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05.05.2006 15:25

Studiengebühren - die TU Darmstadt hat gute Gründe dagegen

Jörg Feuck Science Communication Centre - Abteilung Kommunikation
Technische Universität Darmstadt

    Der hessische Minister für Wissenschaft und Kunst, Udo Corts, hat
    heute den Beschluss des Landeskabinetts zur Einführung von
    allgemeinen Studiengebühren in Hessen zum Wintersemester 2007/2008
    bekannt gegeben. Die Position der Technischen Universität Darmstadt erläutert TU-Präsident Prof. Dr.-Ing. Jan Wörner in einem Interviewgespräch.

    Q: Viele Bundesländer führen Studiengebühren ein, weltweit sind
    Studiengebühren üblich, die Hochschulrektorenkonferenz hat sich für
    Studiengebühren ausgesprochen. Warum sind Sie noch immer dagegen?

    A: Diese scheinbar einheitliche Übermacht ist für mich kein
    überzeugendes Argument, klein beizugeben. Studiengebühren sollen ja
    nach den Vorstellungen der verschiedenen Befürworter ganz
    unterschiedliche Effekte fördern: Vom Kundenbewusstsein der
    Studierenden über den Dienstleistungsgedanken der Universität bis zur
    besseren Finanzierung der Universitäten. Gerade diese "Allzweckwirkung"
    hat viele Haken. Ich möchte nicht, dass die Studierenden sich wie Kunden
    fühlen, sie sollen Mitglieder der Universität sein und ihr Studium
    erfolgreich und zügig abschließen. Eine gemeinsame verbindliche
    Verantwortung von Lernenden und Lehrenden kann man durch andere Maßnahmen
    zuverlässiger erreichen. Im Übrigen gibt es in Europa viele Länder, die
    ohne oder mit sehr, sehr moderaten Gebühren auskommen. Aber warten wir
    erst mal ab, wie der hessische Minister für Wissenschaft und Kunst die
    Einführung im Detail begründet. Vielleicht spielt ja einfach die Tatsache
    eine Rolle, dass Hessen bei der Studienplatzfinanzierung im
    Bundesländervergleich ganz weit hinten liegt.

    Q: Das heißt aber, dass Sie Studiengebühren als Finanzierungsquelle der
    Hochschulen akzeptieren?

    A: Natürlich kann man Bildung auch mit Gebühren finanzieren, Beispiele
    dafür gibt es auch in Deutschland. Will man diesen Paradigmenwechsel in
    den öffentlichen Hochschulen, dann müsste man mit ganz anderen
    Größenordnungen operieren, die Studiengebührenhöhe nach Fächern
    differenzieren und vieles mehr. Das nun vorgeschlagene System für Hessen
    lässt noch nicht einmal den Hochschulen die Freiheit, über Gebühren und
    deren Höhe zu entscheiden. Studiengebühren sind für die Universitäten ein
    Minus-Geschäft, weil sie Studieninteressenten abschrecken. Ich erwarte
    einen deutlichen Rückgang der Studierendenzahlen, was sich eigentlich
    niemand wünschen kann. Damit schrumpft auch der Landes-Etat für die
    Universitäten, weil sich die Finanzierung leider im Wesentlichen an der
    Anzahl der Studierenden festmacht. Die Gebühren-Einnahmen werden nicht das
    Defizit kompensieren, das sich aufgrund der zurückgehenden
    Studierendenzahlen auftut. Aber es wird vermutlich einen verrückten
    "positiven" statistischen Effekt geben: Weniger Studierende, weniger Geld
    vom Land plus Studiengebühren werden vielleicht unter dem Strich eine
    höhere Geldsumme pro Student ergeben.

    Q: Das Land Hessen sieht ein Darlehenskonzept vor, das Ihre
    Befürchtungen einer abschreckenden Wirkung von Gebühren mildern soll.

    A: Ich hoffe, die politisch Verantwortlichen behalten Recht und ich
    Unrecht. Im übrigen gelten die Darlehensüberlegungen meiner
    Information nach nicht für außereuropäische Ausländer. Gerade für
    diese Gruppe machte bislang die Studiengebührenfreiheit die deutsche
    Hochschulausbildung so attraktiv. Wenn sich das ändern würde, träfe das
    die TU Darmstadt mit ihrem überdurchschnittlich hohen Anteil an
    ausländischen Studierenden (mehr als 20 Prozent) besonders hart. Wir
    verlören an Internationalität und an Renommee. Die Zahl der
    außereuropäischen Studierenden ist bei uns sehr hoch. Gerade sie wählen
    mit gutem Grund Ingenieurwissenschaften an der TU. Die Geschichte der TU
    ist diesbezüglich voller Erfolgsbeispiele. Hier droht eine Jahrzehnte alte
    Tradition der TU abzureißen.

    Q: Kann die TU Darmstadt von der Einführung von Studiengebühren in
    Hessen abweichen?

    A: Nach jetzigem Stand leider nicht. Und das berührt die TU ganz
    elementar: Denn die Landesregierung würde dadurch den besonderen
    Autonomie-Status der TU Darmstadt verletzen. Wir müssten
    Studiengebühren erheben und uns landeskonform verhalten: 500 Euro pro
    Semester und Studiengang, egal welcher. Dieser Zwang erschüttert unsere
    erarbeitete Position und ist ein Wettbewerbsnachteil. Als Präsident der
    ersten selbstständigen öffentlichen Universität in Deutschland hoffe ich
    aber, dass es doch noch gelingt, auch die Freiheit zu erhalten, über
    Studiengebühren selbst zu entscheiden.

    Q: Haben Sie ein Gegenmodell?

    A: Ein besseres Modell wofür? Für die angemessene Finanzierung ist das
    Land verantwortlich. Es sollte die Unis endlich entsprechend
    ausstatten. Wir stehen in einem globalen Wettbewerb, bei dem es nicht um 5
    Prozent mehr Geld geht - so viel ist maximal durch Studiengebühren zu
    erwarten - sondern um 50 bis 300 Prozent. Wir setzen auf eine Alternative,
    um Studienerfolg in angemessener Zeit, hohe Ausbildungsqualität und hohe
    Absolventenquoten zu erzielen. Der Senat der TU Darmstadt hat kürzlich in
    Grundsätzen festgelegt, was die Universität künftig den Studienanfängern
    bietet und was sie von ihnen im ersten Jahr verlangt. Verbindlichkeit also
    auf beiden Seiten. Bei uns gibt es kein striktes Aussieben durch scharfe
    Vorauswahlgespräche oder "Rausprüfen", sondern einen Mix aus intensiver
    Beratung und Information schon in der Bewerbungsphase, Betreuung und
    Mentoring in den ersten Semestern, gekoppelt mit Eignungsgesprächen zur
    individuellen Studienbereitschaft und Studienfähigkeit, Empfehlungen und
    studienbegleitenden Prüfungen im ersten Jahr. Wir wollen eine neue
    Verantwortungskultur bei allen Beteiligten erreichen. Die ETH Zürich macht
    das ähnlich und hat gute Erfahrungen. Und die TU Darmstadt muss sich mit
    Absolventenquoten von teils über 80 Prozent im Wettbewerb wahrlich nicht
    verstecken.

    Q: Kann die TU Darmstadt einen Fonds auflegen, um die Gebühren anstelle der
    Studierenden zu zahlen? Stünden dafür Spender oder Stifter bereit?

    A: Unabhängig von der Frage der Studiengebühren sehen wir die
    Notwendigkeit, Studierenden, die sich das Studium finanziell nicht
    leisten können, durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen. Wir führen
    konkrete Gespräche über die Einführung eines Fonds und spezieller Kredite
    zur Studienfinanzierung.

    Q: Können Sie den Studierenden versprechen, wofür die TU Einnahmen aus
    Studiengebühren verwendet? Etwa für konkrete Projekte zur
    Verbesserung der Lehre?

    A:Falls Gebühren kommen, müssen sie ganz klar unmittelbar der Situation der
    Studierenden zugute kommen.

    Q: Wie geht die interne Diskussion in der TU Darmstadt weiter?

    A: Ich habe unmittelbar nach Veröffentlichung des Gebühren-Gutachtens
    von Herrn Professor Pestalozza und des FDP-Gesetzentwurfs die
    Universitätsversammlung gebeten, eine Diskussion zu organisieren. Wir
    werden sehen, wie sich die TUD positioniert. Auch im Hochschulrat werde
    ich anregen, sich angesichts der aktuellen Entwicklung erneut mit der
    Frage zu beschäftigen.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     


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