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27.11.2007 11:07

Wenn Drogenhändler, Bettler und bunte Vögel Ärger machen: Was Städte gegen die "offenen Szenen" tun dürfen

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Nr. 358

    RUB-Jurist erhält Preis für seine Dissertation

    Drogenhändler und -konsumenten, Obdachlose, Prostituierte nebst Freiern, "Punks" und "Gothics" sind bei Passanten, Anwohnern und Geschäftsanliegern nicht gern gesehen. Bund, Länder und Kommunen entwickeln und praktizieren daher seit 1990 vermehrt sicherheitspolitische Konzepte gegen diese "offenen Szenen". Polizei- und Ordnungsrecht geben das aber eigentlich nicht her, so das Ergebnis der Dissertation von Dr. Thorsten Finger (Betreuer: Prof. Dr. Martin Burgi, Juristische Fakultät der Ruhr-Universität). Er plädiert dafür, dass sich die Städte und Gemeinden als Träger kommunaler Selbstverwaltung der "offenen Szenen" annehmen müssen und befürwortet für sie weiter gehende Rechte. Seine Arbeit "Die offenen Szenen der Städte - Gefahrenabwehr-, kommunal- und straßenrechtliche Maßnahmen zur Wahrung eines integren öffentlichen Raums" wurde jetzt mit der "Kommunalwissenschaftlichen Prämie" der Stiftung der deutschen Städte, Gemeinden und Kreise zur Förderung der Kommunalwissenschaften in Verbindung mit der Carl und Anneliese Goerdeler-Stiftung ausgezeichnet.

    Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung

    "Das Phänomen der 'offenen Szene' hat vielerorts Dimensionen angenommen, die es nicht nur zu einem Gegenstand soziologischer, sondern zunehmend auch rechtspolitischer wie rechtlicher Diskussionen gemacht haben", beschreibt Dr. Finger den Ausgangspunkt seiner Dissertation. Er zeigt auf, dass seit Beginn der 1990er Jahre auf der Ebene sowohl des Bundes als auch der Länder und der Kommunen vermehrt sicherheitspolitische Konzepte entwickelt und praktiziert werden, um "Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung" in den (Innen-)Städten wiederherzustellen.

    Brisante Frage: Dürfen Polizei und Ordnungsbehörden einschreiten?

    Diese Konzepte unterzieht Thorsten Finger einer juristischen Prüfung. Er geht der brisanten Frage nach, ob und unter welchen Voraussetzungen zum Beispiel der Alkoholgenuss, das Betteln oder ähnliche Verhaltensweisen in Innenstädten durch die Polizei- und Ordnungsbehörden überhaupt mit den Mitteln des Rechts unterbunden werden dürfen. "Das Polizei- und Ordnungsrecht bietet den Behörden kaum Spielräume für solche Verbote", lautet sein Fazit. Nach eingehenden Analysen der ordnungsrechtlichen Maßnahmen ordnet er die Bewahrung der städtischen Ordnung weniger dem Gefahrenabwehrrecht als vielmehr dem Aufgabenkreis kommunaler Selbstverwaltung zu (Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes).

    Städte sollen für Ordnung sorgen

    Er schlägt vor, dass sich die Städte und Gemeinden den Problemen rund um die "offenen Szenen" annehmen. Sie könnten den Schwierigkeiten etwa in Parkanlagen, auf Kinderspielplätzen und an ÖPNV-Haltestellen mittels kommunalrechtlicher Einrichtungssatzungen Einhalt gebieten, die der Stadtrat erlässt: "An solchen Orten agiert die Stadt quasi wie ein Hausherr, der die Hausregeln bestimmen darf", erläutert Dr. Finger. Im Einzelfall durchgesetzt wird ein in einer Satzung enthaltenes Verbot durch die Außendienstmitarbeiter der kommunalen Rechts- und Ordnungsämter oder durch die Polizei. "Entscheidend ist, dass mit der Satzung den Außendienstbeamten eine rechtliche Grundlage an die Hand gegeben wird, die das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht ansonsten nicht bereit hält", so Dr. Finger.

    Länder sollten Städten neue Möglichkeiten eröffnen

    Anders sieht es mit Fußgängerzonen und anderen öffentlichen Straßen aus; hier gilt das Straßen- und Wegegesetz. Die Stadt fungiert hier nicht als "Hausherr", sondern die Straßen stehen im Gemeingebrauch. Und dazu gehört eben auch das Verweilen, um zum Beispiel ein Eis zu essen, eine Cola oder eben auch ein Bier zu trinken. "Die Regelungs- und Steuerungsmöglichkeiten hinsichtlich bestimmter Verhaltensweisen auf den Straßen sind daher nach dem geltenden Straßenrecht eingeschränkt", erklärt Thorsten Finger. "Daher wäre es sinnvoll, den Städten auch für diese Bereiche die Möglichkeit zu eröffnen, Satzungen zu erlassen, in denen Verhaltenweisen, die für Ärger sorgen, verboten werden könnten." Finger befürwortet demgemäß den Erlass einer neuen Ermächtigung durch die Landesgesetzgeber, die die Gemeinden auch und gerade für den Bereich öffentlicher Straßen zum Erlass von Satzungen zur "Bewahrung des Stadtbilds- wie -lebens" berechtigt. "Auch solche Satzungen könnten sodann - wie die kommunalrechtlichen Einrichtungssatzungen - von den Außendienstmitarbeitern der städtischen Rechts- und Ordnungsämter oder durch die Polizei im Einzelfall durchgesetzt werden."

    Dissertation im Buchhandel erhältlich

    Dr. Thorsten Finger absolvierte sein Jurastudium an der Ruhr-Universität Bochum und arbeitete hier zuletzt als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Berg- und Energierecht. Seit Oktober 2007 ist er Verwaltungsrichter in Gelsenkirchen. Seine Doktorarbeit ist im Verlag Duncker & Humblot in der Schriftenreihe zum Öffentlichen Recht erschienen und im Buchhandel erhältlich. Nachdem sie bereits Anfang des Jahres mit dem FORSI-Wissenschaftspreis der Universität Hamburg ausgezeichnet worden ist, wird sie nun schon zum zweiten Mal prämiert.

    Titelaufnahme

    Thorsten Finger: Die offenen Szenen der Städte. Duncker & Humblot, Berlin 2006, ISBN-10: 3428122100, ISBN-13: 978-3428122103

    Weitere Informationen

    Dr. Thorsten Finger, Tel. 0234/5884445, E-Mail: thorsten.finger@gmx.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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