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02.03.2005 09:33

Alter Galaxienhaufen im jungen Universum entdeckt

Dr. Frank Stäudner Kommunikation
Leibniz-Gemeinschaft

    Bei der Analyse zahlreicher Aufnahmen des ESA-Röntgensatelliten XMM-Newton
    sind Wissenschaftler des Astrophysikalischen Instituts Potsdam (AIP) in
    Zusammenarbeit mit einem internationalen Forscherteam auf den am weitesten
    entfernten Galaxienhaufen gestoßen, der bisher im Röntgenbereich entdeckt
    wurde. Genauere Untersuchungen haben ergeben, dass sich das Objekt in einer
    Entfernung von etwa neun Milliarden Lichtjahren von der Erde befindet und
    die Masse von etwa 1000 Milchstraßen besitzt. Mit dieser Entdeckung wurde
    gezeigt, dass sich bereits in einer frühen Epoche des Universums derartig
    massereiche Strukturen entwickeln konnten.

    Galaxienhaufen bestehen aus mehreren hundert oder sogar tausenden Galaxien,
    die allein durch ihre Schwerkraft aneinander gebunden sind. Die eigentliche
    Masse des Galaxienhaufens machen jedoch nicht die Galaxien selbst aus,
    sondern die nicht leuchtende "Dunkle Materie" und heißes Gas, das sich
    zwischen den Galaxien befindet. Dieses Gas, das die Masse der sichtbaren
    Galaxien um etwa das Fünffache übertrifft, strahlt aufgrund seiner hohen
    Temperaturen von bis zu 100 Millionen Grad hauptsächlich im Röntgenbereich.
    Deshalb lassen sich Haufen verhältnismäßig leicht auf Röntgenaufnahmen des
    Himmels als diffuse, neblig leuchtende Flecken nachweisen.
    Eben dieses Röntgenlicht haben Astrophysiker des AIP auf Aufnahmen des
    Röntgenobservatoriums XMM-Newton der ESA entdeckt. "Mit der am AIP
    entwickelten Software haben wir Röntgenaufnahmen auf der Suche nach solchen
    Nebelflecken durchmustert, wobei 200 Felder mit einer Nettobeobachtungszeit
    von 70 Tagen untersucht wurden", sagt Dr. Axel Schwope, Teamleiter am AIP.
    Bei Untersuchungen einer nahen Galaxie tauchte im Gesichtsfeld eine derartig
    diffus leuchtende Lichtquelle auf. Aus dieser Richtung wurden bei einer über
    zwölfstündigen Messung nur 280 Photonen gezählt, im Schnitt also alle
    zweieinhalb Minuten ein Lichtteilchen. Diese extrem geringe Strahlung galt
    als erstes Indiz für die große Entfernung der Quelle.
    Nachfolgende Beobachtungen wurden mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO
    in Chile in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der University of Michigan,
    des MPE (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik) und der ESO
    (European Southern Observatory) im roten und nahinfraroten Spektralbereich
    durchgeführt. Sie zeigten eine Ansammlung von Galaxien mit einer auffällig
    roten Färbung am Ort des Röntgennebels. Mit weiteren detaillierten
    VLT-Aufnahmen konnte auf eine Rekordrotverschiebung und damit
    Rekordentfernung von neun Milliarden Lichtjahren geschlossen werden. Die
    Masse des Haufens wurde auf ungefähr 1000 Milchstraßen abgeschätzt und ist
    damit vergleichbar mit den großen Galaxienhaufen im heutigen Universum.
    Die Rotverschiebung wird durch die Expansion des Universums hervorgerufen
    und ist nicht nur ein Maß für Entfernung eines Objektes, sondern auch für
    den Blick in die Vergangenheit. Aufgrund der endlichen Geschwindigkeit des
    Lichtes lassen sich astronomische Objekte nur in dem Zustand beobachten, in
    dem sie das Licht zur Erde aussandten. Die Rotverschiebung der entdeckten
    Röntgenquelle entspricht einer Entfernung von 9 Milliarden Lichtjahren. Man
    sieht den Galaxienhaufen folglich so, wie er vor 9 Milliarden Jahren aussah,
    also zu einer Epoche, als das Universum erst ein Drittel seines heutigen
    Alters hatte. Da offensichtlich bereits zu dieser frühen Zeit die Struktur
    des Galaxienhaufens vollständig ausgeprägt war, handelt es sich
    gewissermaßen um einen alten Galaxienhaufen im jungen Universum.
    Die Entdeckung eines solchen Galaxienhaufens ist für die Astrophysik wie für
    die Archäologie die Entdeckung einer Großstadt mit vollständig ausgebildeter
    Infrastruktur im Altertum. "Wenn man weitere solcher "Großstädte" in dieser
    frühen kosmologischen Epoche findet und eine Art "Volkszählung" durchführt,
    kann man Rückschlüsse auf die Strukturbildung im Universum ziehen. Auf der
    Suche nach weiteren Röntgennebeln werden wir noch zahlreiche Beobachtungen
    von XMM-Newton analysieren ", erklärt Dr. Georg Lamer, Wissenschaftler am
    AIP.

    Quelle:
    Discovery of an X-ray-luminous galaxy cluster at z = 1.4,
    C.R. Mullis, P. Rosati, G. Lamer, A. Schwope, P. Schuecker and R.
    Fassbender,
    The Astrophysical Journal, im Druck

    Bildmaterial unter:
    http://www.aip.de/highlight_archive/lamer_cluster/

    Bei Veröffentlichung bitte ein Belegexemplar senden an:

    Astrophysikalisches Institut Potsdam
    Stephanie Scholz
    An der Sternwarte 16
    14482 Potsdam

    Kontaktadressen:

    Dr. Georg Lamer , Tel: 0331 - 7499 - 287, Mail: glamer@aip.de
    Dr. Axel Schwope, Tel: 0331 - 7499 - 232, Mail: aschwope@aip.de
    Astrophysikalisches Institut Potsdam
    An der Sternwarte 16
    14482 Potsdam

    Dr. Hans Böhringer, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik,
    Garching
    Dr. Piero Rosati, European Southern Observatory, Garching
    Dr. Chris Mullis, University of Michigan, Ann Harbor, USA

    Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören das AIP und 83 weitere außeruniversitäre Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten interdisziplinär und verbinden Grundlagenforschung mit Anwendungsnähe. Sie pflegen intensive Kooperationen mit Hochschulen, Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Das externe Begutachtungsverfahren der Leibniz-Gemeinschaft setzt Maßstäbe. Jedes Leibniz-Institut hat eine Aufgabe von gesamtstaatlicher Bedeutung. Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 12.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und haben einen Gesamtetat von 950 Millionen Euro.


    Weitere Informationen:

    http://www.aip.de/highlight_archive/lamer_cluster/ - Bildmaterial
    http://www.aip.de - Institutshomepage


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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