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11.10.1999 16:07

Spuren heißer Quellen im Nordpolarmeer

Dr. Corinna Dahm-Brey Kommunikation und Medien
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung

    "Polarstern" fand Spuren heißer Quellen im Nordpolarmeer
    Arktisexpedition des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung erfolgreich beendet

    Am 13. Oktober kehrt das Forschungsschiff "Polarstern" aus der Arktis nach Bremerhaven zurück. Die Wissenschaftler haben erste geowissenschaftliche und physikalische Ergebnisse aus dem Gebiet zwischen Nordgrönland und Spitzbergen im Gepäck.

    400 Kilometer in 60 Millionen Jahren
    Die heutige geographische Lage Spitzbergens ist das sichtbare Ergebnis einer kontinuierlichen Kontinentaldrift der grönländischen und eurasischen Platte. Als sich das eurasische Becken vor etwa 60 Millionen Jahren öffnete, begann Spitzbergen südöstlich zu driften und legte seither rund 400 Kilometer zurück. Resultat dieser Driftbewegung war die Öffnung der Framstraße, der einzigen Tiefenwasserverbindung des Nordpolarmeeres mit dem Weltozean. Dies hatte vermutlich einen erheblichen Einfluss auf das Weltklima. Grund genug für die Geowissenschaftler, diese Region intensiv zu untersuchen.
    Trotz schwieriger Eisverhältnisse gelang den Geophysikern eine systematische seismische Untersuchung dieses Meeresgebietes. Eine Überraschung erbrachten die Arbeiten vor Nordspitzbergen: Der Kontinentalhang ist hier unerwartet steil und durch Abflussrinnen stark zerfurcht. Zudem finden sich bis in große Tiefen ungewöhnlich grobe Meeressedimente, ein Zeichen eiszeitlicher Einflüsse bis in die Tiefsee hinab.
    Der Lena Trog, ein Graben mit Tiefen bis zu 4000 Meter, hielt für die Gesteinsforscher spektakuläre Funde bereit: Besonders ein 25 Kilogramm schwerer Brocken Schwefelkies, auch "Katzengold" genannt, brachte die Wissenschaftler an Bord zum Staunen. Schwefelkies entsteht durch heiße Quellen am Meeresboden. Kommen die bis zu 400 Grad heißen metall- und schwefelreichen Lösungen mit dem Meerwasser in Kontakt, bilden sich Metall-Schwefel-Kristalle. Diese Vorkommen sind sehr selten und wurden noch nie im Eismeer angetroffen oder mit einer Dredge geborgen. Unerwartet fanden sich auch Basalte, am Meeresboden ausgeflossene flüssige Gesteinslaven, die nach dem Kontakt mit dem Meerwasser erstarren. Diese wertvollen Proben sind der erste "handfeste" Beweis für untermeerische Vulkanaktivität in diesem Seegebiet.

    Auf den Spuren Frithjof Nansens
    Für die Physiker stand die Erforschung des Wasser- und Eisaustausches zwischen Arktis und Atlantik auf dem Programm des letzten Fahrtabschnitts: Warmes Wasser strömt aus dem Atlantik an Spitzbergen vorbei nach Norden, und östlich von Grönland fließt kaltes Wasser gen Süden. Zwei Fragen standen auf der jetzt zu Ende gehenden Reise im Mittelpunkt: Wie intensiv sind Wasseraustausch und Wärmetransport, und wie gelangt kaltes Bodenwasser vom flachen Schelfmeer in die Tiefsee?
    In der Framstraße verankerte Messgeräte haben zwei Jahre lang die Wasserströmungen gemessen. Mit diesen Daten kann jetzt berechnet werden, wieviel Wärme die Meeresströmung westlich von Spitzbergen tatsächlich in die Arktis pumpt. In diesem Jahr war das aus dem Atlantik einfließende Wasser erstaunlich warm und die Eisgrenze lag weit im Norden. Die Wissenschaftler vermuten jetzt, dass das gesamte System der atmosphärischen Zirkulation, der ozeanischen Zirkulation in der Arktis und im Nordatlantik und die Eisbedeckung gemeinsamen Schwankungen unterworfen ist.
    Für das Absinken von kaltem Wasser in große Tiefen gibt es je nach Meeresgebiet unterschiedliche Mechanismen. In polaren Meeren steht am Anfang dieses Prozesses die Eisbildung, bei der das Salz im Wasser zurückbleibt. Wird das Wasser durch die Salzanreicherung und die niedrige Temperatur spezifisch immer schwerer, fließt es den Kontinentalabhang hinab und sorgt damit für eine "Belüftung" der Tiefsee. Dieser Vorgang wurde schon Anfang des Jahrhunderts von dem norwegischen Polarforscher Frithjof Nansen postuliert, beobachtet hat den Vorgang bisher jedoch kaum jemand. AWI-Wissenschaftler schließen jetzt diese Lücke, indem sie südlich von Spitzbergen verankerte Messgeräte bargen, die kontinuierlich Strömung, Salzgehalt und Temperatur über dem Meeresboden gemessen haben.
    Die physikalischen Arbeiten sind Teil eines Langzeitprojektes, das in die "Arctic Climate System Study" des "World Climate Research Programm" der UNESCO eingebunden ist und von der Europäischen Union im Rahmen des VEINS Projekts (Variability of Exchanges in the Northern Seas) mitfinanziert wird. Außerdem leisten die Arbeiten einen Beitrag zum Tiefseeforschungs-Projekt "ARKTIEF" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

    Begonnen hatte die diesjährige Arktisreise der "Polarstern" mit einer deutsch-französischen Expedition, auf der AWI-Wissenschaftler in enger Zusammenarbeit mit französischen Kollegen erfolgreich das ferngesteuerte Tiefseefahrzeug "Victor 6000" einsetzten.
    Die "Polarstern" wird vom 14. Oktober bis zum 14. Dezember für die zweite Etappe einer Generalüberholung in der Lloydwerft, Bremerhaven liegen. Am 15. Dezember legt der Forschungseisbrecher wieder mit Kurs Antarktis ab.

    Bremerhaven, den 11. Oktober 1999
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften, Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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