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06.10.2008 09:26

Besseres Gedächtnis ohne REM-Schlaf?

MA Reto Caluori Öffentlichkeitsarbeit
Universität Basel

    Schlaf fördert die Gedächtnisbildung und lange dachte man, dies passiere im REM-Schlaf, wenn man träumt. Wissenschaftler der Universitäten Basel und Lübeck haben entdeckt, dass eine pharmakologische Unterdrückung des Schlafs mit schnellen Augenbewegungen die Gedächtnisbildung nicht stört, sondern fördert. Damit widerlegen sie die REM-Schlaf-Gedächtnis-Hypothese. Die Ergebnisse wurden von der Wissenschaftszeitschrift "Nature Neuroscience" veröffentlicht.

    Menschen speichern neue Informationen besonders gut im Gedächtnis, wenn sie nach dem Lernen schlafen. Die REM-Schlaf-Gedächtnis-Hypothese besagt, dass der REM-Schlaf (Rapid Eye Movement Sleep) besonders wichtig für die Gedächtnisbildung im Schlaf ist. Erste Zweifel an der Richtigkeit dieser Hypothese erwuchsen aus Beobachtungen depressiver Patienten. Paradoxerweise treten bei diesen Patienten unter medikamentöser Behandlung üblicherweise keine Gedächtnisdefizite auf, obwohl die meisten Antidepressiva den REM-Schlaf massiv unterdrücken.

    Dr. Björn Rasch vom Institut für Molekulare Psychologie der Universität Basel und Prof. Jan Born vom Institut für Neuroendokrinologie der Universität zu Lübeck sind diesen Beobachtungen nun in einer experimentellen Studie systematisch nachgegangen. Sie liessen junge gesunde Männer abends Wortpaare lernen und motorische Hand- und Fingerfertigkeiten einüben und verabreichten ihnen nach dem Lernen entweder ein Antidepressivum oder ein nichtwirksames Placebo. Danach durften die Probanden im Schlaflabor schlafen. Zwei Tage später erschienen die Probanden erneut im Labor und wurde getestet, was sie von den gelernten Wortpaaren noch wussten und wie gut sie die geübten Hand- und Fingerfertigkeiten noch konnten.

    Keine Störung durch fehlenden Traumschlaf
    Wie erwartet, führte die Gabe der Antidepressiva zu einer fast vollständigen Unterdrückung jeglichen REM-Schlafs nach dem Lernen. Zum Erstaunen der Wissenschaftler hatte dieser Mangel an Traumschlaf jedoch keinerlei störenden Effekt auf die Gedächtnisbildung im Schlaf. Im Gegenteil, in einem der motorischen Tests, bei dem die Probanden eine Art Klavierlauf gelernt hatten, waren die Probanden sogar deutlich besser, wenn der REM-Schlaf nach dem Training durch das Antidepressivum unterdrückt worden war.

    Bemerkenswerteweise erhöhte die Gabe eines Antidepressivums nach dem Training das Auftreten von so genannten Schlafspindeln, die ein prägnantes und typisches Merkmal für das Schlafstadium 2 (Leichtschlaf) und den Tiefschlaf darstellen. Je stärker die Spindelerhöhung, desto besser schnitten die Probanden in dem motorischen Test ab. Diese Ergebnisse unterstreichen damit die Bedeutung des Non-REM-Schlafs für die Gedächtnisbildung, dessen Einfluss von vielen Schlafforschern bis heute unterschätzt wurde.

    Das Forscherteam hat mit diesen Befunden erstmals die REM-Schlaf-Hypothese widerlegen können: REM-Schlaf ist für sich genommen für die Gedächtnisbildung im Schlaf nicht erforderlich. Allerdings könnte es sein, dass einige neurobiologische Prozesse, die normalerweise zusammen mit dem REM-Schlaf auftreten, durch die Gabe von Antidepressiva nicht unterdrückt werden - oder sogar verstärkt werden, und so weiter die Gedächtnisbildung unterstützen. Die Frage nach den zugrundeliegenden Mechanismen der Gedächtnisbildung im Schlaf bleibt daher weiter spannend. Die aktuelle Studie fand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich "Plastizität und Schlaf" statt.

    Originalbeitrag
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    Björn Rasch, Julian Pommer, Susanne Diekelmann & Jan Born
    Pharmacological REM sleep suppression paradoxically improves rather than impairs skill memory
    Nature Neuroscience Advance Online Publication, published online: 5 October 2008 | doi: 10.1038/nn.2206

    Weitere Auskünfte
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    Dr. Björn Rasch, Universität Basel, Institut für Psychologie, Division of Molecular Psychology, Missionsstrasse 60/62, 4055 Basel. Tel. +41 61 267 05 91, E-Mail: Bjoern.Rasch@unibas.ch


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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