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04.12.1999 11:32

Schreckschußwaffen - erschreckend gefährlich

Dipl.Pol. Justin Westhoff UKBF-Pressestelle / MWM-Vermittlung
Universitätsklinikum Benjamin Franklin

    Auch frei verkäufliche Schreckschußwaffen können schwere Schäden verursachen. Dies hat Privatdozent Dr. Markus Rothschild vom Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin / Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) in eingehenden Untersuchungen erfaßt und dokumentiert.
    Mediendienst Nr. 28 - Aus der Forschung

    Welches Unheil der freie Zugang zu Waffen anrichten kann, haben Beispiele aus den USA in jüngster Zeit wieder eindringlich vor Augen geführt. Zwar gelten hierzulande schärfere Gesetze, aber auch die frei verkäuflichen sogenannten Schreckschußwaffen, vor allem Revolver und Pistolen, können weit mehr als nur einen Schrecken verursachen. Dies hat Privatdozent Dr. Markus Rothschild vom Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin / Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) in eingehenden Untersuchungen erfaßt und dokumentiert.
    Die oft täuschend echt aussehenden Schreckschußwaffen werden sowohl mit Knallkartuschen ("Platzpatronen"), als auch mit Reizstoffkartuschen ("Gaspatronen") oder pyrotechnischer Munition (zum Beispiel "Leuchtraketen") ausgestattet. Über Ballistik im allgemeinen gibt es bereits zahlreiche Untersuchungen und Fachveröffentlichungen.
    Schreckschußwaffen hingegen haben ein nur schwer faßbares "Geschoß": den Gasstrahl (Jet), der jedoch durchaus die Zerstörungskraft "echter" Munition haben kann.
    Werden Schreckschüsse mit angesetzter Mündung oder aus wenigen Zentimetern Entfernung abgegeben, ist mit schwersten und unter Umständen sogar tödlichen Verletzungen zu rechnen. Der Gasstrahl ist in der Lage, nicht nur Weichteilgewebe, sondern auch Knochen (zum Beispiel den Schädel) zu durchdringen. Das haben die rechtsmedizinischen und wundballistischen Untersuchungen Rothschilds ergeben. Außerdem kann es zu massiven Hautverbrennungen und schweren, irreversiblen Augenschäden bis hin zur Blindheit kommen, weil beim Abschuß der Waffe verbrannte und unverbrannte Pulverbestandteile mit herausgeschleudert werden. Zu allem Übel heilen diese, wie alle Schußwunden, sehr schlecht, weil sie ein ausgesprochen gutes Nährmedium für Bakterien darstellen.
    Neben den direkten Verletzungen durch den Gasstrahl kommt es durch die anderen Schußeffekte zu weiteren Traumatisierungen: Hierzu zählen etwa Verletzungen durch die Hitze des Mündungsfeuerstrahls (bis zu 3000° C) oder akustische Wirkungen durch den Schußknall. Bei einem Schalldruckspitzenpegel von 180 dB kann auch ein einziger Schuß zu einem Knalltrauma mit anschließender Taubheit führen.
    Schreckschußwaffen sind also keinesfalls harmlose Spielzeuge. Und - auch darauf weist Markus Rothschild in seiner Untersuchung hin - als Verteidigungswerkzeug sind sie praktisch nutzlos. Im Gegenteil: Die meisten Personen, die sich eine Schreckschußpistole zu Verteidigungszwecken zulegen, haben nie probeweise mit der Waffe geschossen und würden im Ernstfall viel zu lange brauchen, sie einzusetzen. Hinzu kommt noch, daß die Kartuschenmunition häufig zu alt ist. Wenn es nur darum geht, einen Angreifer zu vertreiben, braucht man keine Schreckschußwaffen. Auf dem Markt existieren schon lange batterie- oder druckluftbetriebene Sirenen, die kleiner als eine Zigarettenschachtel sind. Und wer Reizstoffe zur Selbstverteidigung verwenden will, greift besser auf eine der unterschiedlich großen Spraydosen zurück.
    Aber noch in einem anderen Sinne sind Schreckschußwaffen ein gravierendes Problem. Die heute in Deutschland auf dem Markt erhältlichen Modelle sehen den echten Waffen täuschend ähnlich. Auch Waffenexperten sind oft nicht in der Lage, ohne Inaugenscheinnahme aus nächster Nähe eine Schreckschußwaffe vom Original mit Sicherheit zu unterscheiden. In den meisten Fällen muß man der Waffe sehr nah sein, um etwa die Laufsperre im Mündungsbereich oder das runde Zulassungs-Zeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB, Braunschweig) an der Seite erkennen zu können. Die Waffen werden, wie die Untersuchung von Rothschild gezeigt hat, vielfach von Jugendlichen getragen und auch gezeigt. Nicht selten ergeben sich aus einem solchen, vermeintlich Macht und Kraft demonstrierenden, Imponierverhalten Situationen, die Gewalt provozieren. Auch wenn Straftäter Schreckschuß- statt echter Waffen benutzen, kann es zu schweren Unfällen oder Verletzungen kommen. Das zeigen Fälle, bei denen die Täter im Verlaufe einer Verfolgung durch die Polizei erschossen wurden, weil sie während der Flucht mit Schreckschußwaffen auf Polizisten oder Passanten schossen oder diese bedrohten.
    Und schließlich bringen die "unechten Waffen" auch Richter zunehmend in die Zwickmühle, wenn sie über eine Straftat entscheiden sollen, bei der zwar "nur eine Schreckschußwaffe" benutzt wurde, die aber ebenso aussieht und ebenso gefährlich sein kann wie eine echte Waffe.

    Ansprechpartner:
    PD Dr.med. Markus A. Rothschild
    UKBF - Institut für RechtsmedizinFachbereich Humanmedizin der FU Berlin
    Hittorfstraße 18, 14195 Berlin
    Tel.: 030/8445-1301, 030/8445-1353
    Email: rothschild@medizin.fu-berlin.de
    Pressekontakt:
    UKBF-Pressestelle / MWM-Vermittlung
    Kirchweg 3 B, 14129 Berlin
    Tel.: (030) 803 96 86; Fax: 803 96 87
    e-mail: ukbf@mwm-vermittlung.de


    Weitere Informationen:

    http://idw.tu-clausthal.de/user/zeige_pm.html?pmid=14190


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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