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17.12.2024 17:00

Erster Doppelstern in der Nähe des supermassereichen Schwarzen Lochs unserer Galaxie entdeckt

ESO Science Outreach Network (Dr. Markus Nielbock) Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Astronomie

    Ein internationales Forscherteam hat einen Doppelstern entdeckt, der Sagittarius A*, das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie, in geringer Entfernung umkreist. Es ist das erste Mal, dass ein Sternpaar in der Nähe eines supermassereichen Schwarzen Lochs gefunden wurde. Die Entdeckung, die auf Daten basiert, die vom Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) gesammelt wurden, hilft beim Verständnis, wie Sterne in Umgebungen mit extremer Schwerkraft bestehen können, und könnte den Weg für die Entdeckung von Planeten in der Nähe von Sagittarius A* ebnen.

    „Schwarze Löcher sind nicht so zerstörerisch, wie wir dachten“, sagt Florian Peißker, Forscher an der Universität zu Köln und Hauptautor der heute in Nature Communications veröffentlichten Studie. Doppelsterne, also Paare von Sternen, die einander umkreisen, sind im Universum weit verbreitet. Sie wurden jedoch noch nie in der Nähe eines supermassereichen Schwarzen Lochs gefunden, wo die intensive Schwerkraft Sternensysteme instabil machen kann.

    Diese neue Entdeckung zeigt, dass einige Doppelsterne auch unter zerstörerischen Bedingungen kurzzeitig gedeihen können. D9, wie der neu entdeckte Doppelstern genannt wird, wurde gerade noch rechtzeitig entdeckt: Er ist schätzungsweise erst 2,7 Millionen Jahre alt, und die starke Gravitationskraft des nahe gelegenen Schwarzen Lochs wird ihn wahrscheinlich innerhalb von nur einer Million Jahren zu einem einzelnen Stern verschmelzen lassen, eine sehr kurze Zeitspanne für ein so junges System.

    „In kosmischen Maßstäben haben wir nur ein kurzes Zeitfenster, um ein solches Doppelsternsystem zu beobachten – und uns ist es gelungen!“, erklärt Co-Autorin Emma Bordier, Forscherin an der Universität zu Köln und ehemalige ESO-Studentin.

    Viele Jahre lang dachten Astronominnen und Astronomen auch, dass die extreme Umgebung in der Nähe eines supermassereichen Schwarzen Lochs die Bildung neuer Sterne verhindere. Mehrere junge Sterne, die in unmittelbarer Nähe von Sagittarius A* gefunden wurden, haben diese Annahme widerlegt. Die Entdeckung des jungen Doppelsterns zeigt nun, dass sich unter diesen rauen Bedingungen sogar Sternpaare bilden können. „Das D9-System weist deutliche Anzeichen für die Anwesenheit von Gas und Staub um die Sterne herum auf. Dies deutet darauf hin, dass es sich um ein sehr junges Sternsystem handeln könnte, das sich in der Nähe des supermassereichen Schwarzen Lochs gebildet haben muss“, erklärt Mitautor Michal Zajaček, Forscher an der Masaryk-Universität in Tschechien und der Universität zu Köln.

    Das neu entdeckte Doppelsternsystem wurde in einer dichten Ansammlung von Sternen und anderen Objekten gefunden, die Sagittarius A* umkreisen und als S-Cluster bezeichnet werden. Am rätselhaftesten in diesem Cluster sind die G-Objekte, die sich wie Sterne verhalten, aber wie Gas- und Staubwolken aussehen.

    Bei der Beobachtung dieser geheimnisvollen Objekte stieß das Team auf ein überraschendes Muster in D9. Die mit dem ERIS-Instrument des VLT gewonnenen Daten in Kombination mit Archivdaten des SINFONI-Instruments zeigten wiederkehrende Schwankungen in der Geschwindigkeit des Sterns. Demnach handelt es sich bei D9 offenbar um zwei Sterne, die einander umkreisen. „Ich dachte, dass ich bei meiner Auswertung einen Fehler gemacht hatte“, sagt Peißker, „aber das spektroskopische Muster erstreckte sich über etwa 15 Jahre. Damit war klar, dass es sich bei dieser Entdeckung tatsächlich um den ersten im S-Cluster beobachteten Doppelstern handelt.“

    Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Frage, was die mysteriösen G-Objekte sein könnten. Das Team vermutet, dass es sich dabei um eine Kombination aus Doppelsternen, die noch nicht verschmolzen sind, und dem Restmaterial bereits verschmolzener Sterne handeln könnte.

    Die genaue Natur vieler der Objekte, die Sagittarius A* umkreisen, sowie die Frage, wie sie sich so nahe am supermassereichen Schwarzen Loch gebildet haben könnten, bleiben ein Rätsel. Doch schon bald könnte die Aufrüstung von GRAVITY+ zum VLT-Interferometer und das METIS-Instrument am Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das derzeit in Chile gebaut wird, dies ändern. Mit beiden Einrichtungen wird das Team noch detailliertere Beobachtungen des galaktischen Zentrums durchführen können, die die Natur bekannter Objekte enthüllen und zweifellos weitere Doppelsterne und junge Systeme aufdecken werden. „Unsere Entdeckung lässt uns über die Existenz von Planeten spekulieren, da diese oft um junge Sterne herum entstehen. Es scheint plausibel, dass der Nachweis von Planeten im galaktischen Zentrum nur eine Frage der Zeit ist“, so Peißker abschließend.

    Weitere Informationen

    Diese Studie wurde in dem Artikel „A binary system in the S cluster close to the supermassive black hole Sagittarius A*“ vorgestellt, der heute in Nature Communications (doi: ) veröffentlicht wurde.

    Das Team besteht aus F. Peißker (Institut für Physik I, Universität zu Köln, Deutschland [Universität zu Köln]), M. Zajaček (Abteilung für Theoretische Physik und Astrophysik, Masaryk-Universität, Brünn, Tschechien; Universität zu Köln), L. Labadie (Universität Köln), E. Bordier (Universität zu Köln), A. Eckart (Universität zu Köln; Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, Deutschland), M. Melamed (Universität zu Köln) und V. Karas (Astronomisches Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Prag, Tschechien).

    Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftler*innen weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.

    Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

    Medienkontakte

    Markus Nielbock (Pressekontakt Deutschland)
    ESO Science Outreach Network und Haus der Astronomie
    Heidelberg, Deutschland
    Tel: +49 6221 528-134
    E-Mail: eson-germany@eso.org

    Bárbara Ferreira
    ESO Media Manager
    Garching bei München, Germany
    Tel: +49 89 3200 6670
    Mobil: +49 151 241 664 00
    E-Mail: press@eso.org


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Florian Peißker
    1. Physikalisches Institut, Universität zu Köln
    Köln, Deutschland
    Tel: +49 221 470 7791
    E-Mail: peissker@ph1.uni-koeln.de

    Emma Bordier
    1. Physikalisches Institut, Universität zu Köln
    Köln, Deutschland
    Tel: +49 221 470 3548
    E-Mail: bordier@ph1.uni-koeln.de

    Michal Zajaček
    Department of Theoretical Physics and Astrophysics, Masaryk University
    Brno, Czechia
    Tel: +420 549 49 8773
    E-Mail: zajacek@physics.muni.cz


    Originalpublikation:

    Florian Peißker et al., "A binary system in the S cluster close to the
    supermassive black hole Sagittarius A*", Nature Communications (2024)


    Weitere Informationen:

    https://www.eso.org/public/news/eso2418/ - Originalpressemitteilung der ESO mit weiteren Bildern und Videos


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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