Seit immer mehr Laubbäume in Schweizer Wäldern angepflanzt werden, deren Holz bisher häufig direkt verheizt wird, sind innovative Ideen für eine Kaskadennutzung gefragter denn je, um die Ressource Laubholz nachhaltiger zu verwerten. Empa-Forschende statten Holz daher mit neuen Funktionalitäten aus. Ihr neuester Coup: Holz, das leuchten kann.
Um Klimawandel und Borkenkäfer zu trotzen, werden in Schweizer Wäldern vermehrt Laubbäume gepflanzt. Deren Holz sollte möglichst mehrfach (und lange) verwendet werden, bevor es als Brennholz endet und das gespeicherte CO₂ wieder in die Atmosphäre freisetzt. Derzeit wird das anfallende Laubholz allerdings noch zu häufig direkt energetisch genutzt. Innovative Ideen für eine nachhaltigere Kaskadennutzung sind also gefragt. Eine Möglichkeit ist, das Naturmaterial mit neuen Eigenschaften – technisch ausgedrückt: Funktionalitäten – auszustatten und es etwa in magnetisches, wasserdichtes oder stromerzeugendes Holz zu verwandeln.
Derzeit verfolgt das Team um Pilzforscher Francis Schwarze vom «Cellulose & Wood Materials»-Labor der Empa in St. Gallen eine weitere Idee für ein neuartiges Kompositmaterial auf Basis von Laubholz: leuchtendes Holz. Neben Anwendungen im technischen Bereich könnte das Leuchtholz zu Designmöbeln oder Schmuck verarbeitet werden.
Verwobene lebende Materialien
Gelungen ist dies dank eines Schmarotzers: Der Hallimasch-Pilz ist ein Erreger der Weissfäule bei Bäumen und damit eigentlich ein Holzschädling. Manche Arten produzieren den Naturstoff Luciferin, der in einem zweistufigen enzymatischen Prozess zum Leuchten angeregt wird. Von Pilzfäden durchzogenes Holz strahlt daher ein grünes Licht aus.
«Natürlich leuchtendes Holz wurde das erste Mal vor rund 2400 Jahren durch den griechischen Philosophen Aristoteles beschrieben», sagt Francis Schwarze. Genau genommen lässt sich das verwobene Gebilde aus Pilz und Holz als natürliches Biohybrid bezeichnen, eine Kombination von lebenden Materialien. «Künstlich erzeugt wären derartige Kompositmaterialien für viele Anwendungsarten interessant», sagt der Empa-Forscher. Doch was der Natur scheinbar mühelos gelingt, war für die Biotechnologie bisher eine (zu) grosse Herausforderung. Nun ist es dem Empa-Team erstmals gelungen, den Prozess unter kontrollierten Bedingungen im Labor zu induzieren und zu steuern.
Von der Natur ins Labor
Die Leuchtpilze hat Biotechnologe Francis Schwarze in der Natur aufgespürt, im Labor analysiert und ihren genetischen Code entziffert. Als besonders leistungsstark entpuppte sich der Ringlose Hallimasch (Desarmillaria tabescens). Nach Vorversuchen mit verschiedenen Holzarten startete Schwarze mit Balsaholz (Ochroma pyramidale), einem Holz mit besonders geringer Dichte. Mittels Spektroskopie beobachteten die Forschenden, wie der Pilz in den Balsaholz-Proben Lignin abbaut, das für Steifigkeit und Druckfestigkeit verantwortlich ist. Dass damit die Stabilität des Holzes jedoch nicht verschwindet, zeigten Röntgen-Diffraktionsanalysen: Die Cellulose, die im Holz für Zugfestigkeit sorgt, blieb intakt.
Feuchtes Milieu bevorzugt
Maximale Leuchtkraft erreicht das Biohybrid aus Pilz und Holz, wenn es drei Monate im Brutschrank inkubiert wurde. Dabei liebt es Desarmillaria besonders feucht: Die Balsaholz-Proben nahmen in dieser Zeit das Achtfache ihres Gewichts an Feuchtigkeit auf. Beim Kontakt mit Luft beginnt schliesslich die Enzymreaktion im Holz. Das Leuchten entfaltet seine ganze Pracht nach zehn Stunden, wobei grünes Licht mit einer Wellenlänge von 560 Nanometer abgestrahlt wird, wie Empa-Forscherin Giorgia Giovannini vom «Biomimetic Membranes and Textiles»-Labor bei Fluoreszenzspektroskopie-Analysen ermittelte. Derzeit hält der faszinierende Prozess rund 10 Tage an «Jetzt optimieren wir die Labor-Parameter, um die Leuchtkraft künftig weiter zu steigern», so der Empa-Forscher.
Box: Natürliche Biolumineszenz
In der Natur kommt Biolumineszenz bei verschiedensten Organismen vor. Das Licht entsteht dank chemischer Prozesse, die Energie als Licht und Wärme abgeben. Vergleicht man die lichterzeugende Reaktion in der Natur anhand ihrer sogenannten Quantenausbeute siegt das Glühwürmchen mit einem Wert von 40%, Leuchtquallen bringen es auf 17%, und Leuchtpilze erreichen 2%.
Leuchtpilze
Über 70 Pilzarten zeigen Biolumineszenz. Sie erzeugen in verfaulendem Holz ein als «Foxfire» bezeichnetes Leuchten. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein Französisch-Englisches Mischwort aus «faux» und «fire» für «falsches Feuer». Der Zweck der Biolumineszenz bei Pilzen ist nicht gänzlich klar. Möglicherweise soll sie Insekten anlocken, um Pilzsporen zu verbreiten.
Es ist schwierig, leuchtendes Holz in der Natur zu finden, weil allgegenwärtige künstliche Lichtquellen in der Nacht das Auffinden erschweren. Empa-Forscher Francis Schwarze rät, in einer mondlosen Herbstnacht in einem Buchen-Mischwald nach Totholz unter nassem Herbstlaub Ausschau zu halten. Mit etwas Glück lässt sich hier der Pilz und seine leuchtende Holzmahlzeit entdecken.
Leuchtkalmar
Der kleine Tintenfisch Watasenia scintillans misst gerade einmal acht Zentimeter, dafür ist er in puncto Tarnung ganz gross: An seiner Unterseite sind Licht-aussendenden Zellen verstreut. Diese Photophoren verwirren Raubfische, die am Meeresgrund leben. Beim Blick nach oben Richtung Wasseroberfläche ist der Leuchtkalmar für die Jäger so nicht auszumachen.
Glühwürmchen
Die bis zu zwei Zentimeter kleinen Insekten finden sich dank ihres Lichts zur Paarung. Leuchtkäfer haben nicht nur einen lichtdurchlässigen Hinterleib, sie tragen im Inneren auch eine reflektierende Schicht. Dieser «eingebaute Spiegel» wirft die Biolumineszenz zusätzlich nach aussen. Damit ist Lampyris noctiluca die grosse «Leuchte» unter den Biolumineszenz-Lebewesen.
Box 2: Gigantischer Hallimasch
Man nennt ihn den Honigpilz oder Hallimasch, und er gehört zu den erstaunlichsten Lebewesen der Erde. Unscheinbar mag er in klassischer Pilzgestalt auf dem Waldboden spriessen, lediglich mit einer schmückenden Leiste um den Stil verziert, einem Armband gleich, was ihm die lateinische Bezeichnung «Armillaria» verleiht.
Viel eindrücklicher ist hingegen sein Netz aus schwarzen Strängen, die er über Holz und Boden zieht. Zu meterlangen dicken Bündeln schliessen sich die Pilzfäden zusammen, umgeben von einer schwarzen Melanin-haltigen Schutzschicht. Diese sogenannten Rhizomorphen suchen nach neuen Lebensräumen und Nahrungsquellen.
Auf einer Grösse von mehreren Quadratkilometern dehnt sich das grösste Lebewesen der Welt, ein rund 2400-jähriges Hallimasch-Netz, im US-Bundesstaat Oregon aus. Der grösste Pilz Europas befindet sich in der Schweiz am Ofenpass. Dieser immerhin 1000-jährige Hallimasch bedeckt ein Gebiet von 50 Fussballfeldern.
Prof. Dr. Francis Schwarze
Cellulose & Wood Materials
Phone +41 58 765 7247
Francis.Schwarze@empa.ch
Dr. Giorgia Giovannini
Biomimetic Membranes and Textiles
Phone +41 58 765 7803
giorgia.giovannini@empa.ch
FWMR Schwarze, T Carvalho, G Reina, LG Greca, U Bünter, Z Gholam, L Krupnik, A Neels, L Boesel, H Morris, M Heeb, A Huch, G Nyström, G Giovannini; Taming the production of bioluminescent wood using the white rot fungus Desarmillaria tabescens; Advanced Science (2024), https://doi.org/10.1002/advs.202403215
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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