In der morgigen Ausgabe der Zeitschrift "NATURE" wird über die Entdeckung eines kleinen, "coolen" Planeten mit der Gravitationslinsenmethode berichtet: bei etwa 5,5 mal der Masse der Erde ist er der "erdähnlichste" unter allen 170 Exoplaneten, die bisher bekannt sind - Heidelberger Forscher beteiligt
In der morgigen Ausgabe der Zeitschrift "NATURE" wird über die Entdeckung eines kleinen, "coolen" Planeten mit der Gravitationslinsenmethode berichtet: bei etwa 5,5 mal der Masse der Erde ist er der "erdähnlichste" unter allen 170 Exoplaneten, die bisher bekannt sind. Sein Abstand vom Mutterstern ist 2,6 mal so groß wie unsere Entfernung von der Sonne; seine geschätzte Oberflächentemperatur ist mit minus 220 Grad Celsius daher sehr viel niedriger als unsere. Mit-Entdecker Joachim Wambsganss und Arnaud Cassan vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) sind schon seit vielen Jahren im "PLANET-Team" dabei, weitere beteiligte Wissenschaftler aus Deutschland sind Dijana Dominis und Daniel Kubas aus Wambsganss' ehemaliger Arbeitsgruppe an der Universität Potsdam.
Der neuentdeckte Planet mit dem sehr technischen Namen OGLE-2005-BLG-390Lb wurde nicht direkt "gesehen", er verriet seine Existenz durch seine Schwerkraftwirkung. Schon seit vielen Jahren sucht das "PLANET-Team", eine Gruppe von 30 Wissenschaftlern aus zehn Ländern, mit dem Gravitationslinseneffekt oder "Microlensing" nach Planeten um andere Sterne. Die Methode basiert auf einer Vorhersage Einsteins: Lichtstrahlen werden durch die Anziehungskraft anderer himmlischer Körper wie Materie angezogen und dadurch von ihrer geraden Richtung abgelenkt. Diese Wirkung ist in den meisten Fällen allerdings unmessbar klein.
Wenn nun aber ein Vordergrundstern direkt vor einem Hintergrundstern vorbeiläuft, dann führt das dazu, dass wir auf der Erde infolge der Lichtablenkung mehr Lichtstrahlen des Hintergrundsterns erhalten: er erscheint uns kurzzeitig heller. Es kann einige Wochen oder Monate dauern, bis der Hintergrundstern wieder seine ursprüngliche schwächere Helligkeit erreicht hat. Der exakte Verlauf des symmetrischen Heller- und wieder Schwächerwerdens ist mathematisch genau vorgegeben. Wenn der Vordergrundstern, der als "Gravitationslinse" wirkt, kein Einzelstern ist, sondern von einem Planeten begleitet wird, dann kann diese symmetrische "Lichtkurve" eine kurzzeitige Abweichung zeigen, mit einem weiteren Maximum.
Solche Gravitationslinsenereignisse sind extrem selten: höchstens einer unter einer Million Sternen wird jeweils durch die Schwerkraftwirkung verstärkt. Deshalb haben die Astronomen eine Art Arbeitsteilung eingeführt: eine Gruppe, das "OGLE-Team", misst die Helligkeit von zehn Millionen Sternen regelmäßig etwa zweimal pro Woche. Wenn einer davon eine für den Gravitationslinseneffekt charakteristische Helligkeitsänderung zeigt, wird ein "E-Mail-Alarm" an interessierte Wissenschafter verschickt, im letzten Jahr gab es 600 davon. Das PLANET-Team hat sich darauf spezialisiert, dann diese Linsenereignisse sehr häufig zu messen, idealerweise einige Male pro Stunde, um den Verlauf der Lichtkurve und mögliche Abweichungen exakt bestimmen zu können.
Dies gelingt nur durch eine Kombination von vier Teleskopen auf der Südhalbkugel: Tasmanien, West-Australien, Südafrika und Chile. Damit ist garantiert, dass dieser Stern rund um die Uhr gemessen werden kann. Die Astronomen haben damit eine "24-Stunden-Nachtschicht": zu jeder Zeit ist es an mindestens einem dieser Orte Nacht!
Am 10. August 2005 war es dann soweit: das Mikrolinsen-Ereignis OGLE-2005-BLG-390, das sich bis dahin wenig spektakulär von seiner Maximal-Helligkeit, die dreimal über der "normalen" lag, wieder auf die Grundstufe zurück bewegte, zeigte eine kurzzeitige Abweichung. Dieses zweite Maximum hatte genau den Verlauf, den man von einem Planetenbegleiter erwartete, allerdings hatte es nur 15 Stunden gedauert. Die mit hoher Signifikanz abweichenden Messpunkte waren von fünf verschiedene Observatorien bestätigt worden: das Ereignis war real. Beim Analysieren und Modellieren der Daten konnte nur eine einzige Erklärung gefunden werden: ein Begleiter zum hauptsächlichen Linsenstern, der nur 0,00008 mal soviel Masse hat, war dafür verantwortlich. Keine andere Möglichkeit war mit den Daten in Einklang zu bringen.
Da der Linsenstern selbst zu schwach ist, um direkt gesehen zu werden, kann dessen Masse nicht exakt bestimmt werden: vermutlich liegt sie zwischen 10% und 40% der Sonnenmasse, wobei der wahrscheinlichste Wert bei 20% liegt. Damit ergibt sich für die Planetenmasse als wahrscheinlichster Wert 5,5 mal die Erdmasse. Der Abstand des Planeten zum Mutterstern liegt bei etwa 2,6 mal dem Abstand zwischen Erde und Sonne, so dass er ungefähr zehn Erdenjahre für einen Umlauf braucht.
Bedingt durch den schwachen Mutterstern und den großen Abstand erhält der Planet nur etwa 0,1% der Energie, die uns von der Sonne erreicht. Deshalb wird die Oberflächentemperatur auf etwa 50 Kelvin geschätzt, das sind -220 Grad Celsius: vergleichbar mit den Temperaturen auf Neptun oder Pluto, den äußeren Planeten in unserem Sonnensystem. Die Entfernung dieses extrasolaren Planetensystems ist riesig groß: es befindet sich etwa 22 000 Lichtjahre weit weg von uns. Damit ist eine weitere Untersuchung des Planeten so gut wie ausgeschlossen.
Die meisten der bisher bekannten 170 Planeten um ferne Sonnen haben große Massen (vergleichbar mit der des Jupiter) und bewegen sich in ganz engen Bahnen um ihre Zentralsterne. Aus diesem Grund werden sie "heiße Jupiters" genannt. Eigentlich hatten die Astronomen auch viele Planeten mit kleinerer Masse ("Gesteins- oder Eisplaneten") und in größeren Abständen erwartet.
Die besondere Bedeutung dieser Entdeckung liegt darin, dass dies unter allen bekannten Exo-Planeten derjenige mit der geringsten Masse ist. Er ist damit - was die Masse betrifft - der "erd-ähnlichste". Wahrscheinlich handelt es sich um einen Eis- oder Gesteinsplaneten von der gleichen Sorte wie Erde, Venus und Mars. Dieser Planeten-Typ sollte nach unserem gegenwärtigen Verständnis von Planeten-Entstehung in viel größerer Zahl vorhanden sein als die "heißen Jupiters". OGLE-2005-BLG-390-Lb ist der dritte mit der Microlensing-Methode gefundene Planet: die Massen der ersten beiden im letzten Jahr entdeckten lagen etwas oberhalb der des Jupiter. Wie alle Methoden ist es auch für "Microlensing" einfacher, Planeten mit großer Masse zu finden. Die Tatsache, dass nun unter drei entdeckten Planeten bereits einer mit einer so geringen Masse ist, deutet darauf hin, dass es von dieser Sorte Planeten mit kleiner Masse sehr viele in unserer Milchstraße geben muss.
(Wir mailen den Redaktionen gerne attraktive Abbildungen zu.)
Der Artikel erscheint unter dem Titel "Discovery of a cool planet of 5.5 Earth masses through gravitational microlensing" in der Ausgabe von "Nature" am 26. Januar 2006 (Vol. 439, Seite 437).
Links mit weitergehenden Informationen, Abbildungen und Animationen:
http://www.nature.com/nature/index.html
http://www.eso.org/outreach/press-rel/pr-2006/
http://planet.iap.fr/Media/index390.html
http://hubblesite.org/newscenter/newsdesk/archive/releases/2006/06/
Rückfragen bitte an:
Prof. Dr. Joachim Wambsganss
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Geschäftsführender Direktor
Adresse: Astronomisches Rechen-Institut
Mönchhofstr. 12-14, 69120 Heidelberg
e-mail: jkw@ari.uni-heidelberg.de
Tel. (+49) 6221 541800, (+49) 6221 541801 (Sekr)
Fax (+49) 6221 541802
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
www.uni-heidelberg.de/presse
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geowissenschaften, Mathematik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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