Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben gemeinsam mit internationalen Partnern eine Software namens „AutArch“ entwickelt: Sie nutzt die Leistungsfähigkeit von Künstlicher Intelligenz und Big Data, um alte archäologische Sammlungen neu zu erschließen – und könnte somit die archäologische Datenanalyse revolutionieren. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden am 3. Juni 2025 im renommierten Wissenschaftsmagazin Journal of Archaeological Science veröffentlicht. AutArch ist als Open-Source-Software auf GitHub und Zenodo verfügbar.
Archäologen stehen oft vor großen Herausforderungen, wenn sie versuchen, neue Entdeckungen mit Informationen aus alten Büchern zu verknüpfen: Wie lassen sich die Erkenntnisse aus zweihundert Jahren archäologischer Forschung mit neuen Daten kombinieren? AutArch eröffnet hier gänzlich neue Wege. Die Basis bilden Neuronale Netze, die von den Forschenden darauf trainiert wurden, gängige archäologische Objekte wie Gräber, menschliche Überreste, Keramik und Steinwerkzeuge selbstständig zu erkennen, zu analysieren und miteinander in Beziehung zu setzen. AutArch kann gesuchte Daten also nicht nur aufspüren, sondern sie auch kombinieren, um aussagekräftige Informationen zu extrahieren. „Bei der Analyse eines Grabes beispielsweise detektiert die Software den Nordpfeil und den angegebenen Maßstab – und kann daraus die tatsächliche Größe des Grabes und seine Ausrichtung errechnen“, konkretisiert Dr. Maxime Brami, der das Projekt an der JGU leitete. Für Archäologinnen und Archäologen heißt das: Sie können riesige Mengen an antiken Daten, die über verschiedene Publikationen und Museen verteilt sind, automatisch auswerten lassen. So können sie spezifische Fragen zur Vergangenheit beantworten und diese Informationen mit modernen Daten vergleichen – beispielsweise mit 3D-Scans von Artefakten in Museumssammlungen. „Bisher mussten Forschende jede einzelne dieser Informationen manuell extrahieren, Bilder passend ausrichten und neu formatieren“, erklärt Kevin Klein, Softwareentwickler mit Bezug zur JGU und Erstautor der Studie. AutArch automatisiert den gesamten Prozess. Obwohl dafür eine KI zum Einsatz kommt, ist AutArch keine Black-Box: Eine benutzerfreundliche Oberfläche ermöglicht es Forschenden, die automatisch extrahierten Daten zu überprüfen und anzupassen – Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit sind also stets gewährleistet.
Die Software lässt sich breit anwenden und skalieren
AutArch ist skalierbar: Sie kann den Anforderungen des stetig wachsenden Feldes der digitalen Geisteswissenschaften somit gerecht werden. Antoine Muller, Paläolithiker und einer der Autoren der Studie, sagt: „Die Methodik ist auf praktisch jedes Material anwendbar, solange Form, Größe oder Ausrichtung eines Objekts eine technologische, funktionale oder zeitliche Bedeutung haben.“ Die Software lässt sich nicht nur auf jedes Material anwenden, sondern wächst auch mit den steigenden Anforderungen mit. „Diese Entwicklung stellt einen wichtigen Fortschritt bei der Anwendung künstlicher Intelligenz in der archäologischen Forschung dar“, resümiert Brami. „Sie hat das Potenzial, den Datenzugriff und die Datenanalyse grundlegend zu verändern.“
Das AutArch-Projekt ist ein interdisziplinäres Gemeinschaftsprojekt von Informatiker*innen und Archäolog*innen aus ganz Europa. Ralf Lämmel, Informatiker der Universität Koblenz, betreute beispielsweise die Implementierung der maschinellen Lernverfahren und die statistische Validierung der Ergebnisse. Das Projekt wurde von Maxime Brami mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (COMOVE-Projekt) initiiert. Gefördert wurde das Projekt vom Europäischen Forschungsrat im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont 2020 der Europäischen Union (YMPACT-Projekt, vergeben an Volker Heyd).
Erhältlich ist die Open-Source-Software auf Zenodo und GitHub unter folgenden Links
https://zenodo.org/records/15369892
https://github.com/kevin-klein/autarch
Bildmaterial:
https://download.uni-mainz.de/presse/07_iaw_AutArch_abb1.png
Beispiel für die Objekterkennung: Fundstätte Vliněves aus dem 3. Jahrtausend v. Chr., Tschechische Republik. Copyright: Klein et al. 2025.
https://download.uni-mainz.de/presse/07_iaw_AutArch_abb2.png
Wie Verstorbene im Grab ausgerichtet sind, lässt sich automatisch aus Grabzeichnungen ableiten. Beispielsweise wurden Männer und Frauen im dritten Jahrtausend v. Chr. in Mitteleuropa vielfach in entgegengesetzter Richtung bestattet: Dies lässt sich anhand von 100 Schnurkeramikgräbern und 66 Glockenbechergräbern mit Skeletten aus der Tschechischen Republik zeigen, die mit AutArch analysiert wurden. Copyright: Klein et al. 2025.
https://download.uni-mainz.de/presse/07_iaw_AutArch_abb3.png
AutArch kann auch die Umrisse von Artefakten aus Katalogen extrahieren, beispielsweise von Pfeilspitzen. Auf diese Weise ermöglicht die Software verschiedene Formanalysen. Copyright: Klein et al. 2025.
Dr. Maxime N. Brami
Institut für Altertumswissenschaften
Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
Palaeogenetics Group
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 1638630948
Email: mbrami@uni-mainz.de
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0305440325000937
https://doi.org/10.1016/j.jas.2025.106244
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Geschichte / Archäologie, Informationstechnik, Kulturwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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