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28.07.2008 23:00

Forscherteam unter Bayreuther Leitung fand heraus: Alkoholismus wohl älter als die Menscheit

Jürgen Abel M. A. Pressestelle
Universität Bayreuth

    Ein den Vorfahren der Primaten ähnelndes Spitzhörnchen trinkt im Regenwald Malaysias täglich Palmbier - heute wie vermutlich vor Millionen von Jahren. Trotzdem ist dieser nachtaktive Kletterspezialist niemals betrunken. Das lässt auf eine positive Wirkung des Alkohols schließen und wirft ein ganz neues Licht auf die Evolution des menschlichen Alkoholismus. Den ersten Nachweis chronischen Alkoholkonsums bei wilden Säugetieren stellt ein internationales Team unter Leitung der Biologen Frank Wiens und Annette Zitzmann von der Universität Bayreuth in dem renommierten Wissenschaftsjournal PNAS (Publikation als PNAS online Early Edition am 28. Juli 2008) vor.

    ACHTUNG!! SPERRFRIST: 28.7.2008, 23:00 UHR MEZ!!

    Bayreuth (UBT). Ein den Vorfahren der Primaten ähnelndes Spitzhörnchen trinkt im Regenwald Malaysias täglich Palmbier - heute wie vermutlich vor Millionen von Jahren. Trotzdem ist dieser nachtaktive Kletterspezialist niemals betrunken. Das lässt auf eine positive Wirkung des Alkohols schließen und wirft ein ganz neues Licht auf die Evolution des menschlichen Alkoholismus. Den ersten Nachweis chronischen Alkoholkonsums bei wilden Säugetieren stellt ein internationales Team unter Leitung der Biologen Frank Wiens und Annette Zitzmann von der Universität Bayreuth in dem renommierten Wissenschaftsjournal PNAS (Publikation als PNAS online Early Edition am 28. Juli 2008) vor.
    Theorien zum Alkoholismus gingen davon aus, dass die Menschheit und ihre Ahnen vor der Erfindung des Bieres vor etwa 9.000 Jahren entweder gar nicht an Alkohol gewöhnt waren oder nur an sehr geringe Dosen in überreifen Früchten.
    Angeblich sind wir für die negativen Auswirkungen des Alkohols und der teilweise erblichen Alkoholsucht so anfällig, weil das Brauen evolutionär gesehen eine sehr junge Errungenschaft ist, an die wir nicht richtig angepasst sind. Die Menschheit leidet sozusagen unter einem evolutionären Kater.
    Jetzt zeigt ein internationales Forscherteam aus Deutschland, Kanada, Luxemburg, der Schweiz und Malaysia jedoch, dass ein regelmäßiger hoher Alkoholkonsum schon sehr früh in der Evolution der Primaten vorkam. Der Erstautor Frank Wiens von der Universität Bayreuth und dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, ein Experte für evolutionäre Physiologie, erklärt dazu: "Alkoholkonsumierende Spitzhörnchen gehören zu den engsten lebenden Verwandten der Primaten und kommen in ihrer Ökologie und ihrem Verhalten unseren gemeinsamen Ahnen, die vor mehr als 55 Millionen Jahren gelebt haben, sehr nahe.
    Untersuchungen an diesen faszinierenden Geschöpfen bieten eine ideale Gelegenheit, mehr über die Ursachen und Wirkungen des Alkoholkonsums in einer komplexen natürlichen Umwelt zu lernen."
    Im Dschungel verbringt das Federschwanzspitzhörnchen die Nächte damit, vergorenen Nektar der Bertampalme zu suchen. "Diese Palme braut ihr eigenes Bier. Dabei hilft ein Team von Hefearten, von denen einige der Wissenschaft bisher unbekannt waren," so Wiens. Der höchste im Nektar gemessene Alkoholgehalt lag bei eindrucksvollen 3,8 %. "Das ist mit der höchste Alkoholgehalt, der jemals in einem natürlichen Nahrungsbestandteil gefunden wurde."
    Die Palme hält ihr stark riechendes Nektarbier über einen langen Zeitraum von eineinhalb Monaten in Blütenknospen bereit bis der Pollen reif ist - wahrscheinlich um ein Klientel von bestäubenden Blütenbesuchern zu garantieren. Im Gegensatz zu vielen anderen Pflanzen blüht die Palme kontinuierlich über das ganze Jahr. Der Alkoholkonsum der Spitzhörnchen und deren Trinkkumpanen - sechs andere Kleinsäuger sind meist mit von der Partie - ist deshalb chronisch. Chronisch im doppelten Sinne, weil das Trinkverhalten vielleicht schon seit über 55 Millionen Jahren so vorkommt.
    In einem Lebensraum mit Raubfeinden sind durch Alkohol eingeschränkte Sinne ein tödliches Risiko. Trotzdem wies das Forscherteam im Haar der Tiere hohe Konzentrationen von Ethylglukuronid nach. So hohe Konzentrationen dieses Indikators für chronische Alkoholeinnahme zeigen bei anderen Säugern hohen und ungesunden Konsum an. Spitzhörnchen sind sehr schwierig zu beobachten und zu fangen. Aber die Videoüberwachung von Palmen und das Ausspähen von Tieren mit Radiohalsbändern ergaben, dass jedes Tier mehr als zwei Stunden pro Nacht Nektar trank. Das war mehr Zeit als für irgendeine andere Nahrung aufwendet wurde.
    Obwohl Federschwanzspitzhörnchen mit einem Gewicht von 47 Gramm nur etwa doppelt so groß wie eine Maus sind, zeigten sie normale Bewegungen und keinerlei Anzeichen von Trunkenheit. Verglichen mit dem Menschen müssten sie bei ihrem Konsum aber jede dritte Nacht betrunken sein. Anscheinend können Spitzhörnchen den Alkohol im Körper besonders effizient abbauen.
    Dass die Spitzhörnchen nicht betrunken sind, schließt jedoch eine Wirkung des niedrigen Alkoholspiegels im Blut nicht aus. Vielmehr vermutet Wiens, dass der Alkohol positive psychologische Effekte hat: "Alkoholkonsum bei Spitzhörnchen ist ein Ergebnis der natürlichen Selektion. Deshalb sollte für die Tiere unter dem Strich ein Nutzen stehen. In weiteren Studien wollen wir dafür Belege suchen. Wir hoffen, dadurch auch das menschliche Trinkverhalten besser zu verstehen."

    Kontakt und weitere Infos:
    Frank Wiens
    0176-24244164 (mobil)
    Mail: frank.wiens@uni-bayreuth.de
    http://www.uni-bayreuth.de/departments/tphys/wiens/wiens.html

    Annette Zitzmann
    0172-1056755 (mobil)
    Mail: annzitz@aol.com

    Originalveröffentlichung
    Chronic intake of fermented floral nectar by wild treeshrews
    Frank Wiens, Annette Zitzmann, Marc-André Lachance, Michel Yegles, Fritz Pragst, Friedrich M. Wurst, Dietrich von Holst, Saw Leng Guan, Rainer Spanagel
    Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS)
    online Early Edition am 28. Juli 2008

    http://www.pnas.org/


    Bilder

    Federschwanzspitzhörnchen mit Senderhalsband (Bild: Annette Zitzmann)
    Federschwanzspitzhörnchen mit Senderhalsband (Bild: Annette Zitzmann)
    UBT-Pressestelle - Bild mit Autorenhinweis zur Veröffentlichung frei
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    Nahaufnahme einer nektarproduzierenden Blütenknospe von 5 cm Länge (Bild: Frank Wiens)
    Nahaufnahme einer nektarproduzierenden Blütenknospe von 5 cm Länge (Bild: Frank Wiens)
    UBT-Pressestelle - Bild mit Autorenhinweis zur Veröffentlichung frei
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Federschwanzspitzhörnchen mit Senderhalsband (Bild: Annette Zitzmann)


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    Nahaufnahme einer nektarproduzierenden Blütenknospe von 5 cm Länge (Bild: Frank Wiens)


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