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05.12.2000 12:16

CO2 im Kanon aller Treibhausgase: Neue Datenbasis rückt Treibhaus-Szenario in ein "komplexes Licht"

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    "Kohlendioxid ist ein Treibhausgas, doch allein die CO2- Emissionen zu senken, wird das Klimaproblem nicht lösen", befürchtet Prof. Dr. Ján Veizer. Das System sei zu komplex für einseitige Strategien. Der Beitrag "Evidence for decoupling of atmospheric CO2 and global climate during the Phanerozoic eon" erscheint übermorgen in Nature.

    Bochum, 05.12.2000
    Nr. 345

    CO2 im Kanon aller Treibhausgase
    Wasserdampf ist treibende Kraft im globalen Klimazyklus
    Neue Datenbasis rückt Treibhaus-Szenario in ein "komplexes Licht"

    "Kohlendioxid ist ein Treibhausgas, doch allein die CO2- Emissionen zu senken, wird das Klimaproblem nicht lösen", befürchtet Prof. Dr. Ján Veizer (Lehrstuhl für Sediment- und Isotopengeologie der RUB, Department of Earth Science, University of Ottawa). Das System ist zu komplex für einseitige Strategien. So ist der Kohlendioxidzyklus eng verbunden mit dem Wasserzyklus - und der Wasserdampf stellt sich als dominierende Kraft heraus. Erstmals gestatten Sauerstoffisotopenuntersuchungen jetzt den Blick zurück auf 550 Millionen Jahre: Sie zeigen einen globalen Wechsel von Kaltzeiten und Warmzeiten - aber keinen Bezug zu den geschätzten Kohlendioxid-Konzentrationen.

    Der Beitrag "Jan Veizer, Yves Godderis and Louis M. Francois: Evidence for decoupling of atmospheric CO2 and global climate during the Phanerozoic eon" erscheint in Nature am 7. Dezember 2000

    Grafik im Internet

    Die nebenstehende Grafik zum Szenario eines Eiszeit-Warmzeit-Übergangs können Sie in höherer Auflösung auch im Internet herunterladen unter http://www.ruhr-uni-bochum.de/pressemitteilungen/ (heutiges Datum)

    Sauerstoffisotope: "Die Methode" auch für Jahrmillionensprünge

    Sauerstoffisotope "erzählen" die globale Temperaturgeschichte. Untersuchungen anhand von rund 5000 Proben fossilen Materials (Kalkablagerungen, Sedimente) weltweit zeigen, dass der Wechsel der Temperaturen im früheren Meereswasser klare Auswirkungen auf das nachfolgende Klima hat. Dies steht im Kontrast zu unregelmäßigen, sprunghaften Temperaturen bisheriger Schätzungen anhand von Modellen aus der Klimatologie (AGCM: Atmospheric general circulation model; EBM: energy balance model). Diesen Schätzungen liegen CO2-Gehalte der Atmosphäre früherer Zeiten zugrunde. Neu ist neben der Aussagekraft von Sauerstoffisotopenuntersuchen für sehr große Zeiträume auch die Erkenntnis, dass sich der Warmzeit/Kaltzeit-Wechsel global vollzog, also auch die tropischen Regionen betraf.

    Klimageschichte: zuerst stieg die Temperatur und dann das CO2

    Auch die Formel "CO2-Zunahme = Temperaturerhöhung = Klimawechsel" bestätigt die Klimageschichte nicht. So zeigen auch jüngste Ergebnisse französischer Forscher anhand von antarktischen Eis-Kernen, dass während der klimatischen Übergänge der letzten 500 000 Jahre zunächst der Temperatur-Wechsel eintrat und erst dann ein Wechsel im Kohlendioxidgehalt. In geologischen Zeitskalen war vermutlich nicht das Kohlendioxid der Hauptantrieb des Klimazyklus. Das atmosphärische CO2 scheint eher ein "Symptom" als eine Ursache des Klimas zu sein. Unbestritten bleibt jedoch, dass Kohlendioxid ein Treibhausgas ist - doch seine Rolle als Klimatreiber ist vermutlich begrenzt.

    Nordwälder "schlucken" Kohlendioxid

    Wälder und Böden nehmen CO2 und Wasser auf. Den Nordwäldern wird eine besondere Rolle bei der CO2-Bindung aus der Atmosphäre zugeschrieben. Wie frühere Untersuchungen Veizers im Einzugsgebiet des Ottawa-River - einem Beispiel für Nördliche Wald-Ökosysteme - zeigen, wird durch die Photosynthese wesentlich mehr CO2 aus der Atmosphäre gebunden, als Kohlenstoff über die Spaltöffnungen der Pflanzen wieder freigesetzt wird. Damit scheint das sog. "missing sink" (fehlendes CO2 in der Gesamtbilanz) in den Nordwäldern mit ihrer hohen CO2- Speicherkapazität gefunden. Die Nördlichen Länder leiten aus dieser "Emissions-Einschränkung" auf ihren Territorien einen Anspruch auf die in Kyoto vereinbarten sog. "green credits" ab. Auch auf der letzten Klimakonferenz stand der Ausgleich zwischen Wäldern/Aufforstung und CO2 -Emissionen durch Fossile Brennstoffe, Autos u.a. im Mittelpunkt der Diskussion.

    Ohne Wasser geht nichts

    Doch die Situation ist weitaus komplexer aufgrund des engen Zusammenspiels von Kohlendioxid- und Wasserzyklus über Pflanze, Atmosphäre und Boden. Um ein Molekül CO2 als Kohlenstoff zu binden, muss eine Pflanze fast 1000 Moleküle Wasser transpirieren (WUE: Water-Utilization-Efficiency), d.h. zugleich, es kann der Atmosphäre immer nur soviel CO2 durch die Photosynthese entzogen werden, wie (entsprechend) Wasserdampf zur Verfügung steht. Wenn man berücksichtigt, dass die primäre Photosynthese-Produktionsrate durch Tageslicht, Temperatur und Feuchtigkeit kontrolliert wird und dem Verhältnis von 1000:1 der WUE ein 20:1 Wasserdampf /CO2-Verhältnis der Luft gegenüber steht, dann ist es naheliegend, dass der begrenzende Faktor des Systems das Wasserbudget und nicht das Kohlendioxid ist. Wasser als Schlüssel des Lebens regelt, inwieweit andere Reaktionen überhaupt ablaufen können. Wasserdampf wird für ca. 2/3 des "natürlichen Treibhauses" von 33 C° in Betracht gezogen. Diese dominante Rolle des Wassers muss auch bei dem durch den Menschen verursachten Treibhauseffekt von etwa 0,6 C° vermutet werden.

    Komplexe Wechselwirkungen kontra einseitige Strategien

    Die Wechselwirkungen der Treibhausgase sind vielfältig und wir können kaum abschätzen, welche Folgen einseitiges Eingreifen in das System in der Zukunft haben wird. So liegt zum Beispiel unsere Hoffnung auf dem Energieträger Wasserstoff, ohne zu wissen, wie das Nebenprodukt Wasserdampf das Gesamtsystem beeinflussen würde. Emissionen zu senken, ist und bleibt wichtige Aufgabe, doch sich ausschließlich auf "einen Sündenbock" zu konzentrieren, könnte den Blick verstellen für die Komplexität der natürlichen Prozesse. In der Klima-Diskussion sollte das zukünftig mehr berücksichtigt werden.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Jan Veizer, Department of Earth Science, University of Ottawa, Tel.: (613)562-5800, -6461, email: veizer@science.uottawa.ca


    Bilder

    Szenario eines Eiszeit/Warmzeit-Übergangs
    Szenario eines Eiszeit/Warmzeit-Übergangs

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Elektrotechnik, Energie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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