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Der Echte Mehltau ist ein trickreicher Krankheitserreger: Der Pilz kann Gerste so manipulieren, dass die Zellen des Getreides ihm nicht nur Einlass in die Pflanze gewähren, sondern den Krankheitserreger auch noch mit Nährstoffen versorgen. Ein Forscherteam vom Lehrstuhl für Phytopathologie der Technischen Universität München (TUM) hat jetzt auf molekularer Ebene beteiligte Wege aufgedeckt, auf denen der Pilz das schafft – und wie die Gerste sich dagegen wehren kann. Die Ergebnisse wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift „The Plant Cell“ veröffentlicht.
Auch Pflanzen haben ein Immunsystem, das sie vor Krankheitserregern schützt. Früherkennung von Erregern und anschließende Abwehrreaktionen, vor allem an der Pflanzenzellwand, wirken als Schutzschild. Doch auch die Erreger von Pflanzenkrankheiten haben ihre Waffen: Einige sind in der Lage, die zellwandassoziierte Abwehrreaktion der Pflanzen zu unterdrücken. „Ein besonders raffinierter Angreifer, der Echte Mehltaupilz, kann Zellen sogar so umprogrammieren, dass sie Architektur und Stoffwechsel zu Gunsten des Pilzes anpassen. Dann unterstützt die Pflanze das Einwachsen des eigentlich schädlichen Mehltaupilzes in lebende Pflanzenzellen aktiv und versorgt ihn sogar mit Nährstoffen“, erläutert Prof. Ralph Hückelhoven vom TUM-Lehrstuhl für Phytopathologie. Wie der Mehltau die Pflanze derartig manipulieren kann und welche pflanzlichen Komponenten dabei beteiligt sind, ist noch weitgehend ein Rätsel.
Hückelhovens Forscherteam hat jetzt jedoch einen Baustein zur Entschlüsselung dieses Geheimnisses geliefert. Mit Unterstützung von Kollegen aus Gatersleben, Gießen und Erlangen haben die Weihenstephaner Wissenschaftler zwei Proteine in der Gerste identifiziert, die sich der Echte Mehltaupilz bei seiner „feindlichen Übernahme“ lebender Pflanzenzellen zunutze macht. Die beiden Eiweißstoffe steuern eigentlich gemeinsam Entwicklungsprozesse in der Pflanzenzelle - bei der Gerste sind sie zum Beispiel für das Wachstum von Wurzelhaaren verantwortlich. Das eine Protein, RACB genannt, ist ein molekularer Schalter, der in Pflanzen bei von außen kommenden Signalen eine strukturelle und stoffwechselbezogene Antwort ihrer Zellen einleitet. Zum Beispiel ist es an der Oberflächenvergrößerung der Pflanzenzelle bei Wachstumsprozessen beteiligt. Das andere Protein, MAGAP1 genannt, fungiert als sein Gegenspieler und kann so diese Aktivitäten der Zelle verhindern oder lokal begrenzen.
Die Forscher konnten beobachten, wie das RACB-Protein den Pilz beim Einwachsen in die Pflanze unterstützt. Die Grundfunktion des Proteins, die Vergrößerung der Pflanzenzellmembran, wird zum Einfallstor: Denn RACB fördert die Vergrößerung der Zelloberfläche beim Eindringen des Mehltaupilzes, so dass die Pflanzenzelle hierbei intakt bleibt und der Pilz weiter unterstützt wird. Hückelhovens Team konnte zeigen: Fehlt das Protein, ist die Pflanze weniger anfällig gegen Echten Mehltau. Hückelhoven erklärt:„Der Schadpilz profitiert also von diesem Protein der Gerste. RACB erleichtert es dem Echten Mehltau, seine Ernährungsorgane in die attackierte Zelle einzustülpen, um die Kontrolle über die Gerstenzelle zu übernehmen.“ Die Forscher vermuten, dass der Pilz schon quasi per Fernsteuerung von außen die Kontrolle über die pflanzeneigene Signalkette übernimmt, um dem Pilz die Tür zu den Nährstoffquellen der Pflanze zu öffnen.
Die TUM-Forscher konnten aber auch zeigen, dass die Gerste diesem Trick nicht wehrlos ausgeliefert ist - MAGAP1 kann die Attacke von außen wirksam verhindern. Dieses Gegenspieler-Protein sitzt normalerweise am Zytoskelett der Pflanzenzelle, einem dynamischen Geflecht aus Eiweißfasern, das u.a. für die Zellwandverstärkung zur Verhinderung einer Pilz-Invasion zuständig ist. Bei einer Attacke wandert MAGAP1 jedoch an die Membran der Zelloberfläche, wo es den Anfälligkeitsfaktor RACB abschaltet. Das verhindert dann die Oberflächenvergrößerung der Zelle, die der Pilz benötigen würde, um einzudringen. So schlägt die widerstandsfähige Gerstenzelle dem Echten Mehltau also die Tür vor der Nase zu.
Der Lehrstuhl für Phytopathologie betreibt hauptsächlich Grundlagenforschung. Doch die Wissenschaftler, die gleichzeitig Mitglied im Zentralinstitut Hans-Eisenmann-Zentrum für Agrarwissenschaften der TUM sind, denken bereits in diesem Stadium an den Landwirt: „Vom genauen Verständnis der Krankheitsursachen erhoffen wir uns mittelfristig innovative Ansätze zur Gesunderhaltung von Kulturpflanzen über die Stärkung der natürlichen Immunität“, so Prof. Hückelhoven.
Kontakt:
Technische Universität München
Lehrstuhl für Phytopathologie
Prof. Ralph Hückelhoven
85350 Freising-Weihenstephan
Tel.: 08161 71-3681
Fax: 8161 71-4538
E-Mail: hueckelhoven@wzw.tum.de
http://www.wzw.tum.de/pp/
Bildmaterial:
http://mediatum.ub.tum.de/node?id=1080564
Literatur:
Caroline Hoefle, Christina Huesmann, Holger Schultheiss, Frederik Börnke, Götz Hensel, Jochen Kumlehn, Ralph Hückelhoven (2011): A Barley ROP GTPase ACTIVATING PROTEIN Associates with Microtubules and Regulates Entry of the Barley Powdery Mildew Fungus into Leaf Epidermal Cells. The Plant Cell. Vorab-Publikation online unter www.plantcell.org/cgi/doi/10.1105/tpc.110.082131
Hintergrund:
Das Forschungsprojekt “Microbial reprogramming of plant cell development - RAC/ROP signalling in the interaction of Arabidopsis and barley with powdery mildew fungi” wurde bisher von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 250.000 Euro gefördert.
http://portal.mytum.de/pressestelle/pressemitteilungen/NewsArticle_20110711_1809...
Zytoskelett einer Gerstenzelle, in die gerade ein Schadpilz einzudringen versucht
(Bildquelle: Caroline Hoefle / TUM)
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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