DGA, DGU und BvDU definieren Standards für die Diagnostik der männlichen Infertilität
In Deutschland ist jedes sechste Paar ungewollt kinderlos und auf medizinische Hilfe angewiesen.
Ihre Betreuung erfordert von Beginn an eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von reproduktionsmedizinisch-endokrinologisch tätigen Fachärzt:innen für Gynäkologie und Geburtshilfe und Androlog:innen, denn die Ursache für eine ungewollte Kinderlosigkeit liegt in der Hälfte der Fälle beim Mann. Die Deutsche Gesellschaft für Andrologie e.V. (DGA), die Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) und der Berufsverband der Deutschen Urologie e.V. (BvDU) haben nun in einem gemeinsamen Konsenspapier einen Katalog der medizinisch relevanten Untersuchungen des infertilen Mannes auf der Grundlage der gültigen rechtlichen Rahmenbedingungen und des bekannten Wissens über Ursachen der Infertiliät definiert, der flächendeckend in der andrologischen Versorgung etabliert werden soll, um eine bestmögliche und effiziente Versorgung der Betroffenen sicher zu stellen. Diese Untersuchungen müssen allerdings notwendige Veränderungen in der Vergütung für die andrologisch tätigen Fachärzt:innen nach sich ziehen. Mit diesem Vorhaben sollen auf Initiative der DGA behandelbare Ursachen der männlichen Infertilität, insbesondere vor dem Einsatz von medizinisch assistierten Reproduktionsverfahren, bei den betroffenen Paaren identifiziert und ggf. therapiert werden, um unnötige invasive reproduktionsmedizinische Maßnahmen, mit Risiken speziell für die Frau, zu vermeiden.
Andrologische Abklärung soll jeden betroffenen Mann erreichen
DGA, DGU und BvDU sehen dringlichen Handlungsbedarf. „Fruchtbarkeitsstörungen gehören heute zu den sogenannten Volkskrankheiten. Da die Fruchtbarkeit durch sozio-ökonomische Faktoren, aber auch durch Umwelteinflüsse und angeborene Störungen negativ beeinflusst wird, steigt auch die Zahl der Fertilitätsbehandlungen. Eine leitliniengerechte Untersuchung des infertilen Mannes, als Voraussetzung für eine medizinisch begründete Therapieempfehlung für das Paar im Rahmen der interdisziplinären Indikationsstellung zu assistierten Reproduktionsverfahren, muss deshalb in der andrologischen Versorgung flächendeckend für jeden Patienten gewährleistet sein. Konsentierte Diagnostik kann unnötige reproduktionsmedizinische Behandlungen der Frauen verhindern“, sagt Prof. Dr. Sabine Kliesch, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Andrologie e.V.
Vor diesem Hintergrund gelte es, so betonen die Verfasser des Konsenspapiers, eine extrabudgetäre Vergütung für die spezifischen Leistungen bei der Diagnostik der männlichen Infertilität sicherzustellen.
Als ein interdisziplinäres Teilgebiet der Urologie befasst sich die Andrologie u.a. mit der reproduktiven Gesundheit des Mannes. Die rechtlichen Grundlagen für die Untersuchung des infertilen Mannes sind in mehreren Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) und des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) verankert. Dabei hebt die Richtlinie des G-BA zur Kostenerstattung von ärztlichen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (KB-RL) von 2017 die Rolle der andrologischen Diagnostik hervor. Zwei Spermiogramme, die nach den WHO-Richtlinien durchgeführt werden, sind Voraussetzung für eine Kostenübernahme. Die Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen oder Keimzellgewebe im Rahmen der assistierten Reproduktion der BÄK fordert ebenfalls eine qualifizierte Untersuchung des Mannes durch Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Andrologie. Die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Rili-BÄK) setzt den Rahmen im Bereich der insbesondere andrologisch relevanten Labordiagnostik. Und auch die 2021 in Kraft getretene Richtlinie des G-BA zur Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen sowie Keimzellgewebe sowie entsprechende medizinische Maßnahmen wegen keimzellschädigender Therapie (Kryo-RL) definiert Anforderungen an die medizinische Diagnostik.
Richt- und Leitlinien setzen die Standards
Basierend auf den obigen Richtlinien sowie europäischen Leitlinien und der aktuellen S2k Leitlinie der AWMF zur Diagnostik und Therapie vor einer assistierten reproduktionsmedizinischen Maßnahme fasst das Konsenspapier die erforderlichen Untersuchungen zusammen – gegliedert in Standard- und Basisuntersuchungen sowie in weiterführende Untersuchungen. Zu den Basisuntersuchungen zählen die Eigen-, Familien- und Paaranamnese einschließlich Sexualanamnese, Medikamenten- und Genussmittelanamnese sowie die körperliche Untersuchung u.a. mit sonographischer Untersuchung der Hoden zur Erkennung von Tumoren oder Varikozelen. Ein zentrales Element der Diagnostik ist das Spermiogramm nach WHO-Standards als Grundlage für die Ejakulatdiagnostik. Endokrine Untersuchungen erfordern zunächst eine Basisdiagnostik mit Hormonanalysen von LH, FSH und Testosteron, um Störungen der Hodenfunktion zu identifizieren.
„Da bei rund 20 Prozent der betroffenen Männer genetische Ursachen der Infertilität vorliegen, ist insbesondere bei einer stark eingeschränkten Spermienzahl, der sogenannten Oligozoospermie, oder dem vollständigen Fehlen von Samenzellen im Ejakulat, der Azoospermie, eine weiterführende genetische Diagnostik angezeigt“ erläutert DGA-Präsidentin Kliesch.
Flächendeckende Versorgung muss finanziert werden
Angesichts der gesellschaftlichen Relevanz der Reproduktionsmedizin und des steigenden Versorgungsbedarfs unterstreichen DGA, DGU und BvDU die Dringlichkeit, den medizinischen Standard, der sich in Richt- und Leitlinien als relevant erwiesen hat und eine Voraussetzung für die Indikationsstellung der reproduktionsmedizinischen Maßnahmen darstellt, auch in der bevölkerungsweiten andrologischen Versorgung sicherzustellen. Der Generalsekretär der DGU, Prof. Dr. Burger, und der ehemalige Generalsekretär und jetzige Vizepräsident Prof. Dr. Maurice Stephan Michel und der Beauftragte für Berufspolitik der Deutschen Gesellschaft für Andrologie e.V., Dr. Holger Uhthoff, appellieren an die gesundheitspolitisch Verantwortlichen, den Weg für die adäquate Vergütung dieser Leistungen frei zu machen.
Weitere Informationen:
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Andrologie e.V.
Bettina-Cathrin Ihnen
Sabine Martina Glimm
Wettloop 36c
21149 Hamburg
Tel: 040 - 80205195
Fax: 040 - 79 14 00 27
Mobil: 0176 – 44 40 82 05
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