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14.04.2005 16:05

Hören ohne zu verstehen: Störung an Synapsen im Innenohr

Stefan Weller Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen

    Göttinger Forscher beschreiben im Wissenschaftsmagazin "nature" den Mechanismus einer "auditorischen Synaptopathie" im Tiermodell

    (ukg) Gesprochene Sprache zu verstehen ist mehr als nur Hören. Bevor das Gehirn den Sinn gesprochener Sprache erfassen kann, muss das Innenohr die Höreindrücke mit höchster zeitlicher Präzision in Nerven-signale umwandeln. Forscher des Bereichs Humanmedizin der Universität Göttingen beschreiben jetzt im Tiermodell einen Innenohr-Defekt, bei dem die zeitgenaue Kodierung von Höreindrücken in Nerven-signale gestört ist (Khimich et al., Nature. April 14, 2005). Die Ergebnisse erweitern das Verständnis für bestimmte Hörstörungen beim Menschen, bei denen Sprachverständnis und Richtungshören eingeschränkt sind, obwohl Höreindrücke wahrgenommen werden.

    Eine Störung der Schallkodierung an den Synapsen (Kontaktstellen) in den inneren Haarzellen der Hörschnecke verursacht die Schwerhörigkeit der in Göttingen untersuchten Mäuse. Die Ergebnisse von Prof. Dr. Tobias Moser und seinem Team aus dem InnenOhrLabor der Abteilung Hals- Nasen- Ohrenheilkunde (Direktor Prof. Dr. Wolfgang Steiner) am Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen erscheinen jetzt im Wissenschaftsmagazin "Nature". Zusammen mit Forschern aus Göttingen, Magdeburg und Montpellier untersuchten die Wissenschaftler Mäuse mit einer Mutation (Gendefekt) in dem Gen für das Protein "Bassoon". Ohne funktionelles Bassoon ist die zeitgenaue Umwandlung von Schallreizen in Nervensignale an den Synapsen zwischen inneren Haarzellen des Innenohrs und dem Hörnerv gestört.

    Auch beim Menschen sind Hörstörungen beschrieben worden, die durch Defekte in der synaptischen Schallverarbeitung oder in der Erregungsleitung in den Hörnerven entstehen. "Die Betroffenen haben größte Schwierigkeiten, gesprochene Sprache zu verstehen, weil sie Höreindrücke zeitlich nicht ordnen können. Hörgeräte helfen hier meist nicht weiter. Mit den "Bassoon-Mäusen" steht uns nun ein Tiermodell mit definierter synaptischer Störung zur Verfügung. Dies ermöglicht uns ein besseres Verständnis der wenig verstandenen Krankheitsgruppe der auditorischen Synaptopathien und Neuropathien", sagt Prof. Moser.

    Die "Bassoon-Mäuse" sind mittelgradig schwerhörig, obwohl die äußeren Haarzellen im Innenohr der Tiere normal funktionieren. Als Ursache für die Hörstörung erwies sich ein struktureller Defekt an den Synapsen der inneren Haarzellen des Innenohrs. Den Mäusen fehlt das so genannte "synaptische Band" an den Synapsen der inneren Haarzellen, ein mit Bläschen behafteter Proteinkomplex mit noch unverstandener Funktion. Die Wissenschaftler haben nun erstmals die Rolle des synaptischen Bandes für das Hören direkt untersucht. Anders als vermutet, fanden sie eine selektive Störung der schnellen Transmitterfreisetzung der Haarzellen und damit der synchronen Erregung des Hörnervs. Die Forscher vermuten, dass eine solche Störung der zeitlich präzisen Schallkodierung sowohl Richtungshören als auch Sprachverstehen (beim Menschen) beeinträchtigt.

    Prof. Dr. Tobias Moser und sein Team untersuchte die auditorische Synaptopathie der "Bassoon-Mäuse" in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg, dem Max Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie in Göttingen und der Université Montpellier (Frankreich).

    Tobias Moser ist Professor für experimentelle und klinische Audiologie und leitet seit 2001 das InnenOhrLabor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen. Er ist Mitglied im Göttinger Center for Molecular Physiology of the Brain und dem kürzlich in eingerichteten Bernstein Center for Computational Neuroscience Goettingen. Die Forschungsarbeiten seiner Arbeitsgruppe werden unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Max Planck-Gesellschaft (Tandemprojekt), dem Human Frontier Science Program, der Europäischen Kommission ("EuroHear-Projekt") und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

    Weitere Informationen:

    Universität Göttingen - Bereich Humanmedizin
    Abt. Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
    Prof. Dr. Tobias Moser
    Robert-Koch-Str. 40
    37075 Göttingen
    Tel. 0551/39 -8968
    E-Mail: tmoser@gwdg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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