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18.06.2008 12:32

Robert Pfleger-Forschungspreis für Prof. Dr. Werner Seeger von der Universität Gießen

Meike Mossig Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Prof. Dr. med. Werner Seeger, Direktor des Lungenzentrums und der Medizinischen Klinik und Poliklinik II der Justus-Liebig-Universität Gießen erhält am Samstag, 21. Juni 2008, die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung

    Am Samstag, 21. Juni 2008, erhält Prof. Dr. med. Werner Seeger, Direktor des Lungenzentrums und der Medizinischen Klinik und Poliklinik II der Justus-Liebig-Universität Gießen, den mit 50.000 Euro dotierten Robert Pfleger-Forschungspreis, der alle zwei Jahre von der Doktor Robert Pfleger-Stiftung in Bamberg verliehen wird. Werner Seeger wird ausgezeichnet für seine hervorragenden Beiträge zur Erforschung von Lungenerkrankungen und die Entwicklung neuer Therapiekonzepte, mit denen diese Erkrankungen - teilweise erstmals - erfolgreich behandelt werden können.

    Drei wissenschaftliche Veröffentlichungen, erschienen vor wenigen Tagen in internationalen Fachzeitschriften, zeigen exemplarisch das Ziel, das die verschiedenen Arbeitsgruppen an dem von Professor Werner Seeger geleiteten Lungenzentrum der Universität Gießen verfolgen: Um neue Therapien zu entwickeln, wollen die Forscher jene komplizierten molekularen Prozesse verstehen, die bei verschiedenen Lungenerkrankungen - etwa Lungenhochdruck, Lungenfibrose oder der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung - im Dickicht der rund 480 Millionen Lungenbläschen des menschlichen Atmungsorgans ablaufen. Dazu arbeiten Grundlagenforscher unterschiedlicher Fachrichtungen Hand in Hand mit Lungenspezialisten und beschleunigen so die Umsetzung neuer Einsichten in medizinisch einsetzbare Behandlungskonzepte.

    In zwei der drei Publikationen beschreiben die Gießener Forscher molekulare Veränderungen, die bei Lungenhochdruck auftreten, einem Leiden, gegen das Ärzte noch in den 90er Jahren machtlos waren. Typisch für das Fortschreiten dieser Erkrankung ist, dass die verschiedenen Zellarten in den Wänden der Lungengefäße zu wuchern beginnen und so die Blutgefäße verengen - ein Vorgang, den die Wissenschaftler "strukturellen Umbau" (Remodeling) nennen. Die Folge: Die rechte Herzkammer muss das Blut gegen den zunehmenden Widerstand der enger werdenden Gefäße in die Lunge pumpen, was wiederum zu Umbauprozessen des Herzmuskels und schließlich zum Versagen des Herzens führt.

    Neue Strategie lässt den Lungenhochdruck sinken

    Wie die Wissenschaftler des Lungenzentrums Gießen jetzt nachweisen konnten, ist beim Lungenhochdruck in den Muskelzellen der Blutgefäße eine bestimmte Bindungsstruktur (Rezeptor) mit dem zungenbrechenden Namen "lösliche Guanylatcyclase" (sGC) vielfach inaktiv. Dabei handelt es sich um den Rezeptor für Stickstoffmonoxid. Bindet dieses Molekül an seinen Rezeptor, löst dies eine Reaktion aus, welche die Gefäßmuskulatur entspannt und so den Blutdruck sinken lässt. Durch eine Reaktivierung dieses Rezeptors mit neuen synthetischen Wirkstoffen konnten die Forscher bei Nagetieren, die als experimentelles Modell einen Lungenhochdruck ausbilden, eine dramatische Drucksenkung und eine Rückbildung der krankhaften Gefäßveränderungen erreichen. "Die lösliche Guanylatcyclase dürfte eine neue Zielstruktur für die medikamentöse Behandlung des Lungenhochdrucks sein", erklärt Werner Seeger.

    Diese neue Zielstruktur ist der - derzeitige - Endpunkt jener Erfolgsgeschichte, für die Werner Seeger jetzt mit dem Robert Pfleger-Forschungspreis ausgezeichnet wird. Denn der Gießener Lungenspezialist und Wissenschaftler des von ihm geleiteten Lungenzentrums haben entscheidend dazu beigetragen, dass für die Behandlung von Patienten mit Lungenhochdruck heute bereits drei Klassen von Medikamenten zur Verfügung stehen, die alleine oder in Kombination eingesetzt werden können. Dazu gehört etwa der inzwischen international zugelassene Wirkstoff Iloprost, den die Patienten inhalieren können. Vor mehreren Jahren konnten die Gießener Forscher darüber hinaus nachweisen, dass auch das Medikament Sildenafil ("Viagra") den Lungenhochdruck senken kann. Aufgrund dieser Entdeckung und der nachfolgenden klinischen Studien ist Sildenafil mittlerweile für diese Indikation weltweit zugelassen.

    Doch die Gefäßerweiterung ist nur eine Möglichkeit den Druck in den Lungengefäßen zu reduzieren. Eine andere ist, das Wachstum der wuchernden Zellen in der Gefäßwand zu stoppen. Aufgrund von Forschungsarbeiten am Lungenzentrum Gießen befindet sich daher auch ein Arzneimittel, mit dem Ärzte normalerweise bestimmte Krebsformen behandeln, etwa die chronisch myeloische Leukämie: Der Wirkstoff Imatinib setzt an jenen Regulationsmechanismen an, die bösartig wuchernde Zellen in den Selbstmord ("Apoptose") treiben. Dieser Mechanismus ist in den Zellen der Gefäßwände bei Lungenhochdruck offensichtlich blockiert. Wie die experimentellen und erste klinische Studien belegen, kann Imatinib das Zellwachstum stoppen und die Umbauprozesse zurückdrehen - die Forscher sprechen vom "reversen Remodeling" - die Verengung der Blutgefäße bildet sich zurück.

    Nanotechnologie für die gezielte Medikamentengabe

    Die Forscher um Werner Seeger arbeiten aber auch an neuen Strategien, die Medikamente gezielt an ihren Wirkort in der Lunge zu bringen. Das Stichwort heißt: Nanotechnologie. Dabei kooperieren sie mit Pharmazeuten der Universität Marburg und Wissenschaftlern des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in München im Rahmen eines "Nanohale" genannten Forschungsprojektes der Deutschen Forschungsgemein-schaft. So haben die Forscherteams beispielsweise biologisch abbaubare Polymere als Trägersubstanzen für den Wirkstoff Iloprost entwickelt. Diese Nanoträger in Form von Sphären, Fasern oder Röhren sind zwischen fünf und 15 Nanometer klein (ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter). Damit versuchen die Forscher die kurze Wirkdauer von Iloprost durch eine verlangsamte Freisetzung auszugleichen, was den Patienten mehrfache Inhalationen am Tag ersparen soll.

    Doch nicht nur Arzneimittel, sondern auch Erbsubstanz lässt sich in Nanostrukturen verpacken und gezielt in die Zellen der Lungengewebe transportieren: Die Forscher haben bereits mit einem Test-Gen gezeigt, dass dieser Ansatz bei Mäusen funktioniert. Derzeit laufen Versuche, bei denen die Wissenschaftler zwei Gene, deren Zusammenwirken Gefäßwucherungen reduziert und Blutgefäße erweitert, in die Lungengefäße von Mäusen mit Lungenhochdruck einschleusen, um so den Druck zu senken. Wie die Experimente zeigen, haben diese Nanopartikel nur ein sehr geringes Potenzial, Entzündungen und Immunreaktionen auszulösen, eine unerwünschte Nebenwirkung solcher Strategien.

    Bei einer anderen Lungenerkrankung, der idiopathischen Lungenfibrose, haben die Forscher um Werner Seeger das Ziel, die Aktivität eines bestimmten Gens zu bremsen, das bei dieser Erkrankung überaktiv ist. Dieses Gen enthält die Bauanleitung für einen kurz TGF-beta genannten Wachstumsfaktor. Möglich ist dies mit Hilfe der sogenannten RNA-Interferenz, bei der die Übersetzung der genetischen Information in ein Protein blockiert wird. Dazu werden kleine RNA-Moleküle in die Zellen eingeschleust. Bislang haben die Patienten mit diesem Leiden nämlich nur eine Chance, wenn sie überleben wollen: Sie brauchen eine Lungentransplantation, eine Behandlung gibt es bislang nicht. Darum überleben die Betroffenen die Diagnose im Schnitt nur zwei bis vier Jahre. Ebenso untersuchen die Wissenschaftler am Lungenzentrum Gießen in klinischen Studien, ob die Hemmung anderer Prozesse, etwa des Gerinnungssystems, die Krankheit stoppen kann.

    Das international renommierte Gießener Lungenzentrum ist auch Keimzelle von Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Teil eines Exzellenzclusters "Kardiopulmonales System", bei dem die Universitäten Gießen und Frankfurt mit dem neu gegründeten Max Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim kooperieren. Die Regenerative Medizin zur Wiederherstellung von Funktion und Struktur geschädigter Gewebe steht dabei im Mittelpunkt.

    Gewebe regenerieren: Erfolg bei Mäusen

    Dieser Teil der Forschungsarbeiten steckt noch in den Kinderschuhen: Die Wissenschaftler suchen nach Stammzellen und Vorläuferzellen in der Lunge und analysieren deren Entwicklung. Das Ziel: geschädigtes oder fehlendes Lungengewebe soll regeneriert werden. Dass dieses prinzipiell möglich sein müsste, zeigt eine weitere jüngste Veröffentlichung der Marburger und Gießener Lungenforscher: Wenn Mäusen ein Teil der Lunge entfernt wird, regeneriert sich das Volumen des Organs binnen 20 Tagen. Dies geschieht zwar auch durch die Ausdehnung der noch vorhandenen Strukturen, doch es wachsen ebenso neue Lungenbläschen nach. Ihre Zahl erhöhte sich um ein Drittel binnen dieser 20 Tage. Da auch die Lunge von Hunden regenerieren kann, sind die Gießener Wissenschaftler optimistisch, dass derartige Regenerationsprozesse auch beim Menschen angestoßen werden könnten - Hoffnung für jene Menschen, deren Lungengewebe durch Krankheit oder Tumore zerstört wird.

    Der Robert Pfleger-Forschungspreis

    Der Robert Pfleger-Forschungspreis, der seit 1986 von der Doktor Robert Pfleger-Stiftung in Bamberg verliehen wird, gehört zu den höchstdotierten und angesehensten deutschen Wissenschaftspreisen. Nach der Vergabe-Ordnung für den Robert Pfleger-Forschungspreis kommen herausragende wissenschaftliche Leistungen aus dem Themenbereich "Grundlagen und Perspektiven der Medizin", insbesondere grundlegende Konzepte mit zukunftsweisenden Denkanstößen auf allen Gebieten der Medizin (Grundlagenforschung und klinische Forschung zur Diagnostik, Therapie und Prävention von Krankheiten) zur Auszeichnung in Betracht. Der Preis wird an Einzelpersonen oder an ein Forscherteam verliehen. Über die Vergabe entscheidet der Stiftungsrat aufgrund der Empfehlungen des von ihm bestellten Wissenschaftlichen Beirates. Diesem gehören derzeit an: Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler, Mainz (Vorsitzender), Prof. Dr. Roland Gugler, Karlsruhe, Prof. Dr. Johannes Dichgans, Tübingen, Prof. Dr. Helmut Sies, Düsseldorf und Prof. Dr. Michel Eichelbaum, Stuttgart.

    Die Doktor Robert Pfleger-Stiftung

    Robert Pfleger hat in seinem Testament vom 19. Juli 1970 die Gründung der Doktor Robert Pfleger-Stiftung verfügt und seine hinterlassenen Vermögenswerte einschließlich der Firma Dr. R. Pfleger Chemische Fabrik GmbH Bamberg in die Stiftung eingebracht. Nach dem frühen Tod von Robert Pfleger am 19. Oktober 1971 - er ist nur 65 Jahre alt geworden -, wurde die Stiftung am 24. September 1974 errichtet.

    Robert Pfleger war ein visionärer Unternehmer, der in dem vor dem 2. Weltkrieg wissenschaftlich blühenden Berlin ausgebildet worden ist und dort für und mit zahlreichen Nobelpreisträgern zusammen gearbeitet hat, wie zum Beispiel Fritz Haber, dem Erfinder des Ammoniakverfahrens, Otto Heinrich Warburg, dem Entdecker des Atmungsferments, Otto Hahn, dem Entdecker der Kernspaltung. Robert Pfleger war engstens befreundet mit Ernst Boris Chain, der später den Nobelpreis für die Mitentdeckung des Penicillins erhalten hatte.

    Robert Pfleger hat dann unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg 1945 in Bamberg ein pharmazeutisch-chemisches Unternehmen gegründet, welches heute von der Firma Dr. R. Pfleger Chemische Fabrik GmbH betrieben wird.

    Die Stiftung bezweckt die Förderung der medizinischen Forschung sowie caritativer Zwecke.
    Der Stiftungszweck wird verwirklicht durch Hingabe finanzieller Mittel für medizinische Forschungsvorhaben sowie für caritative Zwecke, insbesondere auf dem Gebiet der Jugend und Altersfürsorge.

    Hinzu kommt die Vergabe des Robert Pfleger-Forschungspreises mit einem Betrag in der Größe von 50.000,00 bis 100.000,00 Euro in zweijährigem Abstand für Arbeiten aus dem Themenbereich Grundlagen und Perspektiven der Medizin.

    Seit ihrer Gründung im Jahre 1974 hat die Stiftung für ihre Stiftungszwecke ca. 30 Mio. Euro aufgewendet.

    Im caritativen Bereich ragen unter anderem heraus:
    - das Doktor Robert Pfleger-Altenpflege- und Rehabilitationszentrum "St. Otto", Bamberg
    - das Doktor Robert Pfleger-Wohnheim (Lebenshilfe)
    - das Seniorenzentrum St. Kilian, Hallstadt
    - das erste Ambulanzflugzeug für das Bayerische Rote Kreuz.

    Im medizinischen Bereich wurden ca. 400 Forschungsvorhaben gefördert.

    Der Robert Pfleger-Forschungspreis wird alle zwei Jahre seit 1986 verliehen und wurde mittlerweile 27 herausragenden und international renommierten Wissen-schaftlern zuerkannt. Der Robert Pfleger-Forschungspreis gehört zu den höchstdotierten von privater Seite gestifteten medizinischen Forschungspreisen.

    Die Stiftung ist alleinige Gesellschafterin der Dr. R. Pfleger Chemische Fabrik GmbH, eines mittelständischen pharmazeutischen Unternehmens, welches gemessen an der Anzahl der verkauften Arzneimittelpackungen an 35. Stelle der pharmazeutischen Industrie in Deutschland steht.


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    Prof. Dr. med. Werner Seeger
    Prof. Dr. med. Werner Seeger

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

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