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06.10.2010 12:03

Dauerthema Migräne: Auslöser vermeiden ist falsch

Meike Drießen Pressestelle
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS)

    Deutscher Schmerzkongress 2010: Neue Methoden gegen ein altes Problem

    „Schokolade verursacht Migräne“ – mit Märchen wie diesem räumen Spezialisten beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim (06. – 10. Oktober 2010) auf. Unter dem Motto „Visionen und Irrtümer“ diskutieren Wissenschaftler neue Erkenntnisse: Migräne-Patienten sollten bekannte Auslöser nicht meiden – das macht die Sache nur schlimmer. Und nicht nur Medikamente helfen. Wissenschaftlich anerkannt sind auch Entspannung, Verhaltenstherapie und Biofeedback. Veranstaltet wird der Kongress von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes.

    Irrtum: Migräneauslöser meiden

    „Oft waren es gerade die Irrtümer, die zu Visionen und damit zu besseren Behandlungsmöglichkeiten geführt haben“, stellt Kopfschmerzexperte Prof. Dr. Peter Kropp (Rostock), Kongresspräsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, fest. Ein Beispiel ist die irrtümliche Annahme, dass es besser wäre Migräneauslöser zu meiden. Weil man weiß, dass ein Glas Sekt oder Wein einen Migräneanfall bewirken könnte, verzichtet man lieber darauf. Neue Studien zeigen aber: Das Vermeiden von Migräne-Auslösern verstärkt die Symptome – es kommen immer mehr Auslöser hinzu. „Patienten sollten besser lernen, mit diesen so genannten Triggerfaktoren umzugehen“, erklärt Prof. Kropp. Denn man kann „den Kopf“ an die Migräneauslöser gewöhnen. „Löst Rotwein Migräne aus, sollten Patienten zum Beispiel ruhig ab und zu ein Glas trinken. Das funktioniert auch mit homöopathischen Dosen, also stark verdünnt.“

    Irrtum: Schokolade oder Streit lösen Migräne aus

    Schokolade und andere Süßigkeiten werden immer wieder als Auslöser für Migräneattacken genannt. Der Hintergrund: Bis zu 70 Prozent der Patienten berichten, dass sie vor der Migräne Heißhunger auf Süßes erleben. Eine Studie hat nun gezeigt, dass die Süßigkeiten nicht Auslöser sind. Die Lust darauf ist lediglich ein Signal für den bevorstehenden Anfall. Der Grund ist einfach: „Das Hirn benötigt Energie für die kommende Attacke“, so Prof. Kropp. Auch der Partnerschaftsstreit wurde zu Unrecht als Verursacher verdächtigt. Wissenschaftler haben festgestellt, dass Paare vor der Migräne eher miteinander streiten. Da vor der Migräne aber auch Gereiztheit, Nervosität, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen häufig auftreten, vermuten sie, dass der Patient kurz vor dem Anfall die Äußerungen des Gesprächspartners zu sehr „auf die Goldwaage legt“ und so den Streit mit herbeiführt.

    Irrtum: Kürzere Gymnasialzeit sorgt für mehr Kopfschmerz

    Die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre (G9 beziehungsweise G8) hat für eine heftige Debatte über potenzielle gesundheitliche Belastungen der Schüler gesorgt. „Wir haben deshalb im Winter 2008/2009 über 1.200 Schüler an Münchner Gymnasien des ersten G8- und des letzten G9-Jahrgangs über ihren Gesundheitszustand und ihre Lebensumstände befragt“, sagt Prof. Dr. Andreas Straube von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Die gute Nachricht: Es gibt keine nachweisbaren Unterschiede zwischen den Jahrgängen bei der Häufigkeit von Kopfschmerzen oder anderen körperlichen Beschwerden. Die schlechte: Der Gesundheitszustand der Schüler ist allgemein besorgniserregend. Die Befragten beider Testgruppen gaben als häufigste gesundheitliche Beschwerden Kopfschmerzen (83,1 Prozent), Kreuz- oder Rückenschmerzen (47,7 Prozent), übermäßiges Schlafbedürfnis (45,6 Prozent) sowie Nacken- und Schulterschmerzen (45,0 Prozent) an. Experten sehen darin ein Zeichen für eine generell ungesunde Lebensweise und raten zu mehr körperlicher Aktivität und ausreichend Schlaf.

    Was hilft: Neuer Wirkstoff gegen Migräne

    Bei der Entstehung einer Migräne-Attacke spielt ein bestimmtes Protein – Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) – eine Schlüsselrolle. Es führt unter anderem dazu, dass sich Blutgefäße im Gehirn erweitern. Stoffe, die die Wirkung von CGRP hemmen, sollten daher die Entstehung einer Migräne-Attacke bremsen können. Aktuelle Studien haben das jetzt bestätigt. Der Wirkstoff Telcagepant hat sich dabei als ebenso wirksam erwiesen wie die gängigen Triptane, die häufig gegen Migräne eingesetzt werden. Der neue Wirkstoff schaltete die Schmerzen sogar tendenziell länger aus als Triptane.

    Was hilft: Nicht nur Medikamente

    Gegen Migräne helfen nicht nur Medikamente. So ist zum Beispiel die progressive Muskelentspannung nach Jacobson inzwischen grundlegender Bestandteil vieler Schmerz- und Stressbewältigungsprogramme. Sie senkt das Aktivierungsniveau für Attacken. Denn Entspannungstechniken reduzieren die Empfindlichkeit für akute Schmerzreize einerseits und aktivieren andererseits Hirnbereiche, die für die Schmerzdämpfung zuständig sind. Außerdem werden so Angstzustände abgebaut, was wiederum die Schmerztoleranz erhöht.

    Was hilft: Verhaltenstherapie gegen Schmerzen

    Die so genannte kognitive Verhaltenstherapie zielt auf die Veränderung der psychischen Einstellung des Patienten und das damit verbundene Körpererleben. Der Patient soll lernen, die schmerzbezogene Belastung und die Begleiterscheinungen zu bewältigen. Kognitive Ansätze helfen, flexibler und effektiver mit Schmerzen umzugehen. Dazu gehört insbesondere der Umgang mit negativen Stimmungen. „Diese Form der Psychotherapie ist ein gutes Mittel gegen Schmerzzustände– es wirkt zwar nicht so schnell wie ein Schmerzmedikament, dafür aber nachhaltiger“, erklärt Prof. Kropp.

    Was hilft: Biofeedback bei der Kopfschmerzbehandlung

    Biofeedback ist ein wissenschaftliches Verfahren, mit dessen Hilfe normalerweise unbewusst ablaufende psychophysiologische Prozesse durch Rückmeldung (feedback) wahrnehmbar gemacht werden. Körperliche Prozesse, zum Beispiel Blutdruck oder die Atemfrequenz, werden elektronisch gemessen und dem Patienten über ein Signal zurückgemeldet. Der Patient wendet diese Signale an, um zum Beispiel Kontrolle über die Muskelspannung oder das Erregungsniveau – beide sind eng mit Schmerzzuständen verbunden – zu gewinnen und zu verändern. Das Biofeedback-Training hat sich als sehr wirkungsvoller Baustein verhaltenstherapeutischer Schmerzbehandlung erwiesen.

    Link-Tipps

    Anleitung für ein Entspannungstraining auf den Webseiten der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft: http://www.dmkg.de
    Biofeedback-Therapeuten im Internet: http://www.dgbfb.de
    Alle Infos zum Schmerzkongress: http://www.schmerzkongress2010.de

    Ansprechpartner

    Prof. Dr. Peter Kropp, Kongresspräsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft DMKG, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie im Zentrum für Nervenheilkunde Medizinische Fakultät der Universität Rostock Gehlsheimer Straße 20, 18147 Rostock, Tel.: 0381/494-9530, peter.kropp@med.uni-rostock.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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