Bad Neuenahr-Ahrweiler, 22.2.2008. - Um die Folgen von "Gehirn-Doping" durch Glücks- oder Gedächtnispillen ging es gestern beim von der Europäischen Akademie GmbH und der Kreissparkasse Ahrweiler gemeinsam durchgeführten Kreissparkassenvortrag in Bad Neuenahr. Die Referentin Schöne-Seifert, Professorin am Lehrstuhl für Medizinethik am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Universität Münster, erläuterte die Frage, ob die durch den Fortschritt der biomedizinischen Forschung möglich gewordene Stärkung der Leistungsfähigkeit von gesunden Menschen mithilfe von "Neuro-Enhancement" ethisch vertretbar und gesellschaftlich erwünscht sein könnte.
Die Wissenschaftlerin, vorgeschlagen für den Deutschen Ethikrat, stellte die Frage nach der ethischen Bewertung dieser Art von "Doping": Ist es wünschenswert und vernünftig, wenn man Gesunden eine Stärkung ihrer emotionalen Stabilität und eine Verbesserung der kognitiven Leistungen erlaubt, und wie kann man eine solche "Erhöhung" der menschlichen Fähigkeiten ethisch bewerten?
Schöne-Seifert betonte in der Diskussion um das Für und Wider solcher Maßnahmen, dass der Einsatz dieser Medikamente noch hypothetisch sei; es gäbe zwar bereits einzelne Medikamente, bei denen in der Behandlung Kranker zufällig auch positive Wirkungen bei Gesunden festgestellt worden wären und die teilweise auch eingesetzt würden, jedoch begründe sich die derzeitige Diskussion um solche Medikamente beim Einsatz Gesunder noch auf Versprechungen. So stellte die Professorin ihre Überlegungen zur ethischen Bewertung von Neuro-Enhancement immer auf die hypothetische These, dass diese Medikamente eines Tages risikofrei und auch positiv wirksam sein könnten.
Was also sollte man seiner volljährigen Tochter raten, käme sie auf die Idee, ihr Examen, wie die übrigen Kommilitonen auch, mit gedächtnisverbessernden Mitteln zu bestreiten? Müsse man da nicht aus Gründen der Gleichstellung und im Interesse der ausgewogenen gesellschaftlichen Bedingungen davon abraten?
In der Diskussion um die Beantwortung dieser Frage machte Schöne-Seifert deutlich, dass es auch ohne medizinisches Enhancement alltägliche Mittel gäbe, die körperlich wie mental leistungssteigernd wirkten und die gesellschaftlich akzeptiert seien. So käme niemand auf die Idee, den Kaffee am Morgen oder die Förderung von Kindern mit musikalischer Früherziehung als verbotene und unfaire Maßnahmen zu bezeichnen. Warum also sollte man nicht auch Enhancement-Maßnahmen bei Gesunden ermöglichen wollen, die dem Wunsch des Menschen, seine Leistungen zu verbessern und seine Persönlichkeit positiv zu verstärken, entstammen?
Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gäbe es bis heute nicht, so Schöne-Seifert. Die Professorin sprach von Regelungen für den Einsatz solcher Mitteln, die zum Beispiel gerade die sozialen Unterschiede angleichen statt sie erweitern würden. So könnte man Kinder mit weniger guten Startchancen in diesem Sinne "enhancen".
Zusammenfassend stellte Schöne-Seifert heraus, dass die Debatte über ein wirksames Enhancement weiterhin hypothetisch bleibe und dass es bisher keine überzeugenden kategorischen Einwände gegen solche Maßnahmen gäbe. Die gesellschaftliche Debatte stehe in einem größeren Zusammenhang, da grundlegende Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, nach dem Wohlergehen, der Freiheit und Gerechtigkeit auch hier mit bedacht werden müssten.
Der 15. Kreissparkassenvortrag endete mit einer lebhaften Diskussion zwischen der Referentin und dem zahlreich erschienenen Publikum. Die Europäische Akademie und die Kreissparkasse Ahrweiler freuten sich über das große Interesse und werden die Reihe mit weiteren aktuellen Vortragsthemen fortsetzen.
Kurzlebenslauf von Bettina Schöne-Seifert:
Lehrstuhl für Medizinethik, Institut für Ethik, Geschichte & Theorie der Medizin/Universität Münster
1975-1982 Studium der Humanmedizin in Freiburg, Wien und Göttingen
1982 Ärztliche Approbation und medizinische Promotion (Göttingen)
1984-1987 Assistenzärztin an der Univ.-Kinderklinik, Göttingen
1983-1990 Studium der Philosophie/Medizinethik in Los Angeles, Georgetown und Göttingen
1990-1996 Tätigkeit als Wiss. Assistentin am Philosophischen Seminar der Universität Göttingen
1994/95 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin
1997-2000 Mitarbeit an der Forschungsstelle Ethik der Universität Zürich
2000 Habilitation (Philosophische Fakultät, Göttingen)
2001-2003 Gastdozentin an der Zentralen Einrichtung für Wissenschaftstheorie und -ethik der Universität Hannover
2003 Professorin für Medizinethik an der Medizin. Fakultät der Univ. Münster/Kooptation am Philosophischen Seminar
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik, Politik, Psychologie, Recht, Religion
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
Deutsch
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