idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
10.12.2007 09:15

Alkin-Metathese: Ein Generalschlüssel zu neuen Materialien und Medikamenten

Dr. Elisabeth Hoffmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig

    TU Braunschweig: Effiziente Spaltung von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Dreifachbindungen bei Raumtemperatur

    Das Element Kohlenstoff gehört zu den wichtigsten Bausteinen des Lebens und kommt in allen Lebewesen sowie überall in unserer Umwelt vor. Kohlenstoffatome können sich untereinander und auch mit anderen chemischen Elementen durch Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen zu Ketten und Ringen zusammenschließen und besitzen dadurch die Fähigkeit, komplexe Moleküle zu bilden. Forscher an der Technischen Universität Braunschweig haben jetzt eine Methode entwickelt, mit der sie Kohlenstoff-Kohlenstoff-Dreifachbindungen bei Raumtemperatur spalten und neu knüpfen können. Prof. Matthias Tamm und sein Team haben zu diesem Zweck einen speziellen Katalysator geschaffen. Dieser hochaktive Metallkomplex ist ein Schlüssel zu einer Vielzahl neuer Materialien, von neuen Medikamenten über bisher unbekannte Hightechprodukte bis hin zu Schmetterlingsdüften. ("Angewandte Chemie" Volume 119, Issue 46, Pages 9047-9051.)

    2005 wurde der Nobelpreis für Chemie an Wissenschaftler verliehen, die es geschafft hatten, hochaktive Katalysatoren für die Spaltung von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen zu entwickeln. Die Entdeckung löste eine Vielzahl neuer Forschungsarbeiten aus, die in der Pharmaindustrie ebenso umgesetzt werden wie zum Beispiel in der Entwicklung moderner Kautschukmaterialien. Die Spaltung der stabileren Dreifachbindungen ist im Vergleich dazu wesentlich aufwendiger und ermöglicht im Erfolgsfalle ein noch größeres Anwendungsspektrum.

    "Doppelbindungen in bestimmten Kohlenwasserstoffen - Alkene oder auch Olefine genannt - kann man sich so vorstellen, als ob die beteiligten Atome einander beide Hände reichen. Bei den festeren Dreifachbindungen in Alkinen umfasst zusätzlich gleichsam noch je ein Bein das jeweils andere", erläutert Prof. Matthias Tamm die Grundlagen. Wenn man nun diese Bindungen löst beziehungsweise spaltet, können die Molekülhälften ihre Plätze tauschen und untereinander neu kombiniert werden. Es kommt zur Metathese (meta = wechsel; these = Position).

    Spezielle Katalysatoren bewirken diese Reaktion: Imidazolin-2-iminato-Alkylidinwolframkomplexe, das sind Moleküle, die ihrerseits eine Metall-Kohlenstoff-Dreifachbindung besitzen und dadurch zur Wechselwirkung mit Kohlenstoff-Kohlenstoff-Dreifachbindungen und deren Spaltung befähigt sind. Die Grundlagen dieser Chemie wurden vom deutschen Nobelpreisträger für Chemie (1973) Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ernst Otto Fischer (*1918, ?2007) gelegt, der zum ersten Mal die Existenz von Metall-Kohlenstoff-Dreifachbindungen nachweisen konnte. Die neuen Katalysatoren wurden jetzt von Tamm und seiner Arbeitsgruppe zum Patent angemeldet. Sie beschleunigen wie alle Katalysatoren die erwünschten chemischen Reaktionen, ohne dabei selbst verbraucht zu werden.

    Neue Medikamente und Schmetterlingsdüfte

    "Im Laborversuch ist die Alkinmetathese in der Vergangenheit mehrfach gelungen", so Tamm. "Aber erst durch unsere Katalysatoren kann man diese Reaktion bereits bei Raumtemperatur erreichen. Dadurch wird das Verfahren für die industrielle Nutzung besonders interessant." Das Spektrum neuer Produkte ist sehr groß und wird erst in den nächsten Jahren voll erschlossen sein. Zu den wichtigsten Anwendungsgebieten gehören die Entwicklung neuartiger Medikamente und neuer Kunststoffe.

    So wurden in Kooperation mit der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Alois Fürstner vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr bereits erste Erfolge bei der Synthese von pharmakologisch aktiven Naturstoffen erreicht. Eine ähnliche Zusammenarbeit besteht auch mit Prof. Dr. Stefan Schulz vom Institut für Organische Chemie der TU Braunschweig, in deren Rahmen die Synthese von Schmetterlings-Duftstoffen untersucht wird.

    Leuchtende Farben für ultradünne Monitore

    Auch das Institut für Hochfrequenztechnik der TU Braunschweig ist an den neuen Katalysatoren zur Herstellung von elektrooptischen Verbindungen interessiert. Unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Kowalsky und Dr. Hans-Hermann Johannes werden dort ultraflache, flexible Bildschirme entwickelt. Sie funktionieren auf der Basis organischer Materialien, die Licht aussenden. Ziel ist es, in Zukunft Monitore anbieten zu können, die dünn wie Plastiktüten sind und dabei brillante, von allen Blickwinkeln sichtbare Bilder liefern.

    "Wir haben bereits Materialproben hergestellt, die intensiv leuchten und für den Aufbau von organischen Leuchtdioden (OLED) geeignet sind. Die Synthese dieser Farbstoffe, die aus konjugierten Benzolringen und Kohlenstoff-Kohlenstoff-Dreifachbindungen bestehen, wurde durch den Einsatz der Alkinmetathese extrem vereinfacht," berichtet Tamm. "Nun steht die Synthese größerer Substanzmengen und die Variation der chemischen Struktur an, um Licht in verschiedenen sichtbaren Farben erzeugen zu können". Dabei wird auch mit der Firma Innochemtech zusammengearbeitet, die Räumlichkeiten am Institut für Anorganische und Analytische Chemie nutzt. So wurden EU-Fördermittel beantragt, um zukünftig die Produktion und den Vertrieb der patentierten Katalysatoren zu entwickeln.

    Kontakt:

    Professor Dr. Matthias Tamm
    Institut für Anorganische und Analytische Chemie
    der Technischen Universität Braunschweig
    http://www.tu-braunschweig.de/iaac
    Tel.-Nr.: +49 (0)531 391-5309
    E-Mail: m.tamm@tu-braunschweig.de

    Stephan Beer (MSc)
    Tel.-Nr.: +49 (0) 531 391-5320
    E-Mail: stephan.beer@tu-braunschweig.de


    Weitere Informationen:

    http://www.tu-braunschweig.de/
    http://www.tu-braunschweig.de/iaac


    Bilder

    Prof. Matthias Tamm (rechts) und Stephan Beer betrachten den Katalysator, der unter Argon-Schutzgas in einer Glovebox (einem Handschukasten) gehandhabt wird.
    Prof. Matthias Tamm (rechts) und Stephan Beer betrachten den Katalysator, der unter Argon-Schutzgas ...
    TU Braunschweig / Pressestelle
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Elektrotechnik, Energie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Prof. Matthias Tamm (rechts) und Stephan Beer betrachten den Katalysator, der unter Argon-Schutzgas in einer Glovebox (einem Handschukasten) gehandhabt wird.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).