Im Pariser Klimaabkommen haben sich die Staaten zu Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet. Aber mit wieviel Nachdruck arbeiten die OECD- und EU-Staaten an diesem Ziel? Im Ländervergleich am besten aufgestellt sind Schweden, Dänemark und Finnland, aber auch Spanien. Deutschland liegt im Gesamt-Ranking auf Platz sieben und müsste seine Anstrengungen bei der Energiewende und beim Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft verstärken. Den weitesten Weg vor sich haben Kanada, Australien, Israel, Polen und Ungarn. Das zeigt ein Fortschrittsmonitoring der Bertelsmann Stiftung, das die Effektivität der Politikansätze bei Klimaschutz, Energiewende und zirkulärer Wirtschaft vergleicht.
Gütersloh, 17.12.2024. Die nordischen Länder und Spanien liegen im Gesamt-Ranking der 30 untersuchten OECD- und EU-Staaten an der Spitze, weil sie ihre Hausaufgaben gemacht haben. Sie haben sich klare Zielvorgaben für den Weg zur Klimaneutralität und Ressourceneffizienz gesteckt, für unterschiedliche Sektoren Aktionspläne aufgelegt und kontrollieren das Erreichte anhand umfangreicher Kennzahlen. Doch am Ziel sind selbst sie noch nicht. Klimaschädliche Subventionen und andere Hürden müssen auch die Vorreiterstaaten noch überwinden.
Um zu diesen aufzuschließen, müsste Deutschland insbesondere Fortschritte bei der Planung der Energiewende machen. Hier liegt Deutschland nur auf dem 15. Platz. Besonders mangelt es an der Koordinierung bei der Modernisierung des Stromnetzes. Auch bei der Vorbereitung des Übergangs zur zirkulären Wirtschaft bräuchte es entsprechende Aktionspläne und die Bereitstellung geeigneter Indikatoren (Rang 8). „Im Ländervergleich zum Fortschritt beim Klimaschutz, der Energiewende und der zirkulären Wirtschaft ist Deutschland nach wie vor gut positioniert. Um die Vorreiterstaaten zu erreichen, müssten Ziele und Maßnahmen im Bereich der Energiewende und der zirkulären Wirtschaft allerdings besser aufeinander abgestimmt werden“, sagt Christof Schiller, Governance-Experte der Bertelsmann Stiftung und Leiter des Projekts zu den Sustainable Governance Indicators (SGI).
Rückschlüsse auf Ambitionen und Ausrichtung der Politik
Die Auswertung beruht auf der aktuellen Datenerhebung der Sustainable Governance Indicators in den drei zentralen Kategorien „klimapolitische Rahmenvorgaben“, „dekarbonisiertes Energiesystem bis 2050“ und „Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft“. Um die Effektivität politischer Strategien beurteilen zu können, greift die SGI-Datenerhebung nicht nur auf eine Vielzahl von öffentlich verfügbaren Kennzahlen zurück, die Aufschluss über die Folgen weit zurückliegender politischer Weichenstellungen geben können. Der Datensatz ermöglicht auch Rückschlüsse auf aktuelle Ambitionen und die Politikausrichtung der Länder. Dazu stützt er sich auf umfangreiche Bewertungen der SGI-Länderexpert:innen. Weitere Untersuchungsdimensionen sind Fortschritte der Länder bei der Stärkung demokratischer Kontrollsysteme, bei der vorausschauenden Regierungsführung und nachhaltigen Lösungen in anderen Politikbereichen.
Welche Fortschritte hat Deutschland im Einzelnen erzielt?
Klimapolitische Rahmenvorgaben:
Deutschland liegt in dieser Kategorie auf dem 7. Platz. Im Ländervergleich wird Deutschlands klimapolitische Gesamtstrategie als größtenteils ambitioniert bewertet. Die Klimaschutzziele sind rechtsverbindlich und allgemeine Klimaschutzziele sind ebenso vorgesehen wie jährliche Emissionsgrenzwerte für einzelne Sektoren. Auch das Verfahren zur Überwachung und Einhaltung der Ziele sowie die Mechanismen zur Nachjustierung sind klar festgelegt. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 gilt unverändert. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Klimaschutznovelle auf das Erreichen der Klimaziele auswirken wird. Die beste Ausgangsposition, die Klimaziele zu erreichen, hat derzeit noch Schweden. Das Land blickt auf eine lange Geschichte von ambitionierten klimapolitischen Vorgaben und eine kontinuierliche Politikevaluation zurück. Allerdings hat die derzeitige Regierung die Umweltvorschriften aufgeweicht.
Dekarbonisierung des Energiesystems:
Der Energiesektor ist für fast drei Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Damit ist klar, dass das Erreichen der Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts ganz wesentlich von einer erfolgreichen Dekarbonisierung der Energieversorgung abhängt. Deutschland liegt im Ländervergleich nur auf Platz 15. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern und der Einstieg in neue Technologien kommt nicht schnell genug voran. Besonders schwer wiegt die schleppende Modernisierung des Stromnetzes. Diese Erkenntnis hat vor allem Dänemark beherzigt: „Dänemark ist auf einem guten Weg, eine emissionsfreie Energieerzeugung bis Mitte des Jahrhunderts zu erreichen, weil politische Ziele, Institutionen, Instrumente und Infrastrukturen effektiv aufeinander abgestimmt sind“, sagt Thorsten Hellmann, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Kreislaufwirtschaft:
Der Übergang zu einer zirkulären Wirtschaftsweise steckt zwar vielerorts noch in den Anfängen. Aber immerhin 20 von 30 der EU- und OECD-Staaten haben sich auf den Weg gemacht. Deutschland liegt bei der Frage, mit wieviel Nachdruck die Staaten den Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft vorantreiben, auf dem 8. Platz. Zwar hat es jüngst die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie verabschiedet; es fehlen allerdings klare Aktionsziele, Zwischenziele und ein Monitorings- und Evaluationssystem. Besser vorbereitet auf den Übergang erscheinen derzeit vor allem Finnland und Schweden. In Schweden werden sowohl die Strategie für die zirkuläre Wirtschaft als auch die dazugehörigen Aktionspläne, die allerdings nicht rechtsverbindlich sind, als Teil des Staatshaushalts neben anderen Umweltzielen bewertet.
Zusatzinformationen:
Der SGI-Datensatz bietet eine umfassende Ressource für den Vergleich und das Nachhalten von Politikfortschritten in 30 OECD- und EU-Staaten. Auf Basis von Schlüsselindikatoren kann untersucht werden, wie gut die Governance-Strategien in den verschiedenen OECD-Ländern den Wandel hin zu einer klimaneutralen, ressourceneffizienten Wirtschaft unterstützen. Die jüngsten Ergebnisse und detaillierten Länderberichte können hier abgerufen werden: www.sgi-network.org
Ansprechpartner:
Christof Schiller, Telefon: +49 (30) 27 57 88-138
E-Mail: christof.schiller@bertelsmann-stiftung.de
Thorsten Hellmann, Telefon +49 (52 41) 81 81-236
E-Mail: thorsten.hellmann@bertelsmann-stiftung.de
http://www.bertelsmann-sitftung.de
http://www.sgi-network.org
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Meer / Klima, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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