Wissenschaftler stellen in einer Buchpublikation aktuelle Forschungsergebnisse über die Wechselwirkungen zwischen Infrastruktur-Entwicklung und regionaler Gesamtentwicklung vor / Beide Bereiche sind von tiefgreifenden Veränderungen erfasst, beispielsweise infolge des demographischen Wandels, der wirtschaftlichen Liberalisierungsprozesse oder der Globalisierung / Solche Veränderungen stellen die bisherigen Entscheidungsgrundlagen der deutschen Infrastrukturpolitik - und damit der Regional- und Wirtschaftspolitik - zunehmend in Frage.
Eine effiziente Infrastruktur - vor allem in den Sektoren Energie, Wasser und Abwasser, Abfall, Verkehr und Telekommunikation - bildet die wichtigste Säule für die wirtschaftliche Entwicklung; eine flächendeckende, sichere und preiswerte Infrastruktur (in Form von technischen Einrichtungen wie von Dienstleistungen) trägt wesentlich dazu bei, regionale Unterschiede abzubauen und damit landesweit gleichwertige Lebensbedingungen für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
Diese These war in Deutschland jahrzehntelang zentrale Grundlage für regional- und wirtschaftspolitische Entscheidungen und kam insbesondere beim wirtschaftlichen Aufbau Ostdeutschlands zum Tragen: Dort sind in den Jahren nach der Wende 1990 gewaltige Summen in den Aufbau der Infrastruktur investiert worden.
"Dieses `Infrastrukturideal der Moderne`, das in Deutschland nach wie vor stark verwurzelt ist, wird durch Entwicklungen der jüngsten Zeit erheblich in Frage gestellt", sagt Dr. Timothy Moss vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner (Brandenburg). Moss ist Mitherausgeber einer gerade erschienenen Publikation, die aktuelle Forschungsergebnisse darüber vorstellt, wie sich die räumliche Entwicklung (dies betrifft z.B. Wirtschaft, Bevölkerung, öffentliche Einrichtungen, politische Regulierung u.a.) und die Infrastrukturentwicklung gegenseitig bedingen. "Beide Bereiche - Räume und Infrastruktur - sind derzeit von einem tiefgreifenden Wandel erfasst", so der Wissenschaftler. Die Stichworte lauten auf Seiten der Infrastruktur: Liberalisierung der Märkte, Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen, technologischer Wandel und Dezentralisierung von Infrastruktur und Dienstleistungen. Auf Seiten der gesellschaftlichen Entwicklung ("Räume") stehen dagegen Trends wie Globalisierung, supranationale Regulierung (zum Beispiel durch die EU), vor allem aber der demographischer Wandel sowie die Entvölkerung oder die De-Industrialisierung bestimmter Regionen im Mittelpunkt.
Die Folgen zeigen sich inzwischen im Osten Deutschlands mit zunehmender Deutlichkeit: Die Abwanderung der Bevölkerung, die Alterung der Gesellschaft und ein in manchen Regionen dramatischer Rückgang der Industrie haben dazu geführt, dass die enormen Investitionen in eine "perfekte" Infrastruktur auf eine schrumpfende Zahl von Nutzern umgelegt werden müssen und damit deren anteilige Kosten erhöhen. So ist beispielsweise der Wasserverbrauch in Ostdeutschland im Durchschnitt um 40 Prozent gesunken, vor allem infolge einer sinkenden Nachfrage aus der Industrie. Als Folge sind die entsprechenden Gebühren drastisch angestiegen.
"Rückblickend gesehen hatte man Ursache und Wirkung miteinander verwechselt", meint Timothy Moss: "Es wurde zu viel Hoffnung in die Infrastruktur als Instrument des Wachstums und des regionalen Ausgleichs gesetzt". Dabei seien weder die komplexen Wechselwirkungen zwischen Raum- und Infrastrukturentwicklung berücksichtigt noch der sich beschleunigende, zum Teil durch internationale Trends angetriebene Wandel in beiden Bereichen.
Das Buch betrachtet in zahlreichen Beiträgen die aktuellen Trends und hat dazu eine Fülle an beispielhaften empirischen Untersuchungsergebnissen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengetragen. Die Publikation richtet sich zum einen an die Wissenschaft selbst, gibt aber auch eine Vielzahl von Empfehlungen und Hinweisen für die Praxis, insbesondere für die Raumplanung, die Regional- und Infrastrukturpolitik sowie für (öffentliche oder private) Unternehmen im Bereich von Ver- und Entsorgung. Das zugrundeliegende Forschungsprojekt sowie die Publikation sind vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Forschungsschwerpunktes "Sozial-ökologische Forschung" gefördert worden.
Angaben zur Publikation:
Timothy Moss, Matthias Naumann, Markus Wissen (Hg.)
Infrastrukturnetze und Raumentwicklung -
Zwischen Universalisierung und Differenzierung
oekom verlag, München, 2008, ISBN 978-3-86581-117-2
Weitere Informationen bei:
Dr. Timothy Moss,
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung e.V. (IRS)
Flakenstraße 28-31
15537 Erkner
Tel. 03362 793 185
E-Mail: MossT@irs-net.de
http://www.sozial-oekologische-forschung.org - Informationen zum BMBF-Forschungsschwerpunkt "Sozial-ökologische Forschung":
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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