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02.10.2006 16:21

"Der Professor aus Heidelberg" mahnt zum Kampf gegen die Hydra - neues Buch von Paul Kirchhof

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Ein Jahr nach der Bundestagswahl meldet sich der Heidelberger Jurist Paul Kirchhof in der Politik zurück - Vehemente Forderung nach einer neuen Kultur des rechten Maßstabs - Vergleich mit der antiken Hydra, deren Häupter stets nachwuchsen - Der Staat ist für die Menschen da und nicht die Menschen für den Staat!

    Vor gut einem Jahr war der Name Paul Kirchhof in aller Munde. Denn der "Professor aus Heidelberg" - wie er ein wenig abfällig tituliert worden war - hatte mit seinen mutigen Forderungen im Vorfeld der letzten Bundestagswahl für jede Menge Aufsehen gesorgt. Am Kabinetttisch fand sich Paul Kirchhof nach der Wahl zwar nicht wieder - wohl aber kehrte er kürzlich mit seinem neuen Buch zurück in die mediale Öffentlichkeit der Republik. Und auch den anfangs etwas zweifelhaften Titel eines "Professors aus Heidelberg" trägt er inzwischen mit gewisser Selbstironie, aber auch mit Stolz, wobei der Vergleich mit dem Prädikatssiegel "Made in Germany" einfällt, das nach dem Zweiten Weltkrieg als ursprünglich negativ gemeinte Bezeichnung Verwendung fand. Qualität setzt sich eben durch.

    Seinem neuen Buch gab der Bundesverfassungsrichter a.D. den nach Populärliteratur klingenden Titel "Das Gesetz der Hydra", wobei der Untertitel bereits die Marschrichtung des 384 Seiten starken Werks vorzeichnet. "Gebt den Bürgern ihren Staat zurück" fordert Paul Kirchhof, in dessen Augen die Ansprüche, die von Bürgern, Verbänden und sonstigen Interessengruppen an den Staat gestellt werden, diesen seit langem überfordern. Ganz allgemeinverständlich zieht er hier den Vergleich mit der Hydra aus der altgriechischen Sagenwelt. Diese hatte neun Köpfe, die stets doppelt nachwuchsen, wenn einer abgeschlagen wurde.

    Ganz ähnlich verhält es sich mit dem deutschen Anspruchsdenken, meint Paul Kirchhof, der normalerweise als Direktor der Forschungsstelle Bundessteuergesetzbuch an der Juristischen Fakultät der Ruperto Carola tätig ist. Weil nun aber die Hydra so mächtig sei - und die Politik gleichzeitig so hilflos, gerade wenn es um die Forderungen der verschiedenen Lobbyisten gehe - brauche Deutschland eine neue Kultur des rechten Maßes. Nicht immer neue Verordnungen und bürokratischen Auswüchse können der Ausweg sein, sondern eine Besinnung auf weniger.

    Beispiele führt sein sehr verständlich geschriebenes Buch genug an, wobei Paul Kirchhof nicht nur auf das oft thematisierte deutsche Steuerrecht verweist - das 50.000 Paragrafen braucht, um zu regeln, was sich auch mit 300 regeln ließe - sondern auch auf das Schulrecht. So weiß er zu berichten, dass dem Preußischen Ministerium vor gut 100 Jahren gerade mal vier Seiten reichten, um den Lehrplan des Geschichtsunterrichts vorzugeben - die "heute in Nordrhein-Westfalen gültigen Richtlinien und Lehrpläne dagegen brauchen für die Anweisungen für höchstens sieben Jahre Geschichtsunterricht zwei Bände mit 363 Seiten".


    Es sind solche eingängigen Thesen, die seine Forderungen nach der Reduktion auf das Wesentliche zu einer beinahe kurzweiligen Lektüre machen - oder machen würden, wäre da nicht die Brisanz des Themas. Denn ohne Frage haben sich starke Interessengruppen des Staates bemächtigt, der durch üppige Geldleistungen und immer mehr Regeln Ansprüche zu befriedigen sucht, um gleichzeitig seine Macht zu behaupten. "Die Folge: Es wächst die Bürokratie, es wächst die Ungerechtigkeit, und im gleichen Maße wächst die Resignation der Bürger", meint Paul Kirchhof. "Der Staat ist für die Menschen da und nicht die Menschen für den Staat!"

    Der Staat bemüht sich, den stetig wachsenden Erwartungen nachzukommen, und überschüttet die Menschen deshalb zugleich mit einer Normenflut, mit Geldzuwendungen und Steuerprivilegien, die sich längst zu einem undurchschaubaren Geflecht von Subventionen verheddert haben. Zugleich gewöhnt sich der Mensch an die Zuwendungen, gewöhnt sich an diese unverdienten Einkommen - und fordert ein ständiges Mehr ohne jeden Haltepunkt. "Daran droht unsere freiheitliche Demokratie zu zerbrechen", mahnt der Heidelberger Professor, der mit der gegenwärtigen Situation der Großen Koalition natürlich nicht zufrieden sein kann, fehlt es doch offensichtlich am Mut, beherzte Reformen einzuleiten.

    In den Sagen der Antike wurde die Hydra dann aber schließlich doch besiegt. Denn als der Held Herkules - oder Herakles, wie er im griechischen Original heißt - begann, die Wunden der abgeschlagenen Köpfe auszubrennen, wuchsen keine neuen Häupter nach. Ganz so blutrünstig sind Paul Kirchhofs Ratschläge freilich nicht, obgleich er sie sogar "Schwerter" nennt, mit denen seiner Meinung nach gegen die Normenflut, die staatliche Zwangsversicherung, das verwirrende Steuerrecht, die maßlose Geldgier oder die enorme Staatsschuld von 1,5 Billionen Euro gekämpft werden sollte.

    Allerdings hofft Paul Kirchhof nicht auf einen einzelnen Helden, sondern nimmt mit der finalen Forderung seines lesenswerten Buches "Herakles sind wir. Liegt nicht in der Sonne und wartet auf Helden" das ganze Land in die Pflicht. Bleibt nur zu hoffen, dass der flammende Appell des "Professors aus Heidelberg" nicht ungehört verhallt.
    Heiko P. Wacker

    Paul Kirchhof: Das Gesetz der Hydra. Gebt den Bürgern ihren Staat zurück! Droemer Verlag München 2006, 384 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, ISBN: 3-426-27407-8, 19.90 Euro

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
    http://www.uni-heidelberg.de/presse


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Personalia, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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