Ein Redaktionsteam von zwölf Wissenschaftsjournalisten macht Forschungsthemen populär. Unter dem Motto "Täglich grüßt die Wissenschaft" veröffentlicht die "Murmeltier-Redaktion" derzeit an jedem Wochentag jeweils eine Glosse und einen populärwissenschaftlichen Kurztext zu aktuellen Themen aus "Europas heißester Forschungsregion".
Alle Texte sind frei zur Veröffentlichung.
Einfach abzurufen unter http://www.braunschweig.de/murmeltier.
Braunschweig ist Stadt der Wissenschaft 2007. In diesem Jahr werden hier Themen aus den 25 Forschungseinrichtungen der Stadt nicht belehrend oder werbend, sondern unterhaltsam und mit nonchalanter Beiläufigkeit vermittelt. Die "Murmeltier-Redaktion" sorgt dafür, dass täglich eine Forschungsgeschichte erscheint, mit Themen von der Ökologie bis zur Computergrafik, von der mittelalterlichen Literaturgeschichte bis zur Materialforschung und Nanotechnologie. Alltägliches und Exzentrisches, Erstaunliches und Banales werden Tag für Tag auf den Punkt gebracht.
Alle Texte sind zur Veröffentlichung freigegeben. Wir freuen uns bei Abdruck über einen Hinweis auf die Homepage.
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Zwei Beispiele:
Herrscher über künstliche Fluten
Faktentext:
Die Versuchshalle des Leichtweiß-Institutes (LWI) an der Technischen Universität Braunschweig zählt mit 5600 Quadratmetern zu den größten in Europa. Hier entstehen Sturmfluten, fließen Flüsse im Miniaturformat. Das größte Modell ist der Wellenkanal: ein zwei Meter breites Betonbecken, lang wie drei ICE-Waggons. Die LWI-Forscher testen darin unter anderem die Standfestigkeit von Strandmauern oder Deichen. In naturgetreu nachgebauten Flussmodellen untersuchen sie die Wechselwirkungen von Flussströmungen und Bauwerken, wie Staudämmen und Schleusen. Und um Szenarien ganzer Flussgebiete zu entwickeln, arbeiten die Forscher mit Computersimulationen. Meistens geht es dabei um die Frage, was passiert, wenn ein Jahrhunderthochwasser kommt. Mit Hilfe der Simulationen können Städte oder Gemeinden beispielsweise entscheiden, wie nahe sie an einen Fluss heran bauen können. Die Forscher untersuchen zudem, ob Gewässer sauber sind und wie sie nachhaltig genutzt werden können.
Glosse
Wellenrauschen
Sich auf der Luftmatratze gemütlich von den Wellen durchschaukeln lassen: ein beliebtes Meditations-Motiv mit ungemein entspannender Wirkung. Jedenfalls solange keine Monsterwelle die beruhigenden Bilder kreuzt. Immerhin sollen solche bis zu 50 Meter hohen "freak waves" viel häufiger auftauchen, als man jahrhundertelang dachte. Erst vor knapp drei Jahren, dank detaillierter Satellitenaufnahmen, entdeckten Forscher, dass sich die Wellenungetüme in manchen Meeresgefilden sogar mehrmals im Monat auftürmen. Die wind- und strömungsgeborenen Freaks unter den Wellen darf man übrigens nicht verwechseln mit den Tsunamis, die durch Seebeben entstehen. Verheerende Wirkung können auch die Wellen einer Sturmflut entfalten. Sie sind für deutsche Küsten nach wie vor die größte Bedrohung. In einem 100 Meter langen Betonkanal des Leichtweiß-Institutes der Technischen Universität Braunschweig lassen Forscher deshalb gezielt modellierte Wasserberge an Miniaturdeichen brechen. So können sie zum Beispiel vorhersagen, ob die Nordseeinseln ausreichend gegen Sturmfluten geschützt sind. Erst wenn die Forscher Entwarnung geben, können sich die Insel-Verantwortlichen und auch Wellenfreaks wieder beruhigt dem Meeresrauschen hingeben.
"Nanotext"
5600
... Quadratmeter misst die Versuchshalle der Wasserforscher an der TU Braunschweig. Die Halle ist kleiner als ein Fußballfeld und dennoch Champions League: ein Mekka für Wasserforscher aus der ganzen Welt.
Andrea Hoferichter (ah) freie Autorin.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Andreas Dittrich
Technische Universität Braunschweig
Leichtweiß-Institut für Wasserbau
Beethovenstraße 51a
38106 Braunschweig
Telefon: +49 (0) 531-391 3979
http://www.tu-braunschweig.de
http://www.lwi.tu-bs.de/
E-Mail: lwi@tu-braunschweig.de
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Wie konstant sind Naturkonstanten?
Faktentext:
Ändern sie sich oder ändern sie sich nicht? Diese Frage treibt Astrophysiker und Theoretiker seit vielen Jahren um, wenn die Rede auf Naturkonstanten kommt. Sind Lichtgeschwindigkeit, Elementarladung oder Planckkonstante vom Anbeginn der Zeiten mit sich identisch geblieben - wie die Behauptung, Naturkonstante zu sein, vermuten lässt - oder nagt auch an diesen ehernen Größen der Zahn der Zeit? Physiker der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig haben jetzt mit Hilfe von Atomuhren und optischen Frequenznormalen eine zeitliche Änderung der Feinstrukturkonstanten alpha aufzuspüren versucht. Das Ergebnis: Die Wissenschaftler konnten mit ihren Präzisionsmessungen keine Variation feststellen. Sollte sich alpha dennoch zeitlich ändern, dann lediglich um weniger als einen Bruchteil von 4 o 10- 16 pro Jahr und damit unterhalb der heute erreichbaren Messgenauigkeit.
Ein Experiment, um eine Veränderung einer Naturkonstanten tatsächlich zu beobachten, sieht im Prinzip so aus: Miss eine Naturkonstante heute, warte eine Weile, miss die Naturkonstante erneut und schau nach, ob sich das Messergebnis verändert hat. Je kürzer die verstrichene Zeit zwischen den beiden Messungen, um so ähnlicher werden sich die beiden Messungen sein und um so genauer muss der Experimentator hinsehen, um eine Änderung überhaupt erkennen zu können - denn Naturkonstanten "leben" auf einer Zeitskala, die sich in Milliarden von Jahren misst. Schnelle Veränderungen innerhalb weniger Jahre sind da nicht zu erwarten. Die PTB-Physiker aus der Gruppe um Ekkehard Peik haben sich daher Zweierlei genommen: Erstens etwas Zeit - genauer gesagt: fünf Jahre -, um ihre Messungen durchzuführen, und zweitens die präzisesten Messgeräte, die weltweit zur Verfügung stehen: Atomuhren und optische Frequenznormale.
Bei den fünf Jahre auseinander liegenden Messungen konnten keine signifikanten Änderungen beobachtet werden. Sollte es dynamische Entwicklungen der Konstanten in der Frühzeit des Universums gegeben haben, so sind diese in unserer Zeit offensichtlich so weit abgeklungen, dass sie an der Grenze heutiger Messpräzision nicht nachweisbar sind.
Glosse:
Foul ist, wenn der Schiri pfeift
"Schiri raus! Schiri raus!" So schallt es gerne durch die Stadien. Dies immer dann, wenn sich die Regelauslegung des Herrn in Schwarz dem fachkundigen Publikum nicht auf Anhieb erschließt. In gewissen Fällen steht der schwarze Mann derart in der Kritik, dass er es nach der Arbeit vorzieht, etwas länger in der Kabine zu bleiben.
Während die Sportwelt noch diskutiert, dem Schiedsrichter einen Beobachter tribünenwärts zur Seite zu stellen, handelt die Wissenschaft. Einer der schärfsten Spielbeobachter arbeitet in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und schaut sich - zwar nicht von der Tribüne, sondern vom Labor aus - ein ganz besonderes Spiel an. Das Spiel heißt "Evolution des Kosmos", dauert schon über 14 Milliarden Jahre und der Schlusspfiff ist noch längst nicht in Hörweite.
Mit den schärfsten Messinstrumenten, den Atomuhren neuester Generation, guckt Ekkehard Peik nach, ob sich die grundlegenden Spielregeln der Natur, die in Form von Naturkonstanten aufgeschrieben sind, vielleicht im Laufe der Zeit ändern. (Man stelle sich das vor: Was in der ersten Halbzeit als Foul bestraft wird, gilt in Halbzeit Zwo als regelkonform. Unerhört!)
Aber eben eine solche unerhörte Begebenheit wird von vielen prophezeit. Noch kann Ekkehard Peik Entwarnung geben. Alles im grünen Bereich. Keine Veränderungen festzustellen. Aber der große Schiedsrichter bleibt weiter unter Beobachtung. Wir melden uns wieder.
"Nanotext":
137
... ist nicht nur eine Zahl, sondern die "(inverse) Feinstrukturkonstante" - Physikers Liebling. Noch. Denn ihre Konstanz wird bezweifelt.
Jens Simon (jes) ist Pressesprecher der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB).
Weitere Informationen:
Dr. Ekkehard Peik
PTB-Arbeitsgruppe "Optische Uhren mit einzelnen Ionen"
Telefon: +49 (0) 531 592 - 44 12
http://www.ptb.de
E-Mail: ekkehard.peik@ptb.de
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
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überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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