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11.11.2024 10:10

Menschen mit russischem Migrationshintergrund: Umfrage liefert seltenen datenbasierten Einblick

Stefanie Orphal Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS)

    Ein neuer ZOiS Report auf Basis von Umfrageergebnissen gibt Einblick in die politischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Werte von Menschen mit einem russischen Migrationshintergrund in Deutschland. Bei den Einstellungen zur russischen Außenpolitik, zum Krieg in der Ukraine, Ansichten zur Geschichte aber auch zu gesellschaftlichen Normen in Deutschland zeigen sich deutliche Unterschiede zur allgemeinen Bevölkerung.

    Seit Februar 2022 stehen Menschen mit einem russischen Migrationshintergrund wieder stärker im Fokus der deutschen Öffentlichkeit. Nach wie vor gibt es jedoch verhältnismäßig wenige große Studien zu ihren politischen Ansichten. Ein neuer ZOiS Report von Félix Krawatzek und Hakob Matevosyan bietet Einblicke in diese vergleichsweise große und politisch wichtige Bevölkerungsgruppe.

    Die Analyse basiert auf einer 2024 durchgeführten Meinungsumfrage zu geschichtlichen, gesellschaftlichen und politischen Themen. Im Zentrum der Studie stehen Menschen, die in der multiethnischen Russischen Föderation (beziehungsweise vor 1991 der Russischen Sowjetrepublik) sozialisiert wurden. Der Fokus ist somit enger als die gesamte russischsprachige Bevölkerung, die Menschen aus Belarus, der Ukraine, Kasachstan und anderen Ländern umfasst, jedoch nicht auf russlanddeutsche Spätaussiedler*innen begrenzt. Neben Personen mit Russlandhintergrund wurden zum Vergleich auch Menschen aus der allgemeinen deutschen Bevölkerung befragt. Dabei wurden möglichst zwei Generationen einer Familie erfasst, um zu erforschen, wie sich die politische Meinungsbildung zwischen ihnen vollzieht.

    Mehr Zustimmung für BSW und AfD

    Die Umfrage offenbart, dass Befragte mit Russlandhintergrund deutlich seltener an Wahlen in Deutschland teilnehmen als die allgemeine Bevölkerung. Dadurch sind ihre Ansichten auch nur bedingt im deutschen politischen Prozess repräsentiert. Ihre politische Haltung unterscheidet sich von der deutschen Bevölkerung insgesamt durch eine höhere Unterstützung für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die Alternative für Deutschland (AfD). „Gleichzeitig stellen wir sowohl in der deutschen Allgemeinbevölkerung als auch bei Personen mit russischem Hintergrund eine starke Zustimmung zu demokratischen Institutionen fest“, ergänzen die Autoren.

    Im deutlichen Gegensatz zur allgemeinen deutschen Vergleichsgruppe sind Befragte mit Russlandhintergrund häufiger der Meinung, dass nicht nur Russland an der Eskalation des Krieges gegen die Ukraine Schuld trägt und stimmen eher der Aussage zu, dass Russland in der internationalen Politik ein Gegengewicht zu westlichen Mächten bilden muss. Um solche Befunde zu erklären, müssen den Autoren zufolge mehrere Faktoren einbezogen werden: „Neben der Prägung im Elternhaus spielen auch der Medienkonsum und das gesellschaftspolitische Klima in Deutschland eine Rolle.“ In gesellschaftlichen Belangen zeigen sich die Befragten mit Russlandhintergrund deutlich konservativer als die allgemeine deutsche Bevölkerung.

    Abweichender Blick auf Geschichte

    Bei der Vermittlung geschichtlichen Wissens spielt für Befragte mit Russlandhintergrund die eigene Familie neben Büchern und Filmen eine wichtige Rolle, während für die allgemeine deutsche Bevölkerung in der Umfrage die Schulbildung deutlich einflussreicher war. Auch im geschichtlichen Wissen konnte die Umfrage Unterschiede zwischen der allgemeinen deutschen Bevölkerung und Menschen mit Russlandhintergrund zeigen. Divergenzen im Geschichtsverständnis sind immer wieder Teil politischer Spannungen zwischen Russland und Deutschland.

    In jüngster Zeit hat der Kreml versucht, den 27. Januar ins Zentrum der russischen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg zu holen. Im Jahr 1944 endete an diesem Tag die Leningrader Blockade und 1945 wurde an diesem Tag das Vernichtungslager Auschwitz durch die Rote Armee befreit. In der Umfrage wussten 80 % der befragten und in Russland sozialisierten Personen, welche Armee Auschwitz befreit hat, während es in der allgemeinen deutschen Bevölkerung knapp die Hälfte der älteren und 40 % der jüngeren Befragten waren. Mehr als ein Viertel aller Befragten der allgemeinen Bevölkerung gaben an, dass es die amerikanischen Streitkräfte gewesen seien. Auch das Geschichtswissen um Schlüsselereignisse unterscheidet Personen mit Bezug zu Russland vom Rest der deutschen Bevölkerung.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Félix Krawatzek, Hakob Matevosyan


    Originalpublikation:

    Félix Krawatzek, Hakob Matevosyan: Mit Russlandhintergrund in Deutschland: Ansichten zu Politik, Gesellschaft und Geschichte, ZOiS Report 5/2024


    Weitere Informationen:

    https://www.zois-berlin.de/publikationen/zois-report/mit-russlandhintergrund-in-...


    Bilder

    Lebensmittelgeschäft in Berlin Charlottenburg
    Lebensmittelgeschäft in Berlin Charlottenburg

    Félix Krawatzek


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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