Eine neue Studie der Universität Zürich zeigt, dass das Wohlbefinden von Menschen umso mehr leidet, je länger sie Angehörige pflegen – unabhängig vom Pflegekontext. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit politischer Diskussionen, um die Belastung durch informelle Pflege zu verringern.
Informelle Pflege ist weltweit auf dem Vormarsch und verändert das Leben der Pflegenden. Doch wie wirkt sich die Pflege auf ihr Wohlbefinden aus? Die bisherigen Forschungsergebnisse sind widersprüchlich: Einige vermuten, dass sie das Wohlbefinden steigert, weil sie ein Gefühl der Sinnhaftigkeit vermittelt, während andere von einer Verschlechterung aufgrund emotionaler Belastung berichten.
Um diese Frage zu klären, hat eine neue Studie der Universität Zürich (UZH) die Daten von 28'663 pflegenden Angehörigen analysiert, die im Rahmen von Panelstudien in den Niederlanden, Deutschland und Australien 281'884 Beobachtungen gemacht haben. Die Ergebnisse zeigen eine stetige Abnahme der Lebenszufriedenheit und der emotionalen Gesundheit sowie eine Zunahme von Einsamkeit und Ängsten, insbesondere bei Frauen.
Wohlbefinden nimmt mit der Zeit ab
«Die Ergebnisse unserer Analysen zeigen einen Rückgang des Wohlbefindens in den Jahren nach Beginn der Pflege», erklärt Mitautor Michael Krämer vom Departement Psychologie der UZH. «Dieser Rückgang war konsistent für verschiedene Aspekte des Wohlbefindens – wie Lebenszufriedenheit, emotionales Erleben, Depression/Angst und Einsamkeit – und war bei Frauen ausgeprägter und länger anhaltend als bei Männern.»
Die Forschenden untersuchten auch, wie sich die für die Pflege aufgewendete Zeit auf das Wohlbefinden auswirkt. Sie stellten fest, dass das Wohlbefinden der Menschen unabhängig vom Geschlecht umso mehr leidet, je mehr Zeit sie im Alltag mit der Pflege verbracht haben.
Die Studie untersuchte auch Faktoren wie die Intensität der Pflege, die Beziehung zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen und die Vollzeitbeschäftigung. Überraschenderweise hatten diese Faktoren nur einen geringen Einfluss auf die allgemeine Verschlechterung des Wohlbefindens, was darauf hindeutet, dass Pflegende in unterschiedlichen Kontexten mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind.
Negative Auswirkungen auf Pflegende mildern
«Diese Ergebnisse zeigen zwar, dass die Pflege von Angehörigen mit Stress verbunden sein kann, aber das individuelle Erleben kann unterschiedlich sein», sagt Krämer. «Es gibt andere Aspekte des psychischen Wohlbefindens, wie zum Beispiel die Sinnsuche, die wir mit diesen Daten nicht bewerten konnten.» Einige der pflegenden Angehörigen könnten durchaus einen Sinn in ihrer Rolle empfinden.
Insgesamt stimmen die Ergebnisse mit der Stresstheorie überein und zeigen den potenziellen Rückgang des Wohlbefindens, der häufig mit informeller Pflege einhergeht. Frauen scheinen besonders gefährdet zu sein, wahrscheinlich weil sie tendenziell mehr Verantwortung für nahe Familienangehörige übernehmen. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit von Massnahmen, die die Abhängigkeit von informeller Pflege verringern, wie z. B. ein verbesserter Zugang zu formeller Langzeitpflege oder gemischte Pflegelösungen, die die negativen Auswirkungen auf die Pflegenden abmildern könnten.
Dr. Michael Krämer
Psychologisches Institut
Universität Zürich
m.kraemer@psychologie.uzh.ch
Michael D. Krämer and Wiebke Bleidorn. The Well-Being Costs of Informal Caregiving. Psychological Science. 25 November 2024. DOI: https://doi.org/10.1177/09567976241279203
https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2024/Pflegende.html Zur Medienmitteilung
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Politik, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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