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09.03.2010 15:16

Der Blick in das Gehirn: Tübinger Neurowissenschaftler zu Gehirn-OPs bei vollem Bewusstsein

Kirstin Ahrens Pressestelle
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)

    Operationen zur Entfernung eines Hirntumors werden in einigen Fällen an wachen Patienten vorgenommen. Dabei erhoffen sich Wissenschaftler nebenher auch Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns. Professor Karnath und sein Team am Zentrum für Neurologie und Hertie-Institut für klinische Hirnforschung im Universitätsklinikum Tübingen wiesen darauf hin, dass die bisher gesammelten Beobachtungen während solcher OPs zum Verständnis der kognitiven Prozesse des Gehirns nur bedingt hilfreich sind. Zwar lässt sich feststellen, wo im Gehirn sich Regionen befinden, die an solchen Prozessen beteiligt sind, aber ihre genaue Funktion lässt sich so bislang nicht entschlüsseln. (Science 05.03.2010)

    Wird ein Gehirntumor bei einem Patienten festgestellt, besteht der erste Behandlungsschritt meist aus der Entfernung der Geschwulst in einer neurochirurgischen Operation. Eine solche Operation ist riskant. Das menschliche Gehirn ist die Steuerzentrale all unseren Erlebens und unserer Reaktionen und eine Schädigung kann zu einer Beschränkung oder gar zu einem Verlust von kognitiven Fähigkeiten führen. Viele und weit über das Gehirn verteilte Regionen tragen für uns wichtige Funktionen wie zum Beispiel die Sprache, das Gedächtnis, das Erkennen von Gegenständen und vieles mehr. Muss eine Geschwulst in der Nähe solcher Regionen entfernt werden, sind Operationen am wachen Patienten mit umfangreicher Testung der kognitiven Hirnfunktionen während des Eingriffs möglich. Im Verlauf einer solchen Operation ohne Vollnarkose unterhalten sich die Ärzte während des Eingriffs am Gehirn mit dem Patienten oder zeigen Gegenstände, die es zu erkennen und zu benennen gilt. So können die Operateure sofort erkennen, ob sie während der Entfernung des Tumors wichtige und bislang gesunde Strukturen stören. So bleiben dem Patienten Sprach- und Sehstörungen, Lähmungen oder Wesensveränderungen erspart.

    Eine solche Operation ist nicht nur für den Patienten segensreich, sondern erlaubt auch (ganz nebenbei) neue Einblicke in die Funktionsweise unseres Gehirns.
    So dachten Gehirnforscher jedenfalls bisher. Beobachtungen, die bei solchen Operationen gemacht wurden, dienten auch dazu, genaue Aussagen und Modelle darüber zu formulieren, welche spezielle Rolle einzelne Hirnregionen im Konzert mit anderen Regionen innehaben bei Prozessen wie zum Beispiel der Sprache oder der Planung von Bewegungen. In einer Online Vorab-Veröffentlichung der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science weist der Tübinger Neurologe Professor Dr. Dr. Hans-Otto Karnath zusammen mit seinen Kollegen Svenja Borchers und Marc Himmelbach nun darauf hin, dass die bei diesen Operationen gesammelten Beobachtungen für das Verständnis der kognitiven Prozesse selbst nur bedingt hilfreich sind. Zwar lässt sich feststellen, wo im Gehirn sich Regionen befinden, die an solchen Prozessen beteiligt sind, die Funktion selbst aber, das heißt, das Verständnis, wie wir unsere Sprache benutzen, um miteinander zu kommunizieren, wie Vergangenes im Gedächtnis gespeichert und dann wieder abgerufen werden kann oder wie verschiedenste Wahrnehmungen, Gefühle, Absichten oder Gedanken unser Verhalten beeinflussen, lassen sich auf diese Weise leider bislang nicht genau erhellen.
    Das mag die Neurowissenschaftler enttäuschen; den Patienten kann es aber egal sein. Schließlich werden diese Eingriffe nicht um der Forschung willen gemacht, sondern dienen allein dem Erhalt solcher Fähigkeiten während einer Gehirnoperation. "Aber auch die Neurowissenschaftler gehen am Ende nicht ganz leer aus", sagt Professor Karnath. "Wenn die Erfahrungen aus den Wach-Operationen mit Ergebnissen aus der Anwendung anderer Methoden, wie zum Beispiel der funktionellen Bildgebung oder auch der Untersuchung von neurologischen Patienten mit Schlaganfällen, kombiniert werden, ergibt sich daraus oft ein Gesamtbild, das auch den Wissenschaftlern neue Einblicke in die Funktionsweise unseres Gehirns erlaubt."

    Originaltitel der Publikation: Comment on "Movement Intention After Parietal Cortex Stimulation in Humans"
    Autoren: Hans-Otto Karnath, Svenja Borchers, Marc Himmelbach
    Science advance online publication 05.03.2010 http://www.sciencemag.org/cgi/reprint/327/5970/1200-c.pdf
    DOI: 10.1126/science.1183735

    Kontakte:
    Universitätsklinikum Tübingen, Sektion Neuropsychologie,
    Zentrum für Neurologie
    Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)
    Prof. Dr. Dr. Hans-Otto Karnath
    Tel.: 0 70 71/29-8 04 76 (Sekretariat), Fax: 0 70 71/29-59 57
    E-Mail: Karnath@uni-tuebingen.de

    Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)
    Externe Pressestelle:
    Kirstin Ahrens
    Tel.: 07073-500 724, Mobil: 0173 - 300 53 96
    Mail : mail@kirstin-ahrens.de

    Universitätsklinikum Tübingen
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Ellen Katz
    Telefon: 07071-2980112
    Mail: ellen.katz@med.uni-tuebingen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medizin
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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