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17.09.2008 17:17

Gesundheit am Tropf - Krankenhäuser in der Kostenfalle

Jörg Portius Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsklinikum Ulm

    Immer mehr Krankenhäuser funken SOS. Die Schere zwischen der im deutschen Gesundheitssystem vorgesehen Krankenhausvergütung und den Kosten, die für Energie, Personal und den medizinischen Bedarf anfallen, geht immer weiter auseinander. Eine seit Jahren währende dramatische Unterfinanzierung ist die Folge. Verlierer sind die Patienten aber auch Mitarbeiter.
    Vor diesem Hintergrund ruft das Bündnis "Rettet die Krankenhäuser" für den 25. September zu einer Großdemonstration in Berlin auf. Im Vorfeld dieser Veranstaltung gaben Dr. Bettina Hailer, Geschäftsführerin der RKU Universitäts- und Rehabilitationskliniken, Wolfgang Neumeister, Geschäftsführer der ADK GmbH für Gesundheit und Soziales, Maria Winkler, Bezirksgeschäftsführerin Ver.di Ostwürttemberg, und Prof. Dr. Reinhard Marre, Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Ulm, am 17. September in einer gemeinsamen Pressekonferenz Auskunft über die Auswirkungen des Spardiktats für die Kliniken in Ulm und dem Umland und stellten ihre Forderungen und Lösungsansätze vor.

    Von den rund 2.100 Kliniken in Deutschland schreiben inzwischen fast 700 Häuser rote Zahlen. Tendenz steigend. Wolfgang Neumeister, Geschäftsführer der ADK GmbH für Gesundheit und Soziales: "Die seit 15 Jahren anhaltende Deckelung im Gesundheitswesen führt u. a. zu einer Verknappung von Gesundheitsleistungen, zur Überbeanspruchung des Personals durch Leistungsverdichtung und - von der Politik gewollt - zur Schließung insbesondere kleinerer Kliniken. Dadurch kommt es zwangsläufig zu einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung und zu einer Zweiklassenmedizin, die sich eigentlich keiner wünschen kann. Unsere Antwort auf den - aus Berlin kommenden - verstärkten wirtschaftlichen Druck im Gesundheitswesen ist die Schaffung von regionalen Gesundheitsnetzwerken. Dabei legen wir großen Wert auf die Einbindung einer Vielzahl selbstständiger Kooperationspartner. Nur so können wir auch in einer eher ländlich geprägten Region eine gute medizinische und wohnortnahe Versorgung auf Dauer sicherstellen. Aber auch dieser Weg ist nicht unbegrenzt belastbar."
    Auch Dr. Bettina Hailer, Geschäftsführerin der RKU Universitäts- und Rehabilitationskliniken, sucht nach alternativen Handlungsmöglichkeiten, die allerdings nahezu ausgereizt sind: "Der Deckelung der Krankenhausausgaben bei gleichzeitiger Kostensteigerung versuchen die RKU- Universitäts- und Rehabilitationskliniken durch eine Leistungsausweitung in allen Bereichen und durch die sorgfältigste Planung von Kosten aller Art zu kompensieren. Gerade in der Energieversorgung und bei der Beschaffung von Investitions- und Gebrauchsgütern werden gemeinsam mit dem Sana-Konzern, der 50% der Anteile des RKU hält, neue Wege gesucht, wie zum Beispiel die Bündelung von Aufträgen mehrerer Einrichtungen. Auch die Optimierung von Verwaltungsprozessen sowie die Entlastung von Pflege und Ärztlichem Dienst von berufsfremden Tätigkeiten stehen ganz oben auf der Prioritätenliste."
    Wichtige Strategien, die allerdings politische Vorgaben nicht verändern können - nur gemeinsam lässt sich eine an der Zukunft orientierte finanzielle Neuausrichtung des Krankenhauswesens erreichen, die langfristig Patienten und Mitarbeitern zugute kommt. Lediglich begrenzte "Feuerwehrmaßnahmen" seitens der Politik helfen nicht mehr weiter. Es geht also jetzt nicht nur um eine einmalige schmerzstillende Finanzspritze, sondern um eine nachhaltig wirksame Lösung.
    In diesem Bewusstsein schweißt die finanzielle Not der Krankenhäuser die Organisationen und Verbände der Kliniken und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer mehr zusammen.
    Mit Nachdruck fordern sie von den politisch Verantwortlichen:

    - Weg mit dem Deckel auf Krankenhausbudgets
    - Stoppt die Kürzungen
    - Ausgleich für steigende Energie und Sachkosten
    - Gegenfinanzierung der Tariflohnsteigerungen
    - Mehr Geld für Arbeitsplätze und Nachwuchssicherung

    Diese Forderungen markieren gleichzeitig jene zentralen Rahmenbedingungen, die sich ändern müssen. Eine Einschätzung von Prof. Dr. Reinhard Marre, Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Ulm: "Das Gesundheitssystem Deutschlands - bei vernünftigen Preisen eines der besten weltweit - entwickelt sich zu einem Fall für die Intensivstation, mit ungünstiger Prognose. Gedeckelte Budgets zwingen die Krankenhausleitungen bei steigenden Ausgaben für Personal, Mehrwertsteuer und Energie zum Personalabbau. Die Finanzierung der Investitionen im Krankenhaus ist seit Jahren rückläufig. Die Föderalismusreform hat zu einer drastischen Verschlechterung von Investitionen an den Universitätskliniken geführt, weil sich der Bund aus der Finanzierung von Großgeräten und Bauvorhaben zurückgezogen hat. Im Kompetenzgerangel um eine Neuordnung der Finanzierung der Investitionen bleibt der Patient auf der Strecke."
    Allein bei den Universitätskliniken gehen Fachleute aktuell von einer Finanzierungslücke zwischen 5 und 9,5 Milliarden Euro aus. Seit Jahren wird den Krankenhäusern im wörtlichen Sinne null Chance gelassen, die für sie erdrückende Kostenlawine aufzuhalten. Doch trotz des vom Gesetzgeber auferlegten Sparzwangs hat die Effektivität der Kliniken zugenommen. Im Umkehrschluss bedeutet dies hochgradig belastete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
    Letzteres sieht auch Maria Winkler, Bezirksgeschäftsführerin Ver.di Ostwürttemberg: "Wenn Krankenhäuser ihre Rechnungen für Strom und Lebensmittel nur noch bezahlen können, indem sie Personal abbauen, dann stimmt etwas nicht mit der Krankenhausfinanzierung. Dies hat fatale Folgen: für Patienten, deren Versorgung schlechter wird und für Beschäftigte, deren Arbeitsbelastung die Grenze des Zumutbaren längst überschritten hat. Die budgetierte Krankenhausfinanzierung ist zum Gefährdungspotential Nummer eins in den Krankenhäusern geworden. ver.di fordert daher "Der Deckel muss weg, damit Patienten gesund werden und Arbeit im Krankenhaus nicht krank macht."

    Wir unterstützen Sie gerne bei Interviewabsprachen und Recherchen - rufen Sie uns einfach an. Ansprechpartner ist Jörg Portius, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Universitätsklinikum Ulm.
    Tel: 0731 500-43043


    Bilder

    Kämpfen gemeinsam gegen die dramatische Unterfinanzierung der Krankenhäuser: Wolfgang Neumeister, Maria Winkler, Dr. Bettina Hailer und Prof. Dr. Reinhard Marre (v.l.n.r.).
    Kämpfen gemeinsam gegen die dramatische Unterfinanzierung der Krankenhäuser: Wolfgang Neumeister, Ma ...
    Foto: UK Ulm
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Politik
    überregional
    Pressetermine
    Deutsch


     

    Kämpfen gemeinsam gegen die dramatische Unterfinanzierung der Krankenhäuser: Wolfgang Neumeister, Maria Winkler, Dr. Bettina Hailer und Prof. Dr. Reinhard Marre (v.l.n.r.).


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