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29.03.2007 13:01

Viele MS Patienten brauchen mehr als nur Basistherapie

Stefan Weller Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität

    Individuelle Therapieansätze je nach speziellem Krankheitsbild erforderlich

    Hrsg: Deutsche Neurowissenschaftliche Gesellschaft, Universitätsmedizin Göttingen, Abt. Neuroanatomie

    Göttingen, 29. März 2007 - Patienten mit Multipler Sklerose (MS) benötigen neben der entzündungshemmenden Basistherapie zusätzliche therapeutische Maßnahmen, die die individuellen Unterschiede der Erkrankung berücksichtigen. "Bei der Multiplen Sklerose wird nicht nur die so genannte "weiße Substanz", also die für die Nervenleitung notwendigen Myelinscheiden, angegriffen, sondern das gesamte Nervensystem von Gehirn und Rückenmark," sagte Prof. Dr. Hans Lassmann, Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien, auf der 7. Göttinger Tagung der Deutschen Neurowissenschaftlichen Gesellschaft. Besonders bei langsam fortschreitender MS müsse deshalb mit individuellen Therapien auf die Patienten eingegangen werden. Dies könnten zum Beispiel Magnetresonanz-Untersuchungen unterstützen. Für die weitere Erforschung der MS seien diese Untersuchungen richtungsweisend. Ebenso sei es wichtig, die spezifischen Aspekte der Läsionsentstehung in definierten Subgruppen von Patienten zu berücksichtigen. Ein erster Ansatz für solche subtypenspezifische Therapie ist die Blockade oder Elimination von gewebeschädigenden Antikörpern durch Plasmapherese. Diese Therapie ist bei Patienten mit fulminanten Krankheitsschüben sehr effektiv, ihre Wirkung ist jedoch auf jene Patienten beschränkt, in denen die Gewebeschädigung durch Antikörper vermittelt ist.

    Die Multiple Sklerose ist die häufigste neurologische Erkrankung junger Erwachsener in den industrialisierten Nationen. Sie ist eine entzündliche Erkrankung des Gehirns und Rückenmarkes, die zu einer selektiven Zerstörung der Myelinscheiden - der Isolierschichten der Impuls-leitenden Nervenfasern - führt. Man nimmt an, dass die chronische Entzündung im Nervensystem durch Autoimmunität ausgelöst wird. Das heißt, dass das Nervengewebe von den Abwehrzellen des Immunsystems als fremd erkannt und angegriffen wird. Dementsprechend ist das Ziel der Therapie bei Multiple Sklerose Patienten, die Abwehrreaktion zu dämpfen und damit die entzündliche Schädigung des Nervengewebes so weit wie möglich zu verhindern.

    Obwohl die Wirksamkeit solcher Therapien bei Multiple Sklerose Patienten eindeutig belegt ist, ist der therapeutische Erfolg jedoch bislang unbefriedigend. Neuere Untersuchungen über die an der Multiplen Sklerose beteiligten Krankheitsmechanismen können diese unbefriedigende Situation zum Teil erklären. Sie zeichnen ein äußerst komplexes Bild der Erkrankung. Myelinscheiden können von verschiedenen Komponenten des Immunsystems (T-Zellen, Antikörper und Makrophagen) angegriffen werden. Darüber hinaus ist die Fähigkeit des Nervengewebes entzündlichen Schaden zu kompensieren oder zu reparieren in verschiedenen Patienten unterschiedlich. Aus diesen Gründen unterscheiden sich die Mechanismen der Gewebeschädigung bei definierten Subgruppen von MS Patienten (interindividuelle Heterogenität) oder in verschiedenen Stadien der Erkrankung (schubförmiges oder progredientes Stadium). Aus diesen Ergebnissen können folgende Schlussfolgerungen abgeleitet werden:

    1) Eine anti-entzündliche oder immunmodulierende Therapie, wie sie gegenwärtig angeboten wird, ist als Basistherapie bei allen Patienten vor allem im frühen Stadium der Erkran¬kung sinnvoll und notwendig.

    2) Diese Basistherapie sollte durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden, die spezifische Aspekte der Läsionsentstehung in definierten Subgruppen von Patienten berücksichtigt. Ein erster Ansatz für eine solche subtypenspezifische Therapie ist die Blockade oder Elimination von gewebeschädigenden Antikörpern.

    3) Im späten progredienten Stadium der Erkrankung ist die Entzündungsreaktion im Nervensystem gefangen. Eine systemische immunmodulierende Therapie hat daher in diesem Stadium wenig Aussicht auf Erfolg.

    4) Therapeutische Maßnahmen, die die Regeneration im Nervensystem fördern (z.B. Stammzelltherapie) ist nur in solchen Patienten sinnvoll, in denen keine spontane Regeneration der Myelinscheiden stattfindet. Hier müssen neue klinische Testverfahren entwickelt werden, die die spontane Regeneration im Nervensystem im einzelnen Patienten erfassen.

    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Hans Lassmann
    Zentrum für Hirnforschung
    Medizinische Universität Wien
    Spitalgasse 4, A-1090 Wien
    Tel.: 0043/1/427 76 28 11
    eMail: hans.lassmann@meduniwien.ac.at


    Bilder

    Prof. Dr. Hans Lassmann
    Prof. Dr. Hans Lassmann
    Foto: privat
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Hans Lassmann


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