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15.10.2008 17:28

MHH: Erstes Kind in Deutschland hat mitwachsende Herzklappe erhalten

Stefan Zorn Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Medizinische Hochschule Hannover

    Professor Haverich wendet das für den Deutschen Zukunftspreis nominierte Verfahren bei Vierjährigem an / Kleiner Patient aus Baden-Württemberg ist wohl auf / Moldawischer Junge lebt bereits sechs Jahre mit innovativer biologischer Herzklappe

    Professor Dr. med. Dr. h.c. Axel Haverich, Herzchirurg der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), hat erstmals in Deutschland einem Kind eine mitwachsende biologische Herzklappe implantiert. "Die Operation am 9. September ist hervorragend verlaufen, der kleine Patient ist putzmunter", betonte Professor Haverich am Mittwoch (15. Oktober) bei einer Pressekonferenz in der MHH. Der Direktor der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie, hatte den vierjährigen, in der Nähe von Stuttgart wohnenden David gemeinsam mit einem Chirurgenteam seiner Klinik und dem behandelnden Arzt, Professor Dr. med. Joachim Gerd Rein, Ärztlicher Direktor der Sana Herzchirurgischen Klinik Stuttgart, vor fünf Wochen in der MHH operiert.

    Dabei wendete Professor Haverich zum ersten Mal in Deutschland das von ihm entwickelte Verfahren an, das gestern für den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten nominiert worden war. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hatte den Herzchirurgen gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr. med. Serghei Cebotari und Dr. rer. nat. Michael Harder, Geschäftsführer der Firma corlife, für den Preis vorgeschlagen. Professor Haverich hatte corlife mit dem Ziel gegründet, das Verfahren zu standardisieren und den Herstellungsprozess zu etablieren. Die Methode umfasst mehrere Schritte. Grundlage ist eine Klappe, die aus einem Spenderherz stammt. "Mit besonderen Hilfsstoffen befreien wir die Herzklappe von allen Zellen, die vom Spender stammen", erklärte Dr. Michael Harder. Übrig bleibt eine zellfreie Matrix, eine Collagenstruktur, die die Form der Herzklappe hat. Parallel wird dem Empfänger Blut entnommen und daraus werden Endothelzellen isoliert, also die Zellen, die die Blutgefäße von innen auskleiden. Die Zellen werden vermehrt. "In einem Bioreaktor lassen wir dann diese Zellen die Matrix besiedeln." Diese biologischen Herzklappen werden den Patienten implantiert. "Mittlerweile haben wir festgestellt, dass es sogar ausreicht, die von allen Spenderzellen befreite Herzklappen-Matrix zu verwenden", ergänzt Professor Haverich, "denn der Körper des Empfängers besiedelt dieses Collagengerüst von allein mit seinen Zellen."

    Bis zur ersten Implantation in Deutschland hatten die Mediziner bereits 18 Kindern in Moldawien mit der Therapie geholfen. "Alle Kinder litten stark unter ihrer Herzkrankheit", berichtete Dr. Serghei Cebotari, und waren in ihrer körperlichen Entwicklung hinter Gleichaltrigen zurückgeblieben. Die Kinder waren an einer Verengung oder Undichtigkeit der Herzklappe am Ausgang der rechten Hauptkammer erkrankt. Einzige Therapiemöglichkeit war, als Ersatz für die undichte Klappe eine künstliche Herzklappe oder ein herkömmliches Transplantat zu erhalten. Der Nachteil: Mit dem Wachstum der Kinder mussten diese Klappen durch größere ersetzt werden, die Kinder mehrmals operiert werden. "Unsere biologische Herzklappe wird vom Körper der Kinder als eigenes Gewebe akzeptiert und wächst deshalb mit", erläuterte Dr. Cebotari. "Die Kinder benötigen nur noch eine Operation und entwickeln sich danach völlig normal."

    Alexandru Manea war im Jahr 2002 das erste Kind, dem die MHH-Herzchirurgen in Moldawien eine Herzklappe des neuen Typs implantiert hatten. "Mir geht es prima", betonte der 17-Jährige, der gern Arzt werden würde, gestern bei der Pressekonferenz. Seit sechs Jahren lebt er mit der mitwachsenden Herzklappe. "Alexandru spielt Fußball und hat sich wie ein ganz normaler Jugendlicher entwickelt", erläuterte Professor Dr. Anatol Ciubotro, Direktor der Herzklinik Chisinau (Moldawien). Er ist von der Neuentwicklung begeistert und hatte vor sieben Jahren Professor Haverich sofort eine Zusammenarbeit angeboten. In Deutschland konnte die Methode damals nicht angewandt werden, da die Genehmigungsbehörden auf die Ausgestaltung des europäischen Zulassungsrechts warteten. Mittlerweile sind die mitwachsenden Herzklappen als Arzneimittel eingestuft und müssen in Deutschland nach diesem Zulassungsprocedere genehmigt werden.

    Auch der kleine David profitiert von der neuen Methode. "Unserem Sohn geht es hervorragend", sagte Heike Plöger, die Mutter des Vierjährigen. "Seit wir aus dem Krankenhaus wieder zu Hause sind - das war bereits wenige Tage nach der OP - ist er nicht mehr zu bremsen, er ist sofort auf sein geliebtes Laufrad gesprungen. Drei Wochen nach der OP ging er bereits wieder in den Kindergarten und ist aufgeweckt und fröhlich wie zuvor." Das Ehepaar Plöger ist überzeugt, die beste Entscheidung für ihren Sohn getroffen zu haben. Wir sind überglücklich, wie gut die OP gelaufen ist und wie schnell er sich davon erholt hat und wieder ganz ,unser David' ist. Wir danken dem ganzen Team für die hervorragende Betreuung während unseres Aufenthaltes in Hannover von ganzem Herzen." Für sie und ihren Mann war nach der Empfehlung von Professor Rein klar, dass "wir unserem Jungen weitere Operationen ersparen wollten".

    Professor Rein hatte den Plögers zu der innovativen Herzklappe geraten, weil er sich sicher ist, dass das Implantat aus derzeitiger Sicht nicht nur über lange Zeit in seiner Funktion erhalten bleibt, sondern sogar mitwächst. "Nach ausgiebigen Gesprächen mit der Forschungsgruppe von Professor Haverich ist es meine feste Überzeugung, dass mit dieser Methode die Zahl der Re-Operationen bei einer Vielzahl von angeborenen Herzfehlern drastisch reduziert, im Idealfall sogar völlig beseitigt werden kann", betonte Professor Rein. "Sollte sich diese Präparationstechnik auch auf übliche Schweineherzklappen anwenden lassen, käme dies einem Erdrutsch in der Herzchirurgie gleich."

    Für Patienten ist eine Hotline eingerichtet. Montags bis freitags von 12 bis 18 Uhr erhalten sie Informationen unter Telefon (0511) 532-8010.

    Für Journalisten gibt es weitere Informationen unter (0511) 532-2888. Unter dieser Telefonnummer können Sie auch Bilder von der Pressekonferenz bestellen - oder Sie schicken eine Mail an pressestelle@mh-hannover.de.


    Weitere Informationen:

    http://www.mh-hannover.de/zukunftspreis.html weitere Informationen zum Verfahren
    http://www.deutscher-zukunftspreis.de weitere Informationen zum Zukunftspreis
    http://www.corlife.eu weitere Informationen zu corlife


    Bilder

    Zum Spielen aufgelegt: Professor Haverich, David und Heike Plöger (von links).
    Zum Spielen aufgelegt: Professor Haverich, David und Heike Plöger (von links).

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Zum Spielen aufgelegt: Professor Haverich, David und Heike Plöger (von links).


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