Das Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin, die Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und das Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg erhalten gemeinsam eine Förderung von knapp einer Million Euro im Rahmen des Programms „Leibniz-Kooperative-Exzellenz“. Ziel des Projekts ist es, grundlegende Mechanismen von Zwei-Poren-Domänen-Kaliumkanälen (K2P-Kanäle) zu entschlüsseln – mit potenziellen Ansätzen für neue Therapien gegen Krebs, Autoimmunerkrankungen, Infektionserkrankungen, Erkrankungen des zentralen Nervensystems und des Herz-Kreislauf-Systems.
Zwei-Poren-Domänen-Kaliumkanäle (K2P-Kanäle) sind essenziell für das elektrische Gleichgewicht und die normale Aktivität verschiedener Zelltypen. Störungen in der Funktionalität von K2P-Kanälen können schwerwiegende Gesundheitsprobleme verursachen, wie Vorhofflimmern, Atemdepression, pulmonale Hypertonie, Schlafapnoe, neuropathische Schmerzen, Migräne und Depressionen. Diese Ionenkanäle sind folglich vielversprechende Zielstrukturen für die Entwicklung neuer Medikamente. Die Erforschung der Funktionsweise dieser Kanäle, insbesondere der Mechanismen, wie sie auf äußere Reize reagieren und sich öffnen oder schließen – ein Prozess, der als „Gating“ bezeichnet wird – bleibt jedoch eine große Herausforderung.
Das Forschungsprojekt „Deciphering the atomistic mechanism of selectivity filter gating in K2P channels“ unter der Leitung von Prof. Han Sun wurde im Rahmen des Leibniz-Wettbewerbs 2025 erfolgreich eingeworben und mit knapp einer Million Euro gefördert. Ziel des Projekts ist es, den Gating-Prozess in K2P-Kanälen besser zu verstehen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Untersuchung der intrinsisch ungeordneten Endbereiche dieser Kanäle dar, die eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Gatings spielen. Darüber hinaus sollen neue Strategien zur Entwicklung hochaffiner und hochselektiver kleinmolekularer Modulatoren erarbeitet werden, die auf verschiedene K2P-Kanäle abzielen. Ionenkanäle zählen zu den am häufigsten adressierten Proteinklassen in der Arzneimittelentwicklung. Die im Rahmen dieser Studie entwickelten Methoden könnten auch für die Gestaltung arzneimittelähnlicher Moleküle für andere Ionenkanäle oder virale Proteine genutzt werden.
Das Projekt wird von einem interdisziplinären Konsortium durchgeführt, das über herausragende Expertise in verschiedenen Methodiken verfügt. Dazu gehören Kryo-Elektronenmikroskopie (Prof. Maya Topf, Leibniz-Institut für Virologie), Festkörper-NMR (Prof. Adam Lange, FMP Berlin), Molekulardynamik-Simulationen (Prof. Han Sun, FMP Berlin) und Elektrophysiologie (Dr. Marcus Schewe und Prof. Thomas Baukrowitz, Medizinische Fakultät der Universität Kiel).
Projektleiterin Prof. Han Sun untersucht am FMP die funktionsrelevante Dynamik von Membranproteinen, insbesondere mit einem Fokus auf Ionenkanäle. Die Forschungsgruppe setzt eine Vielzahl verschiedener theoretischer Ansätze ein, darunter Molekulardynamik-Simulationen, die es ermöglichen, die Dynamik der Proteine auf unterschiedlichen Zeitskalen zu untersuchen. Darüber hinaus entwickelt die Gruppe innovative theoretische Methoden zur Vorhersage aktiver Modulatoren mit hoher Affinität und Spezifität. Ein weiterer zentraler Schwerpunkt liegt in der Integration experimenteller Daten in die Simulationen.
Prof. Adam Lange, ebenfalls am FMP in Berlin, verwendet Festkörper-NMR und andere strukturelle und biophysikalische Techniken um die Struktur und Dynamik von Membranproteinen in ihrer natürlichen Umgebung, der Zellmembran, zu untersuchen. Dabei spielt die Dynamik der Membranproteine oft eine entscheidende Rolle für ihre Funktion. Ein Fokus der Arbeitsgruppe von Adam Lange liegt auf Ionenkanälen und Intramembranproteasen. Im Falle der K2P-Kanäle soll ein besonderes Augenmerk auf die intrinsisch ungeordneten Endbereiche gelegt werden, da diese einerseits eine wesentliche Rolle für die Regulierung dieser Kanäle haben und andererseits solche ungeordneten Proteinbereiche sich kaum mit einer anderen Technik als der NMR-Spektroskopie untersuchen lassen. Diese geplanten Arbeiten werden stark durch das vor kurzem am FMP installierte 1.2- GHz-NMR-Spektrometer profitieren, einem der weltweit leistungsfähigsten Geräte dieser Art.
Die Kieler Physiologen Dr. Marcus Schewe und Prof. Thomas Baukrowitz untersuchen Struktur-Funktions-Beziehungen in verschiedenen Ionenkanälen, wobei K2P-Kanäle den aktuellen Forschungsschwerpunkt darstellen. Ziel der Forschung ist die Aufklärung der molekularen Mechanismen der Regulation von K2P-Kanälen durch endogene Stimuli (z.B. Lipide, pH, Temperatur, mechanischer Stress) und pharmakologische Substanzen mit vorrangig molekularbiologischen und elektrophysiologischen Techniken. Diese Regulationsmechanismen sind zentral für das Verständnis der weitreichenden Physiologie und Pathophysiologie dieser Ionenkanalfamilie.
Am LIV in Hamburg entwickelt Prof. Maya Topf integrative Modellierungsmethoden zur Aufklärung der Strukturen makromolekularer Maschinen, mit einem Schwerpunkt auf Cryo-EM-Strukturen. Die jüngsten Arbeiten ihres Labors umfassen TEMPy-ReFF, eine Methode zur Verfeinerung von Modellen in Cryo-EM-Karten, die die Interpretation flexibler Bereiche verbessert. In diesem Projekt wird ihr Team die Struktur und Dynamik von K2P-Kanälen mithilfe von Cryo-EM untersuchen, insbesondere den SF-Gating-Mechanismus, und Bindungsstellen für Liganden modellieren, wobei sie ihre Expertise im Bereich Small-Molecule-Docking (ChemEM) einbringen.
Prof. Dr. Han Sun
Strukturchemie und Computergestützte Biophysik
Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
hsun@fmp-berlin.de
Tel.: + 49 30 94793 573
www.leibniz-fmp.de/sun
Strukturmodell eines K2P-Kanals (blau und rosa). Die dunkel-pinkfarbenen Spheren stellen Kaliumionen ...
Barth van Rossum
Barth van Rossum
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
Strukturmodell eines K2P-Kanals (blau und rosa). Die dunkel-pinkfarbenen Spheren stellen Kaliumionen ...
Barth van Rossum
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