Weg von der Gestalt - hin zur Molekularität
Dr. med. h.c. für den Anthropologen Helmut Baitsch
Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) hat Prof. em. Dr. med. Dr. rer. nat. Helmut Baitsch, Altrektor und bis 1989 Leiter des Instituts für Humangenetik und Anthropologie der Universität Ulm, die Würde eines Doctor medicinae honoris causa verliehen. Anerkannt werden damit sowohl seine hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen auf den Gebieten der Anthropologie, Humangenetik, Wissenschaftsforschung und Ethik in der Medizin als auch die Tatsache, daß Baitsch über viele Jahre erfolgreich Lehrexport nach Hannover betrieben und der MHH als Ratgeber in Wissenschaftsfragen, nicht zuletzt bei der Begründung medizinethischer Lehrangebote, zur Seite gestanden hat. Ein Vermittler zwischen Technologie und Humanität, habe er es vermocht, »Wege zu einer ganzheitlichen Erforschung des Menschen« zu weisen, urteilt sein Hannoveraner Laudator Prof. Dr. Jörg Schmidtke.
1921 im badischen Spessart bei Ettlingen geboren und als frischgebackener Abiturient erst zum Arbeits-, dann zum Kriegsdienst verpflichtet, studierte Helmut Baitsch von 1946 bis 1950 Medizin und Naturwissenschaften, wurde 1951 zum Dr. med., 1952 zum Dr. rer. nat. promoviert und habilitierte sich 1958 mit einer Arbeit über das Problem der Objektivierung des erbbiologischen Vaterschaftsnachweises. 1961, nach mehrjähriger Tätigkeit erst als Assistent, später als Konservator an der Anthropologischen Staatssammlung in München, wurde er zum Direktor des neu gegründeten Instituts für Anthropologie und Humangenetik der Universität Freiburg bestellt.
Der junge Wissenschaftler war sich bewußt, ein Fach zu vertreten, das schon initial dem Gedanken der Eugenik verpflichtet gewesen war und durch den machtpolitischen Mißbrauch eugenischer Denkansätze im Deutschland des Dritten Reiches jeden Kredit verspielt zu haben schien. Dem Paradigma des durch Degeneration aufgrund von Rassenvermischung bedrohten Volkes und der daraus folgenden Forderung rassenhygienischer Maßnahmen setzte Baitsch nun seine Maxime »Weg von der Gestalt - hin zur Molekularität« entgegen - Kurzformel für das Streben nach Objektivität und den Versuch, die ideologische Last der Vergangenheit abzuwerfen. Während der sechziger Jahre wurde Helmut Baitsch zur zentralen Figur des Wiederaufbaus der Anthropologie und Begründung der Humangenetik in Deutschland, zugleich auch zum Wegbereiter einer humangenetischen Beratung, die das Individuum und die Familie gegenüber der »Rasse« und damit die persönliche gegenüber einer wie auch immer gearteten obrigkeitlichen Verantwortung in den Vordergrund stellt.
Die Berufung auf das instrumentell Nachweisbare in der Forschung hat ihn andererseits nie das menschliche Engagement vergessen lassen. Das wurde besonders in den folgenden Jahrzehnten deutlich, in denen er als Rektor der Universitäten Freiburg (1967-1968) und Ulm (1970-1975), als Gestalter des Sonderforschungsbereichsprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, 1968-1970), ab 1975 bis zu seiner Emeritierung 1989 als Leiter der Abteilung für Anthropologie und Wissenschaftsforschung der Universität Ulm und bis heute als Spiritus rector des Arbeitskreises »Ethik in der Medizin« an der Universität Ulm, neuerdings außerdem Ombudsmann in Sachen Wissenschaftsethik, sein Signet in der deutschen Hochschul- und Forschungsgeschichte hinterlassen hat. Insgesamt 16 Lehrstuhlinhaber sind in den sechziger bis neunziger Jahren aus der von ihm begründeten »Freiburger Schule« hervorgegangen. 1980 gehörte Baitsch zu den Initiatoren des Ulmer SFB »Psychotherapeutische Prozesse«. Als Leiter des Projekts »Ärztliche und psychologische Aspekte der genetischen Beratung« verhalf er dem Rollenspiel und Psycho-Drama als didaktischen Instrumenten in Sachen ärztlicher Beratungsprozesse zum Durchbruch. Baitsch ist Mitglied des »Club of Rome«, Ehrenbürger der Universität Ulm und Ehrenmitglied des Royal Anthropological Institute in London.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Personalia
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).