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29.12.2005 11:41

Johann Heinrich Zedler und die größte Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Artikelangebot zum 300. Geburtstag von J. H. Zedler am 7. Januar 2006

    Er gehört heute zu den großen Unbekannten der deutschen Aufklärung, und war doch einer ihrer wichtigsten Urheber: Heute vor 300 Jahren wurde Johann Heinrich Zedler in Breslau geboren; er starb 1751 in Leipzig, wo er seine größte Wirkung entfaltete. Neben einer Lutherausgabe und einer Weltchronik ist es vor allem das "Grosse vollständige Universal-Lexicon", das für uns als Denkmal einer Epoche gelten kann, die das Wissen so weit wie möglich streuen wollte.


    Dieses größte Buchprojekt aller Zeiten versammelt auf 68.000 Seiten fast 290.000 Artikel. Es faßt das ganze Wissen des Gutenbergzeitalters zusammen und ist der Prototyp der allgemeinbildenden Lexika, die wir unter Namen wie Meyer oder Brockhaus bis heute kennen.
    Zedler war einundzwanzig Jahre jung, als er nach Leipzig kam, und drei Jahre später versetzte er die hier etablierten Verleger in ungläubiges Staunen, als er ein universales Lexikon ankündigte, das mehr bringen sollte als die historischen und geographischen, die biographischen und die wissenschaftlichen Enzyklopädien, die es bereits gab. Man fürchtete (nicht ganz zu Unrecht), daß hier jemand im großen Stile abschreiben wollte, und man beschäftigte die Leipziger Bücherkommission mit dem Fall, ließ sogar den ersten Band 1731 konfiszieren. Ab 1732 aber wurde dann (zunächst in Halle mit preußischem Privileg) gedruckt, 1738 kam das sächsische Privileg dazu. Damals war das Lexikon beim Buchstaben "L" angelangt und hatte schon 18 Bände hinter sich. Wer sollte den Rest des Alphabets bezahlen? Den Subskribenten waren 12 Bände versprochen worden, was bei nur 2 Reichstalern pro Band insgesamt teuer, aber doch erschwinglich war. Aber "Z" war noch über 40 Bände weit weg!
    Der Moment der Krise brachte auch die Rettung: Zedler holte sich Geld bei einem befreundeten Kaufmann und verpflichtete den Leipziger Philosophieprofessor Karl Günther Ludovici (gerade 30 Jahre alt) als neuen Herausgeber. Dieser führte schnell Neuerungen ein: ein paar Abbildungen lockerten den Text auf (etwa bei "Luftpumpe"), bessere Quellennachweise informierten die Leser, vor allem aber: lebende Personen wurden aufgenommen. Der Zufall war günstig, und Ludovici selbst konnte sich als einer der ersten Zeitgenossen im Lexikon selber beschreiben. Es kamen am Ende über 100.000 Personen ins Lexikon, darunter viele, die aus Zeitungen und Zeitschriften bekannt waren. Das "Universal-Lexicon" wurde so zum Spiegel der adeligen und bürgerlichen Gesellschaft Mitte des 18. Jahrhunderts. Biographische Informationen suchen auch die meisten derjenigen, die das Werk heute online benutzen (www.zedler-lexikon.de).
    Es gibt nichts, was nicht im "Zedler" steht, wie das Werk von Historikern kurz genannt wird. Manches findet man nicht so schnell, weil die Schreibweise abweicht ("China" steht unter "Sina") oder der Sinn geändert ist ("Wissenschaft" ist ein juristischer Artikel über vorsätzliches Handeln). Auch führt das Aktualitätsbemühen zu Verschiebungen, etwa wenn die russische Zarin Elisabeth I., die 1741 an die Macht gelangte, im Artikel "Rußland" behandelt wird, der 1742 erschien. Eine bis heute unbekannte Mannschaft von Autoren und Redakteuren hat die Bibliothek des bekannten Wissens durchforstet und zusammengefaßt. Es gibt im "Universal-Lexicon" nicht nur die meisten Artikel, die jemals im Alphabet eines Lexikons vereint wurden, es sind auch manche enorm lang: "Leipzig" mit 155 Spalten, "Wurzen" mit 226 und "Wien" mit 269!
    Die Produktion dieses größten Buchprojekts seit der Erfindung der Buchdruckerei ist bis heute nicht in ihrer Entstehung bekannt: Man hält die Bände in Händen, aber man kennt die Macher nicht. Auch über Zedler selbst, der verheiratet war, aber ohne Nachkommen blieb, ist sehr wenig bekannt. Erst seit der Biographie von Gerd Quedenbaum aus dem Jahre 1977 weiß man sein wirkliches Todesjahr: 1751, ein Jahr nach Abschluß des Alphabets im Lexikon (vier Supplementbände folgten bis 1754). Es haben keine Briefe und keine sonstigen Akten überlebt, aus denen man über Motive und Mittelsmänner, über Korrespondenten und Kooperationen etwas erfahren könnte. Es bleibt das Werk, ein wunderbares Monstrum des 18. Jahrhunderts, eine gigantische Wissensmaschine für jeden Leser.

    Ulrich Johannes Schneider

    Ulrich Johannes Schneider ist seit Anfang Januar Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig. Über Zedler spricht er am 7. Januar 2006 um 15 Uhr im Vortragssaal der Bibliotheca Albertina (Beethovenstr. 6) anläßlich der Eröffnung der Ausstellung "Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der Frühen Neuzeit". Den chronologischen Schlußpunkt der Bücherschau bildet das "Universal-Lexicon" von Zedler.


    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider
    Telefon: 0341 97-30500
    E-Mail: schneider@ub.uni-leipzig.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprache / Literatur
    überregional
    Personalia, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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