Die Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) vergibt ab dem Wintersemester 2008/2009 Bonuspunkte für jene Studienbewerber, die altsprachliche Kenntnisse in Latein oder Altgriechisch nachweisen können. "Damit setzen wir ein Zeichen, dass wir bei der Auswahl angehender Ärzte nicht nur auf naturwissenschaftliche Kenntnisse Wert legen, sondern auch auf die humanistische Bildung", sagt der Dekan der Medizinischen Fakultät, Professor Dr. Stephan Zierz. Der Altphilologenverband von Sachsen-Anhalt begrüßt diese Entscheidung. Die Medizinische Fakultät setzt mit der Einführung der Bonuspunkte auch ein Zeichen in der aktuellen Debatte um Bildungsinhalte und die Bedeutung "alter" Sprachen.
Die Medizinische Fakultät der MLU zählt damit zu den ersten in Deutschland, die durch diese Maßnahme das zunehmende Interesse an den alten Sprachen unterstützt. Die Fachsprache der Mediziner ist geprägt durch Begriffe, die aus diesen beiden Sprachen stammen. "Wir fördern mit der Vergabe von Bonuspunkten Schüler, die Über den Tellerrand hinausschauen", erklärt Studiendekan Professor Dr. Rainer Finke. Die Medizinische Fakultät betreibe damit nicht nur die Auswahl geeigneter Schüler, sondern auch die Pflege kultureller Traditionen.
Die Hochschulen in Deutschland können in Studiengängen mit einem Numerus clausus - dazu gehören auch Human- und Zahnmedizin - die Studenten durch die Vorgabe bestimmter Kriterien auswählen. In Halle zählt dazu die Durchschnittsnote im Abiturzeugnis. Darüber hinaus können Bonuspunkte für Leistungskurse in den naturwissenschaftlichen Fächern Biologie, Chemie, Physik und Mathematik, aber auch in Deutsch vergeben werden. In das Bonuspunktesystem bezieht die Fakultät künftig auch Unterricht während der Abiturstufe in Latein und Altgriechisch ein. Anhand der Durchschnittsnote und der Bonuspunkte - es werden auch welche für die berufliche Ausbildung in einem medizinischen Beruf vergeben - verteilt die Medizinische Fakultät die Studienplätze in den Studiengängen Human- und Zahnmedizin.
Während des Studiums erlernen die angehenden Ärzte die "medizinische Terminologie" und erwerben damit Grundkenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit der medizinischen Fachsprache. Diese dient der fachinternen Kommunikation und dem Verständnis der fachrelevanten Literatur. Die Fachsprache der Mediziner steht außerdem in einem engen Zusammenhang mit der europäischen Geschichte: Die historisch gewachsene Fachsprache transportiert auch spezifische Theorien von Gesundheit und Krankheit. Die medizinische Fachsprache besteht aus zwei Teilen: die anatomische Nomenklatur und die klinische Terminologie. Sie umfasst beispielsweise Krankheitsbezeichnungen.
"Latein wird als Fachsprache der Mediziner auf der gesamten Welt verstanden und ist damit in der Präzision und der Verbreitung sogar dem Englischen überlegen", erklärt Professor Dr. Elmar Peschke, der sich im Fakultätsrat gemeinsam mit Professor Dr. Andreas Marneros für die Einführung der Bonuspunkteregelung stark gemacht hat. Die im Jahr 1998 verabschiedete und heute international gültige terminologia anatomica geht auf die nomina anatomica der Pariser Nomenklatur aus dem Jahre 1955 zurück.
Die Altphilologenverband von Sachsen-Anhalt begrüßt die Einführung von Bonuspunkten für altsprachliche Kenntnisse. "Latein und Griechisch lernende Schüler sind laut wissenschaftlichen Untersuchungen auch in Deutsch, modernen Fremdsprachen und Naturwissenschaften in ihren Leistungen überlegen", sagt Kristine Schulz, stellvertretende Landesvorsitzende des Verbandes. Das bloße Auswendiglernen von medizinischen Fachbegriffen halte sie für "sinnentleert". "Deshalb, aber auch wegen der im Lateinunterricht erfolgenden Werterziehung und Entwicklung von Ausdauer und Sorgfalt erscheinen mir Latein und Altgriechisch für künftige Mediziner unverzichtbar oder zumindest wünschenswert zu sein." Heike Schmoll sagte in einem Vortrag für den Deutschen Altphilologenverband: "Lateinunterricht ist eine gesellschaftliche Institution in Grundlagenqualifikationen, deren Transferierbarkeit auf andere Bereiche plausibel unterstellt werden darf."
In Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Latein und/oder Altgriechisch lernenden Schüler in den vergangenen Jahren konstant geblieben. Bei insgesamt gesunkener Schülerzahl ist statistisch gesehen ein prozentualer Anstieg zu verzeichnen.
"Unterstützung" findet die Medizinische Fakultät auch bei Johann Wolfgang von Goethe. Ein Vers aus den "Zahmen Xenien" lautet: "Du musst als Knabe leiden/ Daß Dich die Schule tüchtig recht. / Die alten Sprachen sind die Scheiden, / darin das Messer des Geistes steckt."
Ansprechpartner:
Jens Müller
Pressesprecher
Universitätsklinikum der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Tel.: 0345 55 71032
E-Mail: jens.mueller@medizin.uni-halle.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Studium und Lehre
Deutsch
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