Wie Institutionen schwache Reputationsanreize in starke Kooperationsmotiv
Institutionen sind das Rückgrat menschlicher Gesellschaften. Sie fördern Kooperation, indem sie prosoziales Verhalten belohnen und egoistisches Handeln bestrafen. Doch sie stehen vor einem grundlegenden Paradoxon: Obwohl sie geschaffen wurden, um Kooperation zu belohnen, sind sie selbst auf die Kooperation ihrer Mitglieder angewiesen, um zu funktionieren. Eine neue Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wird, zeigt, wie Institutionen entstehen und gedeihen können.
Forschende des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie, des Instituts für Höhere Studien (IHS) und des Institut Jean Nicod an der ENS-PSL haben ein Modell entwickelt, das erklärt, wie Institutionen durch Reputation entstehen können. Sie untersuchten dabei zwei verbundene Herausforderungen: Beim ersten Problem, das durch hohe Kosten oder schwierige Überwachung geprägt ist, reicht allein der gute Ruf nicht aus, um Kooperation zu fördern. Beim zweiten Problem können Menschen jedoch gemeinsam handeln, um die Bedingungen für das erste Problem zu verbessern.
Die Studie zeigt, dass diese Kombination wie ein Hebel funktioniert: Der Wunsch nach einem guten Ruf motiviert Menschen, sich an der Lösung des zweiten Problems zu beteiligen. Diese Beiträge schaffen dann neue Anreize, auch das schwierige erste Problem gemeinsam anzugehen.
Ein anschauliches Beispiel liefert das Japan der Tokugawa-Zeit. Damals standen Dorfgemeinschaften vor der Herausforderung, gemeinsame Waldressourcen wie Brennholz und Baumaterial nachhaltig zu bewirtschaften. Dieses Problem entsprach der „Tragödie der Allmende“: Jeder Einzelne hatte Anreize, so viele Ressourcen wie möglich zu nutzen, was zu einer Übernutzung führen konnte. Da die Überwachung der individuellen Waldnutzung schwierig war, entwickelten die Dorfbewohner eine Institution: die Rolle des Detektivs. Diese Detektive überwachten die Waldnutzung und verhängten Strafen bei Regelverstoßen. Dadurch entstanden neue Anreize, sich an die Regeln zu halten.
Doch auch die Institution selbst musste überwacht werden, um Korruption oder Machtmissbrauch zu vermeiden. Diese Aufgabe war einfacher zu bewältigen, da die Detektive besser überwacht werden konnten als die individuelle Waldnutzung. Ein schlechter Ruf hätte die Detektive ihre Arbeit und ihren sozialen Status kosten können. Indem die Gemeinschaft dieses zweite, einfachere Problem löste, konnte sie auch das komplexere Problem der Waldnutzung bewältigen.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Institutionen als soziale Technologien fungieren, die universelle menschliche Motive wie den Wunsch nach einem guten Ruf nutzen. Ähnlich wie ein Flaschenzug eine geringe Kraft vervielfältigt, um große Lasten zu bewegen, verwandeln Institutionen schwache Reputationseffekte in starke Anreize für Kooperation. Mit der Zeit wurden Institutionen immer weiter verfeinert, um diese Mechanismen effizienter zu nutzen und es Gesellschaften zu ermöglichen, immer komplexere Kooperationsprobleme zu bewältigen.
Dr. Julien Lie-Panis
Postdoc
Max Planck Research Group Dynamics of Social Behavior
Max Planck Institute for Evolutionary Biology
J. Lie-Panis, L. Fitouchi, N. Baumard, J. André (2024)
The social leverage effect: Institutions transform weak reputation effects into strong incentives for cooperation,
Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. (PNAS) 121 (51) e2408802121,
https://doi.org/10.1073/pnas.2408802121 (2024).
Institutionen ermöglichen es, dass Reputation schwierige Kooperationsprobleme indirekt löst.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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