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07.10.2008 11:05

Sicherungsverwahrung mit schwierigen Problemen verbunden

Michael Seifert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Tübinger Studie über gefährliche Straftäter belegt, dass häufigeres Einsperren kein kriminalpolitisches Allheilmittel darstellt

    Die strafrechtliche Sanktion der Sicherungsverwahrung, durch die gefährliche Straftäter auch noch nach dem Ende ihrer Freiheitsstrafe in Haft gehalten werden können, ist mit einer Vielzahl tatsächlicher und rechtlicher Probleme behaftet. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue am Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg begonnene und an der Eberhard Karls Universität Tübingen abgeschlossene Studie über "Die Legalbewährung gefährlicher Straftäter".
    Im Zentrum des Forschungsprojekts steht eine Analyse der kriminellen Karrieren von rund 500 gefährlichen Straftätern, von denen die Mehrheit vorwiegend in den 80er Jahren neben einer längeren Freiheitsstrafe zu Sicherungsverwahrung, ein weiterer Teil nur zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Jörg Kinzig, Strafrechts-Professor an der Universität Tübingen, ist der Frage nachgegangen, wie sich das Schicksal dieser Personen in den letzten Jahren entwickelt hat.
    Die Untersuchung liefert Hinweise darauf, dass die Gefährlichkeit von zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen deutlich überschätzt wird. So wurde bei fast der Hälfte (49,8%) der untersuchten Probanden die Sicherungsverwahrung schon einmal zur Bewährung ausgesetzt. Die Mehrheit dieser Personen bewährte sich in Freiheit. Nur bei rund einem Drittel (35,1%) musste die Aussetzung der Sicherungsverwahrung widerrufen werden, wobei dies nicht immer auf die Begehung neuer Straftaten zurückzuführen war.
    Für eine deutliche Überschätzung der Gefährlichkeit Sicherungsverwahrter spricht zudem der Umstand, dass von 22 Personen, die aus formal-rechtlichen Gründen in Freiheit entlassen werden mussten, obwohl sie als gefährlich angesehen wurden, bis zum Untersuchungszeitpunkt nur acht (rund ein Drittel) rückfällig wurden. Von diesen acht als gefährlich begutachteten Personen wurden lediglich zwei mit einem schweren Raub und einer schweren Brandstiftung in einem gravierenden Maße erneut straffällig.
    Wenn aber ein beträchtlicher Teil oder gar die Mehrheit der Sicherungsverwahrten, gar nicht schwer rückfällig würden, entließe man sie nach ihrer Freiheitsstrafe, ist dieser Umstand nach Ansicht der Wissenschaftler geeignet, die Legitimation der Sanktion Sicherungsverwahrung generell infrage zu stellen.
    Ethisch problematisch ist nicht zuletzt der Umstand, dass ein anderer kleiner Teil der Sicherungsverwahrten zwischenzeitlich in den Gefängnissen verstorben ist, die Strafanstalten aber auf ein menschenwürdiges Versterben in Unfreiheit nur unzureichend vorbereitet sind.
    Die gefundenen Ergebnisse sind vor allem deswegen von großer Bedeutung, weil der Gesetzgeber in den vergangenen zehn Jahren die Möglichkeit Sicherungsverwahrung anzuordnen, erheblich ausgeweitet hat, zuletzt durch die Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht.
    Die Untersuchung liegt in Buchform vor:
    Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung. 368 Seiten; Berlin, 2008.
    Nähere Informationen:
    Prof. Dr. Jörg Kinzig, Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, Tel.: (07071) 2972549, Fax: (07071) 295258, E-Mail: kinzig@jura.uni-tuebingen.de,
    http://www.jura.uni-tuebingen.de/professoren_und_dozenten/kinzig


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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