Ein Team von Wissenschaftlern des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) hat das erste Krankheitsgen für die Sarkoidose entdeckt. Ein einziger veränderter Gen-Buchstabe im Erbgut erhöht das Risiko für diese entzündliche Krankheit um 60 Prozent.
"Nach vier Jahren harter Arbeit ist es uns gelungen, einen der wesentlichen Veranlagungsfaktoren für die Entstehung der Sarkoidose zu finden", freut sich Professor Stefan Schreiber vom Kieler Campus des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH).
Schätzungen zufolge sind in Deutschland mindestens 30.000 Menschen an Sarkoidose erkrankt. Experten rechnen jedoch mit einer hohen Dunkelziffer, da die unspezifischen Beschwerden eine Diagnose erschweren. Die Entzündungs-Krankheit führt zur Ansammlung von Zellen des Immunsystems. Dadurch bilden sich kleine Knötchen, so genannte Granulome. Dort wo sie entstehen, stören sie die Funktion der jeweiligen Organe. Neben allgemeinen Entzündungserscheinungen (Husten, Fieber, Müdigkeit) können deshalb auch Gelenkschmerzen, Atemnot, Herzrhythmusstörungen, Lähmungen, Seh- und Hörstörungen sowie Einschränkungen der Nieren- und Leberfunktion auftreten.
Bei der Suche nach den genetischen Ursachen der Sarkoidose feierten die Forscher bereits 2001 ihren ersten großen Erfolg. "Damals lagen uns konkrete Hinweise vor, dass die genetische Veränderung auf einem Abschnitt des Chromosoms 6 liegen muss", erklärt Dr. Manfred Schürmann von der Universität Lübeck. "Wir haben die Spur weiterverfolgt und jetzt das erste Sarkoidose-Krankheitsgen entdeckt. Es trägt eine veränderte Bauanleitung für das Eiweiß BTNL2, das in Zellen des Immunsystems vorkommt", ergänzt Dr. Jochen Hampe, ein Wissenschaftler im Team von Prof. Stefan Schreiber. BTNL2 beeinflusst eine Entzündungsreaktion, die bestimmte weiße Blutkörperchen aktiviert. Durch den Austausch eines einzigen Gen-Buchstabens fehlt BTNL2 eine Region, mit der es normalerweise in der Zellhülle verankert ist. Ohne diese Verankerung kann das Eiweiß seine Funktion nicht mehr erfüllen und das Abwehrsystem des Körpers gerät aus dem Gleichgewicht. Ist eine der beiden BTNL2-Kopien verändert, steigt das Krankheitsrisiko um 60 Prozent an. Wenn beide Genkopien betroffen sind, verdreifacht sich die Wahrscheinlichkeit an Sarkoidose zu erkranken sogar. Für seine Arbeiten zur Aufklärung der Sarkoidose-Ursachen erhielt Hampe 2004 den Theodor-Frerichs-Preis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.
"Bei dem Sarkoidose-Projekt hat die Kieler Genotypisierungsplattform am neu gegründeten Institut für klinische Molekularbiologie mit dem Lübecker Institut für Humangenetik am UKSH, dem Forschungszentrums Borstel, dem Institut für Molekulare Biotechnologie in Jena und der Abteilung Pneumologie der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg eng zusammengearbeitet", erzählt Schreiber. "Dieser vom Nationalen Genomforschungsnetz eingeschlagene Weg, Mediziner und Genomforscher zusammenzuführen, ist hoch effizient. Nur durch die enge Verbindung von modernster Molekularbiologie und Patientenversorgung stehen die Informationen zur Verfügung, die die Medizin braucht, um Krankheiten in Zukunft erfolgreich therapieren zu können." Als Sprecher des NGFN- Projektkomitees ist er sehr zufrieden, dass hier eine deutsche Gruppierung die internationale Konkurrenz überholt hat. "Die Entdeckung des BTNL2-Gens ist ein Durchbruch für die klinische Forschung zur Sarkoidose", meint auch Prof. Müller-Quernheim, Lungenspezialist der Universitätsklinik Freiburg "Unser Fernziel, den Verlauf und den Therapieerfolg der Krankheit vorherzusagen, ist dadurch näher gerückt." Bis zur Entwicklung neuer Behandlungsformen werden aber noch einige Jahre vergehen. Allerdings hoffen die Wissenschaftler, die Sarkoidose mithilfe der neuen Forschungsergebnisse schon bald besser erkennen zu können.
Die Forschungsergebnisse zur Entdeckung von BTNL2 als Krankheitsgen für Sarkoidose erscheinen in der Fachzeitschrift "Nature Genetics" (advance online Publikation am 27.02.2005 unter http://www.nature.com/naturegenetics/).
Weitere Informationen:
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oder im Internet:
o http://www.ngfn.de
Homepage des Kieler Institutes für klinische Molekularbiologie
o http://www.ikmb.uni-kiel.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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