In einer gerade verabschiedeten Empfehlung des Präsidiums der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina fordert diese die Abschaffung der Stichtagsregelung für den Import von humanen embryonalen Stammzellen, die Möglichkeit der Nutzung der humanen embryonalen Stammzellen über den Grundlagenforschungsbereich hinaus und die Abschaffung der Strafvorschriften zum Umgang mit diesen Zellen. Die Stellungnahme kann unter http://www.leopoldina-halle.de/StemCells.pdf nachgelesen werden.
Im internationalen Forschungsgeschehen beginnt bereits der Einsatz von humanen embryonalen Stammzellen zu medizinischen Zwecken: Dazu gehören u. a. sogenannte krankheitsspezifische humane embryonale Stammzellen, die in ihrem Genom einen Defekt tragen, der Ursache für die Erkrankung ist; sie bieten die Möglichkeit, Krankheitsprozesse auf zellulärer Ebene zu analysieren und gegebenenfalls gezielt Medikamente gegen die Erkrankung an diesen Zellkulturen in vitro zu testen. Weiterhin können diese Zellen beispielsweise zur Entwicklung neuer Wirkstoffe für Zellregenerationsprozesse verwendet werden.
Dagegen ist in Deutschland die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen strafrechtlich verboten. Zudem ist ihre Verwendung für diagnostische, therapeutische und präventive Zwecke untersagt. Ausnahmen gelten lediglich für Arbeiten mit Zelllinien, die im Ausland vor dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden. Die Anzahl der vor diesem Stichtag gewonnenen humanen embryonalen Stammzelllinien hat sich inzwischen auf wenige brauchbare Linien reduziert. Diese den deutschen Wissenschaftlern zugänglichen Zelllinien sind für die medizinische Forschung nur bedingt tauglich und können für angewandte Forschungsarbeiten, die auf einen klinisch-therapeutischen Einsatz am Menschen abzielen, überhaupt nicht verwendet werden.
Im Ausland steht seit 2006 eine neue Generation von humanen embryonalen Stammzellen zur Verfügung. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die Publikation von Peter Löser und Anna Wobus "Aktuelle Entwicklungen in der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen" in der Mai-Ausgabe 2007 der Naturwissenschaftlichen Rundschau und online unter http://www.naturwissenschaftliche-rundschau.de (auch nachzulesen unter http://www.leopoldina-halle.de/aktuell_stemcells.pdf). Der deutschen Stammzellforschung sind diese vielversprechenden Zelllinien jedoch verwehrt.
Die Leopoldina hält es deshalb für dringend erforderlich, auch eine gesundheitsbezogene Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für zukünftige Anwendungen zu gestatten. Die Leopoldina fordert den Gesetzgeber nachdrücklich auf, die Novellierung des Stammzellgesetzes anzugehen und den Import neuer Zelllinien zuzulassen, die Nutzung der humanen embryonalen Stammzellen über die Grundlagenforschung hinaus zu erlauben und die im Stammzellgesetz enthaltenen Strafvorschriften zu ändern.
Deutschland besitzt eine hochrangige zellbiologische Forschung; zahlreiche junge motivierte Wissenschaftler bilden ein großes Innovationspotential. Nur wenn die Rahmenbedingungen für die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen in Deutschland an internationale Standards angepasst werden, kann der zunehmenden Isolation deutscher Wissenschaftler in der internationalen Stammzellforschung entgegengewirkt werden.
Zur Akademie Leopoldina
Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina (gegründet 1652 in Schweinfurt) mit Sitz in Halle an der Saale (seit 1878) ist eine überregionale Gelehrtengesellschaft mit gemeinnützigen Aufgaben und Zielen. Sie fördert inter- und transdisziplinäre Diskussionen durch öffentliche Symposien, Meetings, Vorträge, die Arbeit von Arbeitsgruppen, verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse, berät die Öffentlichkeit und politisch Verantwortliche durch Stellungnahmen zu gesellschaftlich relevanten Themen, fördert junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und sie betreibt wissenschaftshistorische Forschung.
Der Leopoldina gehören zurzeit 1 250 Mitglieder in aller Welt an. Drei Viertel der Mitglieder kommen aus den Stammländern Deutschland, Schweiz und Österreich, ein Viertel aus 30 weiteren Ländern. Zu Mitgliedern werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen sowie aus den Kultur-, Technik-, empirischen Geistes-, Verhaltens- und Sozialwissenschaften gewählt, die sich durch bedeutende Leistungen ausgezeichnet haben. Unter den derzeit lebenden Nobelpreisträgern sind 33 Mitglieder der Leopoldina.
Rückfragen richten Sie bitte an: Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug, Generalsekretärin der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Politik, Recht
überregional
Wissenschaftspolitik
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).