Neue Auswertung des WSI-Tarifarchivs
52 Prozent aller Beschäftigten bekommen Weihnachtsgeld, deutlich mehr mit Tarifvertrag – Tarifliche Weihnachtsgeldzahlungen zwischen 250 und mehr als 4.000 Euro
Für viele Beschäftigte gibt es in diesen Wochen beim Blick auf den Kontoauszug einen Grund zur Freude: Das Weihnachtsgeld wird ausgezahlt. Dessen Höhe kann zwischen 250 und mehr als 4.000 Euro variieren, wie eine neue Analyse des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt.
Allerdings profitieren längst nicht alle Arbeitnehmer*innen von der Sonderzahlung, denn nur gut die Hälfte (52 Prozent) bekommt Weihnachtsgeld. Den größten Unterschied macht, ob der Arbeitgeber an einen Tarifvertrag gebunden ist oder nicht: Von den Beschäftigten mit Tarif bekommen 77 Prozent Weihnachtsgeld – fast doppelt so viele wie in Betrieben ohne Tarifvertrag, wo lediglich 41 Prozent der Beschäftigten eine solche Zahlung erhalten. Das ist das Ergebnis einer neuen Auswertung des Internetportals Lohnspiegel.de, das vom WSI betreut wird. Sie beruht auf einer Online-Befragung, an der sich zwischen Anfang November 2023 und Ende Oktober 2024 mehr als 62.000 Beschäftigte beteiligt haben (mehr Informationen zum Datensatz unten).
Die Zahlung von Weihnachtsgeld wird entweder durch Tarifverträge geregelt oder beruht auf „freiwilligen“ Leistungen des Arbeitgebers, die bei mehrjährigen Wiederholungen auch zum Gewohnheitsrecht werden können und damit verpflichtend sind. In der Praxis wird jedoch in Unternehmen ohne Tarifvertrag deutlich seltener Weihnachtsgeld ausgezahlt, denn den festen tariflichen Anspruch auf Weihnachtsgeld haben Gewerkschaften und ihre Mitglieder über Jahrzehnte durchgesetzt. „Beschäftigte in Unternehmen mit Tarifvertrag sind demnach gleich doppelt im Vorteil,“ sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. „Zum einen erhalten tarifgebundene Beschäftigte in der Regel ein höheres Grundgehalt, zum anderen bekommen sie deutlich häufiger Zusatzleistungen wie das Weihnachtsgeld“, so Schulten. „Auch wenn sich die Inflationsraten wieder normalisiert haben, ist das Preisniveau höher als vor dem Teuerungsschub. Eine Bezahlung nach Tarif, die unter anderem Weihnachtsgeld garantiert, ist da besonders wichtig“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI. „Tarifbindung wirksam zu stärken, bleibt deshalb eine Aufgabe auch der Politik.“
-Weihnachtsgeld für verschiedene Beschäftigtengruppen-
Neben der Tarifbindung lassen sich eine Reihe weiterer Merkmale identifizieren, die die Chancen auf Weihnachtsgeld beeinflussen (siehe auch die Abbildung 1 in der pdf-Version dieser Pressemitteilung; Link unten):
- West/Ost: Nach wie vor gibt es bedeutsame Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. In Westdeutschland bekommen 53 Prozent, in Ostdeutschland nur 41 Prozent der Befragten Weihnachtsgeld. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Tarifbindung in Ostdeutschland deutlich niedriger ist als im Westen.
- Vollzeit/Teilzeit: Unterschiede existieren auch hinsichtlich des Beschäftigtenstatus: Unter Vollzeitbeschäftigten ist Weihnachtsgeld mit 53 Prozent etwas verbreiteter als bei Teilzeitbeschäftigten, von denen 47 Prozent eine entsprechende Sonderzahlung bekommen.
- Befristet/unbefristet: Ähnlich ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen Beschäftigten mit einem befristeten oder einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Während lediglich 47 Prozent der Befragten mit Befristung Weihnachtsgeld erhalten, sind es bei den Unbefristeten 52 Prozent.
- Männer/Frauen: Männer erhalten mit 54 Prozent immer noch etwas häufiger Weihnachtsgeld als Frauen, von denen 48 Prozent diese Sonderzahlung bekommen.
-Große Unterschiede bei der Höhe des tarifvertraglichen Weihnachtsgeldes-
In den meisten großen Tarifbranchen existieren gültige tarifvertragliche Bestimmungen zum Weihnachtsgeld oder einer ähnlichen Sonderzahlung, die zum Jahresende fällig wird. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung des WSI-Tarifarchivs von 23 ausgewählten größeren Branchen (siehe die ausführliche Tabelle in der pdf-Version dieser Pressemitteilung). Die Höhe der tarifvertraglich vereinbarten Sonderzahlung unterscheidet sich dabei erheblich: Bei den mittleren Entgeltgruppen reicht sie von 250 Euro in der Landwirtschaft bis zu 4.039 Euro in der Chemischen Industrie.
Nur wenige Branchen haben beim Weihnachtsgeld einen Pauschalbetrag festgelegt. In den meisten Fällen wird das Weihnachtsgeld als fester Prozentsatz vom Monatsentgelt berechnet. In Branchen, in denen für 2024 höhere Tarifentgelte vereinbart wurden, hat sich auch das Weihnachtsgeld entsprechend erhöht. Am stärksten stieg das Weihnachtsgeld 2024 gegenüber dem Vorjahr mit 14,1 Prozent im Brandenburgischen Einzelhandel, um 13,8 Prozent bei der Deutschen Bahn AG und um 12,1 Prozent im Öffentlichen Dienst (Gemeinden).
Ein klassisches 13. Monatsentgelt im Sinne einer Sonderzahlung von 100 Prozent eines Monatsentgeltes erhalten die Beschäftigten in der Chemischen Industrie, Teilen der Energiewirtschaft, in der Süßwarenindustrie, bei der Deutschen Bahn AG, im Privaten Bankgewerbe sowie in einzelnen westdeutschen Tarifregionen der Textilindustrie und dem privaten Transport- und Verkehrsgewerbe. In der Eisen- und Stahlindustrie werden sogar 110 Prozent eines Monatsentgeltes gezahlt, wobei hier Weihnachts- und Urlaubsgeld zu einer Jahressonderzahlung zusammengelegt wurden.
Mit 95 Prozent eines Monatsentgeltes liegt das Weihnachtsgeld in der Druckindustrie und in der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie leicht unterhalb eines vollen 13. Monatsentgeltes. Im Versicherungsgewerbe werden 80 Prozent eines Monatsgehalts gezahlt, im Einzelhandel in den westdeutschen Tarifbereichen vorwiegend 62,5 Prozent, in den Tarifgebieten der westdeutschen Metallindustrie überwiegend zwischen 25 und 55 Prozent und im Hotel- und Gaststättengewerbe in Bayern 50 Prozent. Im Öffentlichen Dienst (Gemeinden) beträgt die Jahressonderzahlung, die an die Stelle des früher üblichen Weihnachts- und Urlaubsgeldes getreten ist, je nach Vergütungsgruppe zwischen 52 und 85 Prozent des Monatsentgeltes.
Zwischen den ost- und westdeutschen Tarifgebieten bestehen in einigen Branchen nach wie vor erhebliche Unterschiede. Ein (annähernd) gleich hohes Weihnachtsgeld wird im Bank- und Versicherungsgewerbe, in der Eisen- und Stahlindustrie, bei der Deutschen Bahn AG, in der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie (Arbeiter), dem Kfz-Gewerbe, im Öffentlichen Dienst (Gemeinden) und der Landwirtschaft gezahlt. In anderen Branchen können die Unterschiede mehrere hundert Euro, in Einzelfällen wie im Bauhauptgewerbe auch noch über tausend Euro ausmachen.
Unter den großen Wirtschaftszweigen sind Tarifbranchen ohne Weihnachtsgeld oder eine vergleichbare Sonderzahlung die Ausnahme. Nach wie vor kein Weihnachtsgeld gibt es im Gebäudereinigungshandwerk. Dasselbe trifft auf das ostdeutsche Bewachungsgewerbe zu, während in einigen Regionen Westdeutschlands das Weihnachtsgeld erst nach einer bestimmten Anzahl von Berufsjahren gewährt wird.
-Informationen zur WSI-Lohnspiegel-Datenbank-
Für die Auswertung zur Häufigkeit von Weihnachtsgeld wurden Angaben von 62.714 Beschäftigten mit mehr als einem Jahr Berufserfahrung ausgewertet, die zwischen dem 1. November 2023 und dem 31. Oktober 2024 an einer kontinuierlichen Online-Erhebung des WSI-Portals Lohnspiegel.de teilgenommen haben. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die Arbeitswelt. Lohnspiegel.de ist ein nicht-kommerzielles Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.
Kürzlich meldete das Statistische Bundesamt, dass nach seinen Zahlen sogar 85,8 Prozent der Tarifbeschäftigten 2024 Weihnachtsgeld erhalten würden. Die Differenz zur WSI-Auswertung ergibt sich aus jeweils unterschiedlichen Erhebungsmethoden und Fragestellungen. In der Online-Umfrage von Lohnspiegel.de werden die Beschäftigten explizit danach gefragt, ob sie Weihnachtsgeld erhalten. Das Statistische Bundesamt berücksichtigt hingegen in seiner Auswertung alle Jahressonderzahlungen mit Auszahlung im November beziehungsweise Dezember und kommt regelmäßig zu dem Ergebnis, dass ein noch höherer Anteil der Tarifbeschäftigten hiervon profitiert.
Prof. Dr. Thorsten Schulten
Leiter WSI-Tarifarchiv
Tel.: 0211-7778-239
E-Mail: Thorsten-Schulten@boeckler.de
Dr. Malte Lübker
WSI-Portal Lohnspiegel.de
Tel.: 0211-7778-574
E-Mail: Malte-Luebker@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
Die PM mit Abbildung und Tabelle (pdf): https://www.boeckler.de/pdf/pm_ta_2024_11_19.pdf
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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