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08.07.2007 19:00

Wie im Film

Sonja Jülich Public Science Center
Rudolf-Virchow-Zentrum / DFG - Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin

    Würzburger Forscher zeigen wie Tumorzellen wandern

    Würzburg, 08. Juli 2007. Wie Tumorzellen, ja ganze Tumoren sich im Körper ausbreiten - das beschreiben Forscher aus Würzburg, USA und Kanada heute in der Online-Ausgabe von "Nature Cell Biology" erstmals an einem dreidimensionalen Modell. In mehreren Filmen zeigen sie auch für den Laien verständlich, wie sich die Tumoren ihren Weg durchs Gewebe bahnen. Für die Forschung liefern ihre Ergebnisse ein grundlegendes Verständnis für die Therapie von Tumorerkrankungen.

    Wie ein Kletterer am Berg wandern Tumorzellen in lebenden Geweben. Mit kleinen Greifarmen heften sie sich an das Gewebe und ziehen sich daran entlang. Doch das ist nicht die ganze Geschichte. Eigentlich ist das Gewebe eher ein festes Netz, das sich oben, unten und seitlich um die Tumorzellen herumspannt - und ist damit für die Zellen viel zu dicht, um sich darin frei bewegen zu können. Also schneiden sich die Zellen mit molekularen Helfern ständig das Netz zurecht, bilden einen kleinen Pfad und bauen die losen Netzenden wieder so zusammen, dass sie sich mit ihren "Füßen" daran abdrücken können. Dramatischer wird es, wenn sich eine ganze Tumormasse im Kollektiv ihren Weg durch das Gewebe bahnt. Dann wird aus dem kleinen Pfad eine riesige Röhre, in deren Inneren mehrere Zellen nebeneinander Platz haben.

    Welche molekularen Helfer die Zelle hat, um sich im Gewebe fortzubewegen, das ist seit längerem bekannt: Integrine, mit denen sich die Zelle am Gewebe festhält und Proteasen, die das Gewebe zerschneiden, sind die wichtigsten. Wie der gesamte Bewegungsablauf in einem echten drei-dimensionalen Gewebe abläuft, wusste jedoch niemand. "Wir konnten uns bisher zwar ungefähr vorstellen, wie sich die Tumorzellen im Gewebe bewegen. Um aber den genauen Bewegungsablauf zu verstehen, ist es unbedingt nötig, die Zellen in einem drei-dimensionalen Gewebe zu beobachten. Dort haben sie nämlich ganz andere Hindernisse", so Prof. Dr. Peter Friedl, Forscher am Rudolf-Virchow-Zentrum/DFG Forschungszentrum und an der Hautklinik der Universität.

    So ließen Versuche im Reagenzglas beispielsweise annehmen, dass die Tumorzellen mit ihren Armen nicht nur zugreifen, sondern gleichzeitig den Weg wie eine Art Bagger für den nachfolgenden dickeren Zellkörper freimachen. Das wäre allerdings so, als würde man den Ast auf dem man sitzt absägen, denn nachkommende Massen oder auch nur die hinteren Enden der Zelle könnten sich dann nicht mehr festhalten. "In unseren Filmen ist ganz deutlich zu sehen, dass erst dort Gewebe zerschnitten wird, wo es für die Zelle zu eng wird. Danach wird ein Teil der losen Enden wieder zusammengeflickt, damit die hinteren auch noch Gewebe zum Abstützen haben", berichtet Friedl. Auch wie die molekularen Helfer die Wanderung ganzer Tumormassen ermöglichen, war nicht bekannt - obwohl Histologen schon länger wissen, dass Tumorzellen bevorzugt in ganzen Zellmassen wandern.

    Gemeinsam mit Dr. Katarina Wolf entwickelte er eine Art Ersatzgewebe, Kollagen aus Rindern, in dem sich ein künstlich erzeugter Tumor wie im lebenden Körper ausbreiten kann - in drei Dimensionen. Über viele Jahre haben sie Methoden entwickelt, mit denen sie nun das gesamte Gewebe, dessen Auf- und Umbau und die einzelnen molekularen Helfer erstmals zusammen in zeitlicher Folge sichtbar machen können. Biochemie live unter dem Mikroskop sozusagen. Nach diesem riesigen Erfolg überprüfen die Forscher nun die Gültigkeit direkt im lebenden Organismus. Die Versuche laufen, erste Ergebnisse bestätigen die Übertragbarkeit der Daten.

    Die frühzeitige Entdeckung eines Tumors ist nach wie vor die wichtigste Vorsorge bei Krebs. Wie schnell sich aber ein Tumor im Körper ausbreitet und wie man ihn daran hindern kann, darüber gibt es nur wenig Kenntnis. Lassen sich Peter Friedls Ergebnisse übertragen, könnte man mit der Methode diesen Fragen direkt im lebenden Organismus auf die Spur kommen.

    Die Forschungen liefen in Kooperation mit Jörg Geiger vom Institut für Klinische Biochemie und Pathobiochemie, Yi Wu, Yueying Liu und Sharon Stack von der Northwestern University Feinberg Medical School, Chicago, sowie Eric Tam und Christopher Overall von der University of British Columbia, Vancouver.

    Gerne schicken wir Ihnen die Publikation auf Anfrage zu, Bilder können zur Verfügung gestellt werden.

    "Multi-step pericellular proteolysis controls the transition from individual to collective cancer cell invasion", Katarina Wolf, Yi I. Wu, Yueying Liu, Jörg Geiger, Eric Tam, Christopher Overall, M. Sharon Stack, Peter Friedl, Nature Cell Biology 2007, published online 08 July 2007; DOI: 10.1038/ncb1616

    Kontakt: Rudolf-Virchow-Zentrum / DFG-Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin Sonja Jülich (Leiterin Öffentlichkeitsarbeit)
    Telefon 0931 / 201 487 14, Mobil: 0174-2118850
    Email: sonja.juelich@virchow.uni-wuerzburg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.rudolf-virchow-zentrum.de


    Bilder

    Einzelne Tumorzelle (rot), die durch ein Kollagengewebe (schwarz, linkes Bild grau) wandert. Dort wo es zu eng wird, schneiden molekulare Helfer (Proteasen) den Weg frei. Gewebefasern, die sich gürtelartig um die Zelle legen, werden geschnitten (grüne Stellen) und weggedrückt.
    Einzelne Tumorzelle (rot), die durch ein Kollagengewebe (schwarz, linkes Bild grau) wandert. Dort wo ...
    Quelle: Nature Cell Biology, DOI: 10.1038/ncb1616
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    Eine Tumormasse (grün: Zytoskelett der Zelle, rot/gelb: Zellkern) wandert von unten in ein Gewebe (grau) ein. Die Masse bildet riesige Röhren aus, in denen mehrere Zellen nebeneinander Platz finden. Blaue Stellen geben an, wo das Gewebe von der Zelle geschnitten wird. Links die normale Wanderung, rechts wurden die Scheren der Zellen, die Proteasen, blockiert. Folge: Nur noch einzelne Zellen kommen voran, die Tumormasse kommt als Ganzes nicht mehr vorwärts.
    Eine Tumormasse (grün: Zytoskelett der Zelle, rot/gelb: Zellkern) wandert von unten in ein Gewebe (g ...
    Quelle: Nature Cell Biology, DOI: 10.1038/ncb1616
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Einzelne Tumorzelle (rot), die durch ein Kollagengewebe (schwarz, linkes Bild grau) wandert. Dort wo es zu eng wird, schneiden molekulare Helfer (Proteasen) den Weg frei. Gewebefasern, die sich gürtelartig um die Zelle legen, werden geschnitten (grüne Stellen) und weggedrückt.


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    Eine Tumormasse (grün: Zytoskelett der Zelle, rot/gelb: Zellkern) wandert von unten in ein Gewebe (grau) ein. Die Masse bildet riesige Röhren aus, in denen mehrere Zellen nebeneinander Platz finden. Blaue Stellen geben an, wo das Gewebe von der Zelle geschnitten wird. Links die normale Wanderung, rechts wurden die Scheren der Zellen, die Proteasen, blockiert. Folge: Nur noch einzelne Zellen kommen voran, die Tumormasse kommt als Ganzes nicht mehr vorwärts.


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