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29.01.2008 11:49

Ansturm auf erste Bürgeruniversität: Die FernUniversität stillte den Bildungshunger in Coesfeld

Susanne Bossemeyer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
FernUniversität in Hagen

    Geradezu einen Ansturm Bildungshungriger erlebten die Organisatoren der ersten "Coesfelder Bürgeruniversität" der FernUniversität, die am 26. Januar im Studienzentrum im WBK - Wissen Bildung Kultur stattfand: Zu der auf 20 Teilnehmende begrenzten Veranstaltung "Einmal unten - immer unten? Chancengleichheit in Deutschland" von Prof. Dr. Holger Lengfeld, Ernsting's family-Stiftungsprofessur für Soziologische Gegenwartsdiagnosen der FernUniversität, hatten sich vorab 60 Interessierte angemeldet. Daher wird es bereits zu dem ersten Thema mindestens eine Folgeveranstaltung für die diesmal nicht Berücksichtigten geben.

    Für die Teilnehmenden aller Altersgruppen aus Coesfeld und weit darüber hinaus jedenfalls waren die über vier Stunden im WBK ein Gewinn: "Eine runde Sache... Ich habe viele neue Anregungen erhalten... Sehr gut investierte Zeit... Das hat mich sehr zum Nachdenken bewegt..." waren sich alle am Schluss einig. Die meisten von ihnen kamen aus beruflichem, ehrenamtlichem oder privatem Interesse: in der Erwachsenenbildung Tätige, sozial Engagierte, Lehrer und Lehrerinnen, Rentner, Unternehmer und Selbstständige, Politikerinnen und Politiker, FernUni-Studierende. Und manche waren auch "einfach nur neugierig". Viele machten sich konzentriert Notizen, alle arbeiteten mit.

    So bunt gemischt wie die Teilnehmenden waren auch ihre Lebenserfahrungen, die sie in die Arbeit einbringen konnten. So entspannen sich engagierte und höchst interessante Diskussionen aus vielen persönlichen Blickwinkeln und mit vielen individuellen Facetten. Auch Coesfelds Bürgermeister Heinz Öhmann nahm die ganze Zeit aktiv teil: "Ich freue mich, dass eine solche universitäre Veranstaltung nicht nur in Universitätsstädten stattfindet, sondern auch hier".

    Prof. Lengfeld zeigte sich glücklich, dass dieses Angebot der Ernsting's family-Stiftungsprofessur auf ein solches Interesse stieß: "Es gibt in Deutschland nicht sehr viele Veranstaltungen dieser Art. Nun wissen wir, dass die Menschen in Coesfeld und im ganzen Münsterland großes Interesse an Bildung aus wissenschaftlichem Niveau haben." Die Begrenzung der Teilnehmerzahl "ist für die Qualität der Arbeit in den Einzelgruppen leider notwendig". Denn nach dem einführenden Vortrag seines Mitarbeiters Dr. Jochen Hirschle erarbeiteten die 20 Damen und Herren in vier Gruppen parallel Ergebnisse zu einzelnen Fragestellungen, die anschließend allen vorgestellt wurden. Hierbei gab Prof. Lengfeld zusätzliche Informationen und erläuterte den Stand der Forschung. Interessant war auch, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten, wie sie Informationen sammeln und aufarbeiten: "Wir sind an dem interessiert, was wir nicht wissen."

    Die beiden Soziologen zeigten mit gut verständlichen Beispielen auf, "was wir in der Forschung zur Chancengleichheit in Deutschland wissen und wie Wissenschaft funktioniert." Das fängt z. B. bereits bei Definitionen und Abgrenzungen an: Was überhaupt ist Armut? Jochen Hirschle: "Einen Kühlschrank braucht man nicht zum Leben. Aber wenn man ihn sich in Deutschland nicht leisten kann ist das ein Zeichen für Armut." In anderen Ländern, wo nur wenige einen Kühlschrank haben, gilt dies nicht. Zu dem Grundlagenwissen, das er vermittelte, gehörte z. B. auch die Berechnung des monatlichen Bedarfs, den ein Haushalt in Deutschland hat: Das "bedarfsgewichtete Nettoeinkommen" hängt nicht nur von der Anzahl der Personen ab, sondern auch von der Zusammensetzung nach Erwachsenen und Kindern. Und wo fängt Armut an? Bei einem Nettoeinkommen von 50 Prozent dieses Betrages (das Armutsrisiko beginnt bei 60 Prozent).

    Diese Grenze ist ein gesellschaftlicher Konsens und hat - wie vieles - mit der Realität im Einzelfall oft nichts zu tun. Die Wissenschaft betrachtet das Gesamtthema aus der Vogelperspektive - und erkennt die individuelle Realität oft nicht. Doch sie kann gesamtgesellschaftliche Entwicklungen erkennen, analysieren und mit anderen Entwicklungen vergleichen. Die "Froschperspektive" des Einzelnen dagegen sieht nur einen kleinen Ausschnitt des Ganzen.

    Zum Beispiel wie sich Armut entwickelt: In den alten Bundesländern steigt sie seit 1993 kontinuierlich an, von 9,1 Prozent über 11 (1998) auf 12,2 (2003). Parallel dazu läuft die Entwicklung in ganz Deutschland. In den neuen Ländern dagegen sank sie von 22 (1993) auf 17,1 (1998) und stieg dann auf 19,3 Prozent (2003).

    Kann man Armut noch einigermaßen mit Zahlen fassen so ist dies mit der Chancengleichheit viel schwieriger: Dabei geht es auch um Geld, aber nicht nur. Es geht auch darum, ob Einzelne sich gerecht behandelt fühlen. Es geht um Herkunft, denn Beamtenkinder studieren prozentual sehr viel häufiger als Arbeiterkinder. Je höher die Bildung ist desto höher ist wahrscheinlich die Leistungsfähigkeit. Hierfür mehr Geld zu verdienen empfinden die meisten Menschen als gerecht.

    Doch viele sind durch ihre aktuellen Lebensumstände daran gehindert. Besonders armutsgefährdet sind alleinerziehende Mütter mit mehreren kleineren Kindern. Sie können kaum eine Vollzeittätigkeit annehmen und müssen wegen Krankheiten der Kinder oft flexibel sein. Welcher kleinere Betrieb kann sich das auf Dauer leisten?

    Solche und viele andere Zusammenhänge aufzuzeigen und anhand aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen in Deutschland und Europa einen Einblick in die gesellschaftliche Welt von heute und morgen zu geben ist das Ziel der Bürgeruniversität. Diese Seminarreihe richtet sich an jeden im gesamten Münsterland, der an gesellschaftlichen Problemen und den Beiträgen zu ihrer Lösung interessiert ist.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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