Europa und der Islam teilen eine wechselvolle Geschichte, die durch historische Kontakte vor allem an Europas Südwest- und Südostflanken geprägt ist. Der Islam diente Europa Jahrhunderte lang als diskursives Anderes. Europäische Christen grenzten sich ideologisch und kriegerisch vom Islam ab, gleichzeitig aber hat kaum eine fremde Kultur die europäische Geistes- und Kunstgeschichte stärker beeinflusst als die muslimische. Diese kulturgeschichtlich begründete Konstellation wirkt bis heute fort. Sie hat sich durch die Arbeitsmigration des vergangenen halben Jahrhunderts nicht nur zugespitzt, sondern gleichsam eine neue Qualität erhalten. Der Kontakt mit dem Islam ist von den geografischen Peripherien Europas ins Herz der europäischen Großstädte gewandert. Äußerliche Kennzeichen dieses Prozesses sind Döner und Kopftuch, doch seine Folgen reichen viel weiter: Von der Auseinandersetzung mit dem Islam sind viele Bereiche geprägt, von der Schulpolitik und der bildenden Kunst bis zur Rechtsprechung und Wirtschaftsordnung.
Beim Aufeinandertreffen Europas mit seinem muslimischen Anderen ergeben sich viele kulturelle Impulse, Fragen und Probleme. Der Begriff der Autorität scheint dem Jungen Kolleg dabei auf ganz unterschiedlichen Feldern dieses Kontakts bedeutsam zu sein: Welches ist die Autorität, auf die sich in einem Gemeinwesen alle einigen können? Können religiöse Autoritäten ihren Wahrheitsanspruch aufrechterhalten und doch den Anderen dulden? Wie wird Autorität in kulturellen Prozessen konstruiert und festgeschrieben?
Mit diesen Fragen wollen sich die Kollegiaten in interdisziplinärer Diskussion auseinandersetzen. Dies geschieht in thematisch gegliederten Sektionen, die den Arbeitsbereichen der Organisatorinnen und Organisatoren der Tagung entsprechen. Beiträge von ausgewiesenen Experten des jeweiligen Themengebiets aus dem In- und Ausland werden hier zusammen mit den Arbeitsergebnissen der Kollegiaten diskutiert.
Den Auftakt (Freitag, 05.05.09 ab 14 Uhr) wird eine Sektion zu aktuellen juristischen und rechtsphilosophischen Aspekten des Kontakts mit dem Islam bilden. Andreas Funke (Öffentliches Recht, Köln) und Karl-Heinz Ladeur (Öffentliches Recht, Hamburg/Bremen) widmen sich dem Verhältnis von staatlicher, rechtlicher und religiöser Autorität. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie Kollisionen zwischen westlicher Rechtsordnung und islamischem Recht gelöst oder jedenfalls lösbar gemacht werden können.
Das folgende Panel (ab 16 Uhr) beleuchtet die theologische Auseinandersetzung zwischen den Konfessionen und Kulturen der Gegenwart. Rotraud Wielandt (Arabistik, Bamberg), Klaus von Stosch (Katholische Theologie, Paderborn) und Mohammad Mojtahed Schabestari (Islamische Theologie, Teheran) diskutieren über das Verhältnis von Vernunft und Glauben, zum einen in theologischer Hinsicht, zum anderen im Spannungsfeld sich modernisierender islamisch geprägter Gesellschaften.
Das dritte Panel (Samstag, 06.06.09 ab 10 Uhr) ist dem historisch-literarischen Aspekt der Fragestellung gewidmet. Nedret Kuran-Burço?lu (Türkische und Europäische Literatur, Istanbul), Anja Bettenworth (Klassische Philologie, Münster) und Mirja Lecke (Slavistik, Münster/Bochum) setzen sich mit der Schilderung muslimisch-christlicher Begegnungen in der Literatur der Barockzeit auseinander, wobei deutsche, lateinische und polnische Texte und Kontexte Berücksichtigung finden. In literarischen Texten war der Konflikt mit den "Türken" wohl kaum je ein Thema von so aktueller Bedeutung wie im 17. Jahrhundert, auf dem Höhepunkt der militärischen Konfrontation zwischen dem Osmanischen Reich und dem Westen.
Ausgehend von diesen drei fachlich begründeten Fragekomplexen will das Junge Kolleg den Anstoß zu einem Gespräch über die Disziplingrenzen hinweg geben. Das Kolleg empfindet es als Herausforderung, sich einerseits auf die Frage- und Diskussionskulturen der einzelnen Fächer einzulassen, andererseits dabei aber die übergreifende Natur der jeweiligen Forschungsinteressen nicht aus dem Auge zu verlieren. Schließlich teilen die Beiträge das Interesse am Islam als Europas Anderem. Sie wollen zu einem konstruktiven Kontakt unter den Kulturen beitragen und nach Chancen suchen, Europa neu zu denken.
Hinweise zur Teilnahme:
Um vorherige Anmeldung per Telefon, Fax oder Email wird gebeten.
Termin:
05.06.2009 ab 13:30 - 06.06.2009 13:00
Veranstaltungsort:
Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste
Karl-Arnold-Haus
Palmenstraße 16
40217 Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Deutschland
Zielgruppe:
jedermann
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Recht, Religion
Arten:
Eintrag:
25.05.2009
Absender:
Robert Kekez
Abteilung:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event27459
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