies wurde anhand zweier Einwanderungsländer Europas analysiert.

    Die DJI-Forscherinnen Tabea Schlimbach und Dr. Antonia Scholz präsentierten erste Ergebnisse einer Studie des Internationalen Zentrum Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC) am DJI. Dabei betrachteten sie die politische Schnittstelle zwischen Früher Bildung und Integration im föderalen Deutschland strukturell und beschrieben, mit welchen Policies Bund und Länder versuchen, die Kita-Teilhabe von Kindern mit Einwanderungsgeschichte zu verbessern.

    In Schweden erhalten Familien mit Kindern, die noch nicht die Vorschule besuchen, neuerdings aktiv ein Platzangebot zur Sprachförderung. Diese aktuellen integrationspolitischen Entwicklungen in der Kindertagesbetreuung stellten die Referentinnen Prof. Anne-Li Lindgren, Universität Stockholm, und Prof. Tünde Puskás, Universität Linköping vor.

    Jugendpolitiken im europäischen Raum

    Anknüpfend an die jüngsten Entwicklungen von cross-sektoralen Jugendpolitiken und Youth Mainstreaming stellte die Arbeitsstelle europäische Jugendpolitik am DJI ihr Konzept europäischer Jugendpolitiken als Spektrum zwischen Ressort- und Lebenslagenpolitik vor. Anhand des Konzepts diskutierten Dr. Frederike Hofmann-van de Poll, Dr. Hannes Käckmeister (Universität Luxembourg) und Etch Kalala (Universität Rennes), wie jugendpolitische Herausforderungen in Deutschland, Luxembourg und Frankreich sowie in der EU insgesamt in der Wissenschaft analysiert und in Politik und Praxis besser verhandelt werden können.

    Bedarfe in der Demokratieförderung und der Extremismusprävention

    Der 17. Kinder- und Jugendbericht konstatiert, dass demokratiefeindliche Tendenzen weit über nationale Grenzen hinaus zu beobachten sind. Der DJI-Wissenschaftler Andreas Rottach präsentierte vor diesem Hintergrund Daten des European Social Survey zu den Einstellungen junger Menschen zur Demokratie. Einen differenzierten Blick auf Deutschland richteten die DJI-Wissenschaftlerinnen Laura Meijer und Pia Sauermann. Basis ist eine Online-Befragung von 1.500 jungen Menschen sowie eine qualitative Befragung von 20 Jugendlichen. Die breite empirische Basis liefert Erkenntnisse unter anderem zu politischen Haltungen junger Menschen, zu ihren Bedürfnissen, politisch relevante Kompetenzen zu erlangen, oder auch dem Wunsch nach Unterstützung bei Erfahrungen mit Hass im Netz. Auf dieser Grundlage lassen sich Bedarfslagen in Bezug auf Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention diskutieren und Möglichkeiten und Grenzen dieser Erkenntnisse für Politikberatung und Praxisentwicklung ausloten.


    Weitere Informationen:

    https://www.dji.de/veroeffentlichungen/aktuelles/news/article/1504-kindheit-und-...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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